Autor Thema: Das solltest Du nicht persönlich nehmen!  (Gelesen 5539 mal)

Offline IKARUS

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Das solltest Du nicht persönlich nehmen!
« am: 04. Januar 2018, 07:34:07 »
Ist dieser Satz sinnvoll oder Blödsinn?
Gestern hatte ich ein Gespräch mit einer Schülerin, die aus ihrer Praxiszeit kam. Sie bat um ein Gespräch, weil sie mit einer persönlichen Herausforderung im beruflichen Umfeld nicht klar kam.
Es handelt sich um einen jungen Menschen von gerademal 23 Jahren!!
Sie sagte mir, dass sie mir einer Pflegesituation - einem Zustand einer Patientin im Finalstadium - und vor allem den Reaktionen der "erfahren" Kollegin nicht klar kam. Als sie sich geöffnet habe, dass sie mit der Situation sich überfordert fühle, bekam sie den Spruch "um die Ohren ... das darfst du nicht persönlich nehmen!"
Ist das nicht Blödsinn?
Auch wenn "erfahrene" Pflegekräfte sich irgendwie arrangiert haben, Menschen im Finalstadium zu begleiten/sie zu pflegen, dann kann es doch sein, dass junge Menschen das noch nicht können. Woher sollen sie es denn auch können? Es ist doch für diesen jungen beruflichen Nachwuchs etwas Neues. Etwas was sie bisher in ihrem Leben noch nicht erlebt haben.
Den Umgang mit Schwerstkranken lernt man nicht am Küchentisch und in der Disco!!
Hier halte ich die Sprüche: "... das darfst du nicht persönlich nehmen!" für eine Klatsche in das Gesicht eines jungen Menschen!
Es geht doch nicht um den sterbenden Menschen, sondern um den jungen Menschen, der sich dieser beruflichen Herausforderung stellen will/muss. Hier braucht er verständliche Hinweise, wie man sie kaum in Lehrbücher findet.
Was haben wir "alten Hansen und Häsinnen!" versäumt, das zu Papier zubringen?
Mir ist der sterbende Mensch nicht so sehr im Focus wie der junge Mensch, oder besser formuliert "mein Schüler/meine Schülerin".
Die gilt es für diesen Beruf und seine beruflichen Herausforderungen vorzubereiten.
Wenn eine Schülerin/ein Schüler still ist oder gar auf der Station Tränen vergießt, sollte ich nicht infrage stellen, ob sie sich über die Berufswahl im klaren ist, sondern nachfragen, was denn da für Gedanken sich entwickelt haben, was zu dieser aktuellen Trauigkeit/Betroffenheit Anlass gegeben hat.
Wenn ich das als Lehrkraft oder Sl/PDL nicht leisten kann, sollte ich nach einer Lösung suchen, die dem Schüler/der Schülerin hilft, statt sie alleine zu lassen.
Ich könnte ja damit anfangen, wie es mir erging, als ich meinen ersten sterbenden Menschen begleiten musste und was ich von meinen "Lehrern" lernen konnte und wie ich meinen eigenen Weg gefunden habe damit klar zu kommen.
 
Ich denke, dass wir nur in wenigen Fällen auch einen ausgebildeten Psychologen benötigen, um einen so wankenden Menschen aufzufangen.
Gesunder Menschenverstand und Empathie können ausreichend sein! Wir sollten ihr/ihm zur Seite stehen, wenn wir es ernst nehmen mit der Ausbildung des beruflichen Nachwuchs!

Ausbildung zu einer belastbaren GuK ist mehr als Anatomie, Physiologie, Pathophysiologie, ... .
Ausbildung bedeutet für mich auch die emotionale Begleitung und Stärkung der jungen Menschen und das Aufzeigen von Lösungsmöglichkeiten, auf die ein junger Mensche nicht alleine kommen kann.

Einfühlsame Grüße aus Essen,Michael Günnewig

Online dino

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Re: Das solltest Du nicht persönlich nehmen!
« Antwort #1 am: 04. Januar 2018, 14:47:52 »
Könnte es sein das die Kollegin dies vielleicht etwas mißverstand. Wollte ihr die examinierte Kollegin vielleicht nur sagen das sie ihre Erklärung der Schülerin gegenüber nicht krumm nehmen soll? Oder wollte sie damit sagen das die Schülerin den Tod des Patienten nicht persönlich nehmen soll? Mit letzterer Antwort hätte sie vom Grundsatz Recht, hätte sich aber blöd ausgedrückt. Nach einem Ex darf man das einem Schüler nicht!! mit einem kurzen Satz abhaken. Ich fang zwar net bei Adam und Eva an, erkläre aber immer das Krankheitsbild, die Umstände, und wie es mir bei meinen geht. Es gibt da kein Schema mit dem persönlichem Erleben. Mal ist der Alltag in kürzester Zeit prägnant, mal sieht man die Bilder länger, mal kommt plötzlich wat hoch. Es ist auch mehr eine Art des Umgangs mit dem Erlebten, nicht des Lernens. Und es trifft auch net nur Schüler.

