Autor Thema: "Hygiene ist für viele deutsche Ärzte immer noch ein Fremdwort."  (Gelesen 3575 mal)

Offline Thomas Beßen

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"150 Jahre ist es her, dass der Arzt Ignaz Philipp Semmelweis das grassierende Kindbettfieber auf mangelnde Hygiene bei Ärzten und Krankenhauspersonal zurückführte. Das Wissen um die Gefahr durch Keime sollte inzwischen bei den Doctores angekommen sein. Doch deutsche Medizinergehirne scheinen besonders resistent gegen jede Art hygienischer und antibiotischer Aufklärung zu sein.

Gerade hat das Bundesgesundheitsblatt neue Zahlen über das Infektionsgeschehen in Kliniken veröffentlicht. Der Befund ist erschreckend. Wurde im Blut von Kranken der Keim Staphylococcus aureus entdeckt, so handelte es sich in den vergangenen Jahren in mehr als 20 Prozent der Fälle um einen multiresistenten Stamm (MRSA). Erst 2010 sank die Resistenzrate leicht. In den Niederlanden lag der MRSA-Anteil konstant niedrig bei drei Prozent. Gedankenlose Antibiotikatherapie fördert die Resistenzentwicklung, laxes Hygienebewusstsein und fehlendes Hygienepersonal sind die Grundlage von Klinikinfektionen wie den jüngsten Epidemien auf Säuglingsstationen.

In der Vergangenheit glichen Antibiotika die Hygienemängel aus. Inzwischen aber nehmen extreme Resistenzen unter Bakterien erheblich zu. Die Pharmaindustrie hat nur ein Dutzend neue Antibiotika in der Entwicklung. Die einzige Chance, die vorhandenen Medikamente noch lange nutzen zu können, ist maximal geschärftes Problembewusstsein beim medizinischen Personal.

Mit solchen Veränderungen in den Köpfen tun sich deutsche Ärzte schwer: In Kliniken dominieren Hierarchiehörigkeit und Statusdenken über das Patientenwohl. Nur wenn sich – wie in den Niederlanden – eine Kultur der Selbstkritik verbreitet, kann das Problem gelöst werden. »Unter den Talaren Muff von 1.000 Jahren«, hieß es 1967 über die Professorenherrlichkeit. Die Talare wurden durchlüftet, aber unter den Kitteln müffelt es immer noch."


Quelle: http://www.zeit.de/2012/47/Hygiene-Aerzte-Krankenhaeuser

Guten Morgen!
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline IKARUS

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Re: "Hygiene ist für viele deutsche Ärzte immer noch ein Fremdwort."
« Antwort #1 am: 29. November 2012, 11:45:00 »
Nun bezieht sich der Artikel auf die Ärzte. Ich denke, dass auch andere Berufsgruppen im Gesundheitswesen noch viel Entwicklungspotential haben. Was die Hygiene angeht ist das Verständnis um die kleinen Biester erforderlich. Wir sehen die Bakterien und Viren nicht und haben deshalb es so schwer sie in unseren Blick zu bekommen.
Es ist für mich mangelnde Aufmerksamkeit am Arbeitsplatz. Mangelndes Rollenverständnis für den Beruf und den Berufsalltag. Wenn ich mich auf eine Station begebe, dann ist es so, dass die Probleme und Freuden die ich in der Pflegeschule erleben vor der Stationstür bleiben. Ich "tauche" in die kommende Situation ein. Alles Andere spielt zu diesem Zeitpunnkt keine Rolle. Es hat temporär keine Bedeutung für mich.
Hilfreich für mich war die Zeit im OP. Dort habe ich gelernt, dass ich mich bei der chirurgischen Desinfektion  komplett in die kommende Situation hineinbeamen sollte.
Da hatte ich einen tollen Lehrer!
Nach der OP sind wir dann gemeinsam aufgetaucht und haben wieder am Leben teilgenommen. Aber während der Op war die komplette Konzentration auf die Aufgabe ausgerichtet.
Und genau hier sehe ich das Problem der agierenden Fach-Leute. Sie machen mal eben, mal eben im vorbeigehen und und und. Sie tauchen nicht in das Thema ein, lassen sich nicht auf das Thema ein. Da gibt es nur wischin waschi mit den uns bekannten Ergebnissen. Es braucht keine neuen Gesetze und Vorschriften. Das ist oft nur blinder Aktionismus von den Kopferten.
Ich komme da auf meinen Leitspruch zurück: "Disziplin ist besser als Medizin!"
Disziplin beim Umgang mit den eigenen Händen, beim Tragen von Handschuhen, beim Wechseln der Handschuhe.
VG, Michael