Autor Thema: Gesundheits-Reporter: Sanitäter der Obdachlosen  (Gelesen 3442 mal)

Offline Thomas Beßen

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Gesundheits-Reporter: Sanitäter der Obdachlosen
« am: 05. Januar 2012, 07:50:10 »
"Unterwegs mit Peter Wunsch von der Elisabet-Straßenambulanz in Frankfurt. Die Gewinner-Reportage des Wettbewerbs "Gesundheits-Reporter" von AOK und Frankfurter Rundschau.

Neben dem Portal der Frankfurter Liebfrauenkirche kauert ein bärtiger Mann auf seiner Pappe. Er trägt eine Blindenbinde und hält eine Schachtel für Spenden in die Kälte dieses trüben Novembertages. Peter Wunsch, Sanitäter der Elisabeth-Straßenambulanz, begrüßt den Mittfünfziger in seiner grünen Parka wie einen alten Bekannten.

Der Mann, der aus der Slowakei stammt und seit fünf Jahren in Deutschland lebt, grüßt freundlich zurück. Er spricht nur wenige Worte Deutsch und verständigt sich ansonsten mit Mimik und Gestik. „Peter - gut!“, sagt er, macht eine segnende Geste und küsst Wunsch die Hand.

Wunsch, 49, ist studierter Theologe und gelernter Krankenpfleger. Für die Arbeit in der Wohnungslosenhilfe entschied er sich nach einem Traum. Der ging so: Wunsch schlief nachts im Freien auf einer Luftmatratze und hatte Angst, weil er so ungeschützt da lag. Dann hörte er ein Schnarchen: Ein bärtiger Wohnungsloser schlief neben ihm.

Er war also nicht allein und brauchte jetzt keine Angst mehr zu haben. Ein Freund aus der Krankenpflegeschule kam hinzu und fragte den Wohnungslosen vorwurfsvoll, was er denn hier wolle. Der stand auf und schlich mürrisch davon. Das war Wunsch peinlich, und er rief ihm hinterher: „Wir sehen uns!“

Von ersten Kontakten mit obdachlosen Menschen in der Bahnhofsmission und bei einem Frühstückstreff in Stuttgart führte Wunsch sein Weg zur Elisabeth-Straßenambulanz der Frankfurter Caritas. Wunsch („Freiwillig ist keiner wohnungslos“) geht vorurteilsfrei und offen auf die Menschen zu und erntet dafür Vertrauen. „Ja,“ sagt er, „ da steckt jahrelange Beziehungsarbeit dahinter.“

Auch im Franziskus-Treff, der zwischen Liebfrauenkirche und Kapuzinerkloster liegt, kennt man den freundlichen Helfer mit der Nickelbrille im schmalen Gesicht und dem leicht schwäbischen Akzent. In einem schmalen langen Raum frühstücken viele Männer und einige Frauen; auf der linken Seite sitzen