Autor Thema: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit  (Gelesen 6894 mal)

Offline Thomas Beßen

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Ein interessanter Aufsatz von Gabriele M. Hochwarter unter http://www.oegkv.at/fileadmin/docs/OEPZ_2006/01/hochwarter.pdf:
...
"Sprache schafft Wirklichkeit und die Wirklichkeit einer professionellen und kompetenten Pflegeperson hat weder mit einem immer zur Verfügung stehenden mütterlichen, bedürfnislosen, dienendem weiblichen Wesen zu tun, noch ist sie als Vor- und Nacharbeiterin ärztlich-medizinischer Ausführungen zu sehen. Die „Schwester“ als Benennung einer Profession oder als Anrede ist nicht mehr adäquat und entspricht auf keinen Fall dem Anforderungsprofil kompetenter und eigenverantwortlicher Pflege."

Morgendliche Grüße!
Thomas Beßen

p.s.: siehe auch https://www.parlament.gv.at/PAKT/VHG/XXV/SNME/SNME_04667/imfname_463522.pdf
« Letzte Änderung: 18. März 2016, 07:34:42 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline IKARUS

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #1 am: 15. Januar 2013, 11:35:40 »
Der Artikel und das Thema sind hochinteressant und treffen auch einen Teil meiner Aufmerksamkeit. Die österreichischen Kollegin hat Recht mit ihrem Gedankenansatz. Trifft er doch auch auf viele Gleichgesinnte in unserem Lande. Es bleibt die Frage, wie wir diese Forderung in die Gesellschaft bekommen. Von den "normalen Bürgern" ist die Anrede "Schwester" nicht abwertend gemeint. Dennoch verstehe ich das Ansinnen unserer weiblichen Kolleginnen, nach sehr begründeten Änderungen.
Auch bin ich völlig mit dem Inhalt des Artikels einverstanden, dass wir mit der Sprache zum Ausdruck bringen können, was wir denken und wie wir handeln wollen.
Nun ist es aber so, dass viele Menschen reden ohne was zu sagen. Und wenn sie etwas gesagt haben, dann war es so nicht gemeint. Sie - die die reden - übernehmen selten Verantwortung für das von ihnen gesagte.
Auch das Zitat in dem Aufsatz einspricht meinem Gdanken, dass die Sprache das Abbild meiner Welt ist.
Da gibt es Menschen die analytisch denken und ähnlich so reden.
Da gibt es Menschen die blumig sprechen und sehr lebhafte Menschen sind. Jeder hat so seine Stärken, sich der Umwelt mitzuteilen.

Für mich ist die Anrede Frau ...    heute Gewohnheit. Für meine Geschwister ist das Thema irritierend.
Auch geht es dann darum mit einem sehr dünnen Bohrer ein sehr dickes Brett zu bohren. Aber das Bohren lohnt. Für die Kolleginnen aber auch im Allgemeinen. Mir ist es wichtig, dass die Menschen lernne für ihr Gesagte auch die Verantwortung zu übernehmen.

Kommunikative Grüße, IKARUS

Offline Brady

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #2 am: 15. Januar 2013, 21:52:14 »
Hallo Thomas,

danke für diesen eingestellten Beitrag. Mir spricht es aus dem Herzen und aus meinem Fachverstand heraus. Für mich ist es ein Pflegefehler in der Beziehungsgestaltung, zumal niemand behaupten kann Kommunikationsregeln einzuhalten, der mit Patienten auf 2 verschiedenen Ebenen kommuniziert.

Es ist nicht die Bevölkerung, die uns so nicht nennen will. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass  es die Kolleginnen selbst sind die es so nicht wollen. Es geht nicht nur um eine anstrengende Veränderung sich so vorzustellen, sondern vielmehr sich mehr zu zeigen mit seiner Persönlichkeit. Die Patienten haben am allerwenigstens ein Problem damit. Sicher gibt es viele ältere Menschen oder kranke Menschen die dies nicht leisten können, aber diese können es auch nicht bei anderen Berufsgruppen leisten.

Heute Morgen kam eine Kollegin, die im Funktionsdienst die Blutentnahme bei unseren Patienten übernimmt. Meine Kollegin und ich waren mit  Patienten in einem anderen Raum im Gespräch. Sie rief laut: "Kann mal eine Schwester kommen und helfen?"

Ich konnte nicht anders und fragte: "Kanns auch eine Pflegekraft sein? Wir haben hier keine Schwestern". Dieser Kollegin war es deutlich anzusehen, dass es ihr peinlich ist uns mit dem Nachnamen zu rufen.
Ich habe mal in der Stationsleitungsbesprechung vor eine Strichliste zu führen, wie oft das Wort Schwester, Schwesternzimmer, Zweitschwester und noch mehr solcher Begriffe vorkommen, die heutzutage überhaupt  nicht mehr passen.

