Ob meine Wut verraucht, wenn ich bis zehn gezählt habe? Ich denke nein!!
Besser als bis zehn zu zählen halte ich den Vorschlag, sich zu fragen, warum ich wütend geworden bin.
Wut ist ein starkes Gefühl, dem ich wie der Liebe nachgehen sollte. Es muss doch einen Grund geben, warum ich wütend geworden bin.
Oft ist es eine bewusste oder unbewusste Überforderung meiner seelischen Belastungsgrenze. Wenn ich sie nicht kenne oder gar kennen will kann es zu Reaktionen kommen, die mir später leid tun könnten oder gar werden. Wenn mich die körperlichen oder emotionalen Anforderungen bei der Pflege eines Menschen und ganz besonders bei geliebten Angehörigen überfordern, sind Wutausbrüche an der Tagesordnung. Wenn ich mich rechtzeitig schulen lasse, kann das kommende Konfliktpotentioal gemindert werden.
Lernen doch die Teilnehmner nicht nur pflegepraktische Fertigkeiten, sondern sie bekommen auch Hinweise auf den Umgang mit den eigenen Gefühlen. Wenn ein Patient mich verwünscht, kann das Wut und Haß auslösen. Dass die Äußerungen nicht unbedingt auf mich bezogen sind, ist eine Herausforderung für mich es so zu sehen und zu empfinden. Hier ziegt sich dann der elementare Unterschied zwischen erzählter Theorie und gelebter Praxis. Wenn ein Pflegebedürftiger sich über Verhaltensweisen "äußert", weil er sich sprachlich nicht äußern kann, ist die Möglichkeit groß, dass ein Laie das Verhalten falsch einordnet und gegen sich gerichtet empfindet. Da werden "schlaue" Menschen voreilig sagen, dass man Verständnis aufbringen soll. Aber wenn das Verhalten täglich und eventuell mehrmals täglich ausgehalten werden muss, kann das Nervenköstüm sehr rasch sehr dünn werden und "Überreaktionen" nachsichziehen.
Also geht es nicht darum dem Menschen beizubringen wie er bis zehn zählen soll, sondern darum dass er seine Wut kanalisieren sollte und wie er das hinkriegen kann, damit er sich nicht am Pflegebedürftigen "austobt".
Mitfühlende Grüße, IKARUS