Autor Thema: Krankenschwestern 92-56-88 - eine Hilfe gegen den Pflegepersonalmangel 1965...  (Gelesen 4577 mal)

Offline Thomas Beßen

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"Dem amerikanischen Herren-Magazin "Playboy" diente die blauäugigapfelblonde Hamburger Kapitänstochter Maria Brockerhoff unter ihrem Künstlernamen Maria Hoff als Titel-Figur für eine Photo-Reportage über die "Girls of Germany":

Dem bremischen Sozialdemokraten und Senator für das Gesundheitswesen Karl Weßling, 54, half das Fräulein mit den Maßen 92-56-88 aus einem sozialen Dilemma: Bremens Krankenhäuser kennen keinen Schwesternmangel mehr.

369 Frauen und Mädchen haben sich in der Hansestadt jüngst für den Dienst am Krankenbett beworben - Resultat einer "völlig neuen Werbekampagne" (Weßling) der Bremer Gesundheitsbehörde, bei der das Covergirl Maria als "Schwester Karin" Reklame machte;

Das bundesrepublikanische Defizit von 25 000 Krankenschwestern hatte Weßling letztes Jahr vermuten lassen, man habe "eventuell etwas falsch gemacht". Erhebungen, die das Bremer "Institut für Motivforschung" im Auftrag der Gesundheitsbehörde in Norddeutschland anstellte, bestätigten,

- daß bereits die Berufsbezeichnung "Krankenschwester" negative Assoziationen hervorruft, denn "Krankheit, Elend und Tod, das Unschöne schlechthin, stehen im Mittelpunkt einer solchen Tätigkeit";

- daß sich ein Mensch "mit durchschnittlicher sozialer Einstellung" im Schwestern-Beruf überfordert fühlt", sich "mit Dienstmädchen und Handlangern auf eine Stufe gestellt" sieht;

- daß der Schwestern-Beruf trotz, Einführung der 47-Stunden-Woche und einem Schwestern-Bruttogehalt von 627 Mark (in kommunalen Krankenhäusern) identifiziert wird mit dem Verzicht auf Privatleben, auf geregelte Freizeit und "auf alles, was das Leben lebenswert macht". Weßling: "Die Tradition des Schwesternberufs, die wir immer noch mit uns herumschleppen, belastet sein Image und damit das Personalproblem."

Um das Image-hemmende Vorstellungsbild vom Schwesternberuf zu korrigieren, heuerte der Senator die Bremer Firma "Wächter-Institutionelle-Werbung" an, und diese wiederum das Mannequin Maria Brockerhoff, 23. Als "Schwester Karin" - "22 Jahre, verlobt, verdient gut" - lächelte sie bald aus den Anzeigenspalten der regionalen Tageszeitungen und von den Umschlägen Tausender Werbe-Broschüren.

Maria alias Karin wurde "beim Pulsen" gezeigt, aber auch vor ihrem Auto. Text: "Eine 5-Tage-Woche voll interessanter Aufgaben liegt wieder hinter ihr. Wieder zwei freie Tage! Herrlich!!!"

Reklame-"Schwester Karin" flanierte in elegantem Zivil über einen Boulevard, denn "sie verdient gut. Und es bleibt ihr genug Freizeit, das auch zu zeigen".

Einen Mundschutz unter ihrem Stupsnäschen, reichte "sie die Instrumente bei einer Operation"; oder sie half "dem Arzt bei der Visite"; oder sie hatte "gut lachen, denn ihr Beruf ist gleichzeitig die ideale Grundlage für eine Ehe".

Weil ihm die "verfluchte Krankenschwesternkleidung zum Halse raus hing" und er es nicht verstehen konnte, daß man "junge Mädchen bis zum Fußboden zuhängt", plädierte Bremens Gesundheitssenator Weßling ("Dior der Krankenschwestern") auch gleich für eine neue, modische Schwesterntracht.

Was ein Osnabrücker Bekleidungswerk auf seine Anregung hin entwarf, hat mit der traditionell zugeknöpften Schwesternmode nichts gemein. Das Modell "Ilka" im Stil eines duftigen Morgenanzugs erschien zwar den Schwestern und Ärzten, denen es vorgeführt wurde, zu gewagt. Weßling: "Man weiß doch, wie die Männer sind."

Akzeptiert aber wurde Modell "Renate" - ein taubenblaues, kurzärmliges Hemdblusenkleid mit. Reverskragen, Bindegürtel und* Kellerfalten. Es wird jetzt in der Bremer Roland-Klinik und im Zentralkrankenhaus Bremen-Nord als offizielle Schwesterntracht eingeführt. ..."


Quelle & mehr: Spiegel-Artikel von 1965 in der Anlage

Einen schönen Sonntag!
Thomas Beßen

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Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.