Ein unmoralisches Angebot?
Heute habe ich von einer älteren Dame, mit der ich getanzt habe, ein Angebot bekommen, mit ihr auf ihr Zimmer zu gehen. Das Tanzen hat ihr sehr sehr gut gefallen und sie bekam kaum genug. Immer wieder meldete sie sich mit der Bitte, ich möge doch mit ihr tanzen. Nun ist meine Tanzstunde so angelegt, dass ich reium gehe und die anwesenden Damen einlade, mit mir zu tanzen. Bekomme ich eine Ablehnung, frage ich die daneben sitzende Dame. Das hat bisher gut funktioniert! Somit habe ich keinen Grund gesehen, das Konzept zu ändern, obwohl sie wild gestikulierte.
Als sie wieder an der Reihe war, strahlte sie übers ganze Gesicht. Als der Tanz zu Ende war, wollte sie mich nicht wieder loslassen und bat um den nächsten Tanz. Ich sagte ihr, das auch die anderen Damen mit mir tanzen wollen und ging zur Nächsten. Nun konnte ich irgendwann sie wieder auffordern, mit mir zu tanzen. Hier bekam ich dann von ihr das "unmoralische" Angebot. Sie lud mich ein, mit ihr auf ihr Zimmer zu gehen.
Ich denke: ich lehnte freundlich und höflich ab mit den Worten, dass ich nach dem Tanzen im Seniorenheim noch mein Turniertraining absolvieren muss. Das war nicht gelogen!
Ich bin davon überzeugt, das sie nicht unter die Decke wollte, aber sie suchte sicherlich Nähe, wie sie sie beim Tanzen empfunden haben kann.
Das erinnerte mich auf dem Heimweg an meinen Aufsatz über die Sexualität im Alter und besonders bei an Demenz erkrankten Menschen.
Sicherlich sind wir für die Zufriedenstellung sexueller Wünsche nicht da und verantwortlich. Aber das wir uns dem Thema öfter zuwenden sollten, ist für mich unbestritten.
Es gab hier in Essen wieder eine Fortbildung zu diesem Thema. Leider zu theoretisch!
Ich will nicht dafür plädieren, dass wir in das Praktische gehen. Das könnten die Alten sicherlich besser als die Jungen. Worum es mir geht, ist das Zulassen von körperlicher Nähe zwischen den Bewohnern in den Einrichtungen (Krankenhaus und Senioreneinrichtungen). Oft ist es irritierend, wenn ältere Menschen händchenhaltend durch die Flure schlendern. Hier müssen wir (die Weißkittel!!) mehr Toleranz üben. Ältere Menschen möchten oft nur die Nähe - auch die körperliche Nähe eines anderen Menschen - spüren.
Von der Gerontopsychologin Nicole Richard [die leider zu früh verstorben ist - siehe Anlage] habe ich mit auf meinen beruflichen Wege bekommen, dass auch ältere Menschen Bedürfnisse haben, die erfüllt werden sollten/müssen.
Wenn ich an meine "Krankenhauskarriere" denke, war das Thema "Sexualität bei Patienten kein wirkliches Thema in meinem Beruf.
Oft wurden nur Witze gemacht, weil die eigene Betroffenheit nach Nähe zu irritierend war.
Mögen wir die Toleranz leben, von der zur Zeit in den Medien viel gesprochen wird.
Beste Grüße aus Essen, IKARUS