Ich traf leztens eine junge Kollegin im Flur und fragte sie ob sie neu und gerade mit der Ausbildung fertig sei. Diese antworte: "Nein, bin schon seit 6 Jahren examiniert". Ich schaute auf ihr Schild und sagte...nur Aha. Darauf beschwerte sie sich, dass nicht nur "Schwester und der Vorname da steht", sondern Vor- und Nachname.  Die Patienten könnten sie stalken.
Ich habe eine völlige Entgleisung meiner Gesichtszüge nicht verhindern können. Diese junge Frau arbeitet in der Urologie und ich habe ihr erstmal deutlich machen müssen, dass der Patient nicht mein Feind ist und wenn ich so ein Menschenbild habe, sollte ich einen anderen Beruf wählen. Und sollte ich gestalkt werden, dann reflektiere ich was ich selber damit zu tun habe und was meine Anteile dabei sind.
Zudem sehe ich es auch in meinem Beruf als Berufsrisiko an, was sollen denn Scheidungsanwälte, Polizisten, Richter und andere gefährdete Berufsgruppen sagen?

Dann noch was....die Patienten bringen uns das Geld, sie begeben sich in unsere Hände. Mit was für einer Arroganz manche gegenüber Patienten denken und richten geht mir vollends gegen den Strich.

Sorry für meine kleine schriftliche Entgleisung, aber es wird seit Jahren von Pflegewissenschaft und aus berufspolitischen Gründen gefordert. Dass auch Ärzte lieber die "Schwester" rufen ist doch auch so nett. Macht doch echt was her.....*grummel*....

Liebe Grüße Brady
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Offline dino

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #3 am: 16. Januar 2013, 07:38:43 »
Hi, dasss mit dem Stalken ist nur ein Totschlagsargument. Wenn ein Patient rauskriegen will wer Du bist wird er dies. Warum beharren viele kolleginnen auf die Anrede Schwester? Arroganz? Ich weiß nicht. Was verbinden Sie mit der Anrede? Ich habs aufgegeben. Es ist einfacher gegen Windmühlenflügel anzutreten.
VG   dino

Offline Brady

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #4 am: 16. Januar 2013, 19:04:12 »
Heute in der Stationsleitungsbesprechung berichtete mir eine Kollegin, dass sich eine junge Pflegekraft bei einem Honorararzt vorstellen wollte und dieser sie unterbrach als sie ihren Namen nannte. "Schwester" würde ihm reichen, mehr will er garnicht wissen.

Nunja, das ist doch genau das was die Kollegen bezwecken die auf ihre Anrede Schwester bestehen. Gesichtslos bleiben, weniger Verantwortung und um Gottes Willen nicht mit ihrem Namen für was einstehen. Bleibt es bei "Schwester", bleibt vieles anonym....viel ungefährlicher in allen Ebenen und Bereichen.
Gleichwertigkeit, Teamgedanke und Beziehungsarbeit zwischen den Berufsgruppen ade... :x

LG Brady
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Offline dino

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #5 am: 16. Januar 2013, 20:01:06 »
Versuche Dinge zu Ändern die Du ändern kannst und nimm dinge hin die Du nicht Ändern kannst.
Ist glaub ich von Konfuzius.
Vg   dino

Offline Brady

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #6 am: 16. Januar 2013, 20:32:44 »
Ich bleibe hartnäckig und wenn ich es in meinem Bereich erlebe werde ich es immer wieder ansprechen. Nur wenn sowas Kollegen passiert wie mit dem Arzt kann ich nur sagen selber schuld.
Ich werde nicht weghören und mitmachen, denn dies ist wichtig. Ändern werde ich niemanden können, will ich auch garnicht.  Aber das hält mich nicht davon ab immer wieder darauf hinzuweisen.

Einige Schüler die jetzt bei mir ihren Einsatz hatten haben dies mitgenommen, auch wenn sie es noch nicht auf einer Station umsetzen konnten ist der erste Schritt getan. Sie sagten mir, ich finde es richtig, aber was soll ich denn als "Neuer" machen? Gegen den Strom schwimmen ist schwer. Das denke ich auch, aber der Gedanke zählt schon, der Perspektivwechsel, dass es auch mit dem Nachnamen funktioniert. Irgendwann.....

Mir ist es wichtig auch selber diese Dinge zu reflektieren, sich damit auseinander zusetzen. Irgendwann, auch wenn ich es bis zu meiner Rente nicht erlebe, wird es vielleicht so weit sein, dass es dann selbstverständlich ist.

VG Brady

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Offline dino

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #7 am: 17. Januar 2013, 00:16:26 »
hi Brady, also wenn Du jetzt Berufsanfänger wärst könnte die Zeitspanne gerade so hinkommen  :-) Aber ganz ehrlich, als Stationsleitung steht die Anrede nicht an erster Stelle meiner Agenda.
Viele Grüße    dino

Offline Brady

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #8 am: 18. Januar 2013, 23:39:57 »
Hi Dino,

bei mir steht es an erster Stelle, weil es mit die Wurzel  ist, warum viele Dinge in der Pflege nicht  wirklich funktionieren, bzw. wir uns selber schaden.
Mich würde aber interessieren was bei Dir an erster Stelle steht?

