Autor Thema: Durchatmen und bis zehn zählen: Mit Wut in der Pflege umgehen  (Gelesen 5094 mal)

Offline Thomas Beßen

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Liebe TeilnehmerInnen des K 2010 HT,*

hier finden Sie den Artikel des heutigen Unterrichtes mit Herrn M. nochmals zum nachlesen: http://www.suedkurier.de/ratgeber/familie/berichte/Durchatmen-und-bis-zehn-zaehlen-Mit-Wut-in-der-Pflege-umgehen;art481,5660864 (http://www.maerkischeallgemeine.de/cms/beitrag/12383806/7249995/Durchatmen-und-bis-zehn-zaehlen-Mit-Wut-in.html).

"Demenzkranke zu betreuen, ist für viele Angehörige großer Stress. Das macht gereizt - und kann im schlimmsten Fall zu Gewalt gegen den Pflegebedürftigen führen. Damit es soweit nicht kommt, sollten Betreuer die Grenzen ihrer Kraft einschätzen lernen.
Die Mutter macht sich wie ein Kleinkind in die Hose, der Ehemann weiß nicht mehr, wie er sich ein Brot schmiert: Die Pflege demenzkranker Menschen ist für Angehörige oft eine Geduldsprobe. Fehlt die Kraft, kann das in Aggressionen umschlagen. Es fallen harte Worte, der Pflegebedürftige wird unsanft ins Bett befördert - manchmal bricht sich die Wut auch mit Schlägen oder Stößen Bahn. Merken Angehörige, dass sie sich mit der Betreuung überfordert fühlen, müssen sie sich Hilfe suchen. ..."


Viele Grüße!
Thomas Beßen

* und andere Interessierte...
« Letzte Änderung: 18. Januar 2013, 23:48:35 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline IKARUS

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Re: Durchatmen und bis zehn zählen: Mit Wut in der Pflege umgehen
« Antwort #1 am: 31. August 2012, 16:38:34 »
Ob meine Wut verraucht, wenn ich bis zehn gezählt habe? Ich denke nein!!
Besser als bis zehn zu zählen halte ich den Vorschlag, sich zu fragen, warum ich wütend geworden bin.
Wut ist ein starkes Gefühl, dem ich wie der Liebe nachgehen sollte. Es muss doch einen Grund geben, warum ich wütend geworden bin.
Oft ist es eine bewusste oder unbewusste Überforderung meiner seelischen Belastungsgrenze. Wenn ich sie nicht kenne oder gar kennen will kann es zu Reaktionen kommen, die mir später leid tun könnten oder gar werden. Wenn mich die körperlichen oder emotionalen Anforderungen bei der Pflege eines Menschen und ganz besonders bei geliebten Angehörigen überfordern, sind Wutausbrüche an der Tagesordnung. Wenn ich mich rechtzeitig schulen lasse, kann das kommende Konfliktpotentioal  gemindert werden.
Lernen doch die Teilnehmner nicht nur pflegepraktische Fertigkeiten, sondern sie bekommen auch Hinweise auf den Umgang mit den eigenen Gefühlen. Wenn ein Patient mich verwünscht, kann das Wut und Haß auslösen. Dass die Äußerungen nicht unbedingt auf mich bezogen sind, ist eine Herausforderung für mich es so zu sehen und zu empfinden. Hier ziegt sich dann der elementare Unterschied zwischen erzählter Theorie und gelebter Praxis. Wenn ein Pflegebedürftiger sich über Verhaltensweisen "äußert", weil er sich sprachlich nicht äußern kann, ist die Möglichkeit groß, dass ein Laie das Verhalten falsch einordnet und gegen sich gerichtet empfindet. Da werden "schlaue" Menschen voreilig sagen, dass man Verständnis aufbringen soll. Aber wenn das Verhalten täglich und eventuell mehrmals täglich ausgehalten werden muss, kann das Nervenköstüm sehr rasch sehr dünn werden und "Überreaktionen" nachsichziehen.
Also geht es nicht darum dem Menschen beizubringen wie er bis zehn zählen soll, sondern darum dass er seine Wut kanalisieren sollte und wie er das hinkriegen kann, damit er sich nicht am Pflegebedürftigen "austobt".

Mitfühlende Grüße, IKARUS

Offline Beate

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Re: Durchatmen und bis zehn zählen: Mit Wut in der Pflege umgehen
« Antwort #2 am: 31. August 2012, 17:19:59 »
Dies ist ein sehr umfangreiches und schwieriges Thema. Gerade gestern habe ich ein Ehepaar besucht, welche aufgrund der Demenz des Mannes nicht mehr in den Gottesdienst kommen können, aber immerhin per Telefon angeschlossen werden. Die Frau sagte dann gestern u.a. "danke, dass du uns nicht vergisst, man ist doch sehr allein". Ja, das stimmt, sie kann ihren Mann nicht mehr und oft zum Einkaufen etc mitnehmen, weil er das kognitiv einfach nicht mehr "gebacken" bekommt. Sie macht dieses schon einige Jahre mit, Hut ab vor ihrem Engagement. Ich denke, dass es vielerlei Möglichkeiten gibt, um selbst nicht zu überreagieren: bis 10 zählen, durchatmen, einen Ausgleich und Hobbies haben, einfach für "pflegefreie" Zeiten zu sorgen, d.h. in dieser Zeit ist jemand anderes da.
LG Beate

Offline IKARUS

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Re: Durchatmen und bis zehn zählen: Mit Wut in der Pflege umgehen
« Antwort #3 am: 31. August 2012, 21:27:36 »
Ja Beate, das mit der Freizeit für die beruflich und privat Pflegenden ist von großer Wichtigkeit. Nur wenn man an sich denkt, kann man auch an andere denken. Wer sich verausgabt, kann irgendwann nicht mehr für hilfebedürftige Menschen da sein. Und dann?!
Aber ich denke, dass das mit der Wut anderes gemeint sein kann. Es ist jedenfalls bei mir so angekommen. Das wenn ich Wut habe ich "nur" bis zehn zählen muss, damit das Meiste verraucht ist. Dem ist bei mir selten so. Da habe ich es lieber so wie Du es schreibst und auch ich heute auslebe. Ich pflege mein Hobby um für die neuen Aufgaben Kraft zu tanken.
Es ist auch so, dass der Versursacher meiner Wut herausgefunden werden muss, damit sich Wiederholungen minimieren oder gar nie wiederholen.

Nun bereite ich mich auf mein Hobby vor: Quick Quick Slow!!

Gruß, IKARUS