Es handelt sich um einen jungen Menschen von gerademal 23 Jahren!!
Was ist denn das ideale Alter für den Umgang mit dem Tod? Ich selbst war wesentlich jünger, Soldaten sind in der Regel jünger, früher die Zivis auch. Ich finde nicht das Alter der Schüler ist entscheidend, sondern wie Kollegen/innen damit umgehen. Natürlich mit Einschränkungen, es gibt für mich Situationen, da hat kein Schüler was verloren, egal wie alt.
VG
dino
« Letzte Änderung: 04. Januar 2018, 14:50:16 von dino »

Offline IKARUS

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Re: Das solltest Du nicht persönlich nehmen!
« Antwort #2 am: 04. Januar 2018, 15:13:48 »
Dino, da hast Du recht! Es trifft nicht nur Schüler.
Es kann auch sein, dass ein Kollege der rotiert in einen Pflegebereich kommt, von dem er bisher keine Ahnung hat, was da auf ihn zukommt.
Hier bin ich wieder beim Punkt. Wir können nicht vorher wissen, was da auf uns zukommt. Ich denke, dass auch hier der Spruch: "du musst wissen was auf dich zukommt, wenn du auf die ITS geht´s oder in die Psychiatrie. 
Auch das es kein Schema F gibt, ist mir klar.
Das ist ja wahrscheinlich auch der Grund, weshalb es keine umfassende Literatur zu diesem Thema gibt.
Das persönliche Gespräch ist das A und O!
Hier benötigen Vorgesetzte ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen in den "jungen" Mitarbeiter. Hier entscheidet sich für mich Fürsorge für die Mitarbeiter. 
Oft genug habe ich zu hören bekommen: "...dann müssen sie gehen oder irgendwie damit klar kommen!"
Wenn das bei Euch anderes ist, freut es mich sehr!. Wirklich sehr!!
Grüße aus Essen, Michael

Online dino

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Re: Das solltest Du nicht persönlich nehmen!
« Antwort #3 am: 04. Januar 2018, 20:00:20 »
Nein, nein und nochmals nein. Es kommt nicht auf das Alter an. Es kommt auf den einzelnen Mitarbeiter an. Was hat er erlebt, wie verkraftet er/sie belastende Ereignisse, in welcher Tagesform ist er/sie? Was ist geschehen, wer war betroffen? Es kann auch erfahrene Kräfte treffen. Auch da kommt es auf die Umstände an. Es kann auch sein das ich jemand für bestimmte Notfälle niht mehr einsetze. Nicht wegen der Arbeitsleistung, die sogar hervorragend gewesen sein kann. Sondern weil es der Mitarbeiter/in das Gewesene sehr schlecht verarbeiten konnte. Trotz aller Nachsorge kann man Mitarbeiter bei einem neuen Notfall "verbrennen", dass gilt es zu verhindern. Und nochmal zum erinnern: Dies gilt altersunabhängig. Wir reden hier aber von besonderen Situationen. Wenn jemand auf die Dauer bei Routine/Basisnotfällen wie z. B. Bewußtseinseintrübungen, auf die Dauer ein Problem mit hat, ist er/sie definitiv am falschen Platz. Es gibt aber für helfende Berufe ne Menge Literatur, siehe hier https://www.skverlag.de/buchshop/buchshop/kategorie/psychische-hilfe.html
Auch andere helfenden Berufe sind betroffen. Aber die derzeitigen Spitzengestalten in den Pflegegremien machen sich lieber Gedanken über nichtssagende Wortkreationen wie Pflegende oder erhoffen sich Häuptlingssitze in etwaigen Kammern. Alltagsproblematik wie Umgang mit besonderen Ereignissen würden da doch nur stören.
VG
dino

Offline IKARUS

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Re: Das solltest Du nicht persönlich nehmen!
« Antwort #4 am: 04. Januar 2018, 21:11:41 »
Was ich mit dem Alter meine ist nicht das biologische Alter der Mitarbeiterin/des Mitarbeiters Dino.
Es ist für mich die Zugehörigkeit zur Berufsgruppe oder anders formuliert, die berufliche Erfahrung mit den Herausforderungen die es in unserem Beruf gibt. 

Aus deinen Zeilen geht doch für mich klar hervor, dass Du dich schützend vor deine Mitarbeiter stellst.
Meine Erfahrungen sind da anders, als ich es empfinden, wenn ich deine Zeilen lese.
Es mag ja sein, dass das in deinem/eurem beruflichen Umfeld besser ist als in dem, dem ich ausgesetzt war.
Und wenn ich mir die aktuelle Rückmeldung der Schülerin anhöre, hat sich da nicht besonders viel entwickelt was zu wünschen wäre.

Deine Kritik an die "Spitzengestalten" in den Gremien, kann ich an dieser Stelle nachvollziehen!

Grüße aus Essen, Michael

Online dino

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Re: Das solltest Du nicht persönlich nehmen!
« Antwort #5 am: 05. Januar 2018, 06:39:11 »
Auch wie lange ein Kollege/in im Job ist ist nicht entscheidend. Es ist grundsätzlich individuell verschieden. Man muss sich nach einem nicht alltäglichem Ereignis um Alle kümmern. Es ist auch kein schützend vor jemandem stellen, vor wem soll ich da jemand schützen? Es ist ein da sein, Raum für das Aussprechen von Ängsten/Zweifeln geben, eigene Analogien einbringen wenn es sinnvoll erscheint.
VG
dino