VG Brady

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Offline dino

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #9 am: 19. Januar 2013, 01:36:15 »
An erster Stelle stehen bei mir die Patienten. Mein Hauptanliegen ist diese so optimal als möglich zu versorgen. Als nächstes kommt dann die Organisation der Station, wie z. B. Dienstplangestaltung. Wir haben keinen starren Diestplan, er beruht auf Wunschplan und Schwerpunktbildung. Beispiele: Montags morgens ist in der Regel ein vermehrter Arbeitsanfall, hier stehen oft Verlegungen von einer Überwachung auf periphere Stationen an, wir haben eine Gruppe, Abarbeiten vom Wochenende (kennst Du doch auch), ergo plane ich da eine zusätzliche Kraft ein. Ebenso wenn Gruppen außerhalb der Station stattfinden. Zur Dienstplangestaltung gehört auch die Sicherstellung von Fortbildungen. Inhalte der Arbeitabläufe/Checklisten (z. B. Evaluierungsbögen der Pflegevisite) müssen überararbeitet und angepasst werden. Eine Leitungsaufgabe ist auch das Auswerten von Aufnahmen unserer Kooperationspartner. Dazu gesellen sich noch die "normalen" Tätigkeiten, wie z. B. Begleiten unserer Patienten in eine Nachsorge zur Vorstellung, Leiten von Gruppen oder einfach nur Blutdruck messen, Aufnahme übernehmen etc. Da ich meinen QMB hab, ich QM sinnvoll finde, bin ich auch als Auditor unterwegs. Und als Notfallbeauftragter bin ich für die Fortbildung Notfallmanagement der Mitarbeiter von 3 Betriebsstätten verantwortlich. Zudem bekomme ich noch die Notfallprotokolle und werte diese aus. Dadurch bekomme ich eine Übersicht welche Maßnahmen in den Fortbildungen optimiert werden müssen, welche Geräte an bzw. überflüssig sind oder welche Medis raus/reinkommen. Du siehst, ich hab genug zu tun, auch wenn ich das Ein- oder Andere Vergessen hab einzufügen. Ich setz mich auch gerne einfach nur in den Fernsehraum und hör unseren Patienten mal zu oder beobachte sie. Auch dabei kommt eine Menge heraus. Das Alles ist mir wichtiger als die Anrede.
 Primär denke ich das nicht die Anrede  die Wurzel ist, sondern die Einstellung.
Viele Grüße    dino
« Letzte Änderung: 19. Januar 2013, 15:38:27 von dino »

Offline Brady

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #10 am: 19. Januar 2013, 09:08:09 »
Hi Dino,

für mich ist die Einstellung die Wurzel. Es ist der Anfang aller Dinge.


VG Brady
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Offline dino

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #11 am: 19. Januar 2013, 13:16:43 »
Du kannst aber nicht alle Kolleginnen über einen Kamm scheren. Es gibt nämlich Top Kolleginnen (auch als SL) die stellen sich als Schwester vor und melden sich auch so am Telefon. Ich bin da tolerant, wie gesagt, es gibt für mich Wichtigeres. Einstellung und wie man sich ausgibt sind für mich 2 Paar Schuhe.
Viele Grüße   dino
« Letzte Änderung: 19. Januar 2013, 15:00:10 von dino »

Offline Brady

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #12 am: 19. Januar 2013, 19:33:35 »
Hi Dino,

das ist ein Totschlagargument. Es würde ja heissen, alle die sich "Schwester" nennen arbeiten schlecht. Das kann ja nicht sein.

Die Einstellung bezieht sich nicht nur auf die Arbeitsweise, sondern auch auf die professionelle Darstellung. Den Blickwinkel, den man bekommt wenn man auf gleicher Ebene kommuniziert, ob mit dem  Patienten oder mit dem Vorgesetzten. Eine Nähe-Distanz die einem selber und anderen von Vorteil ist. Ich denke da an Z.B. Burnout, sich nicht genügend abgrenzen können auf der einen Seite oder die Forderungen/Erwartungen von Patienten nach einer stets gütigen und aufopfernden "Schwester".
Das sind Faktoren und  ich werde diese auch nicht verallgemeinern.

Die fachlichen Argumente will ich jetzt nicht noch aufführen, diese sind ja hinlängst bekannt.

VG Brady
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Offline dino

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Re: schwester / krankenschwester: die sprache als soziale wirklichkeit
« Antwort #13 am: 19. Januar 2013, 20:23:07 »
Hi Brady, genau dies wollte ich zum Ausdruck bringen. Deshalb, man darf nicht Alle über einen Kamm scheren.
VG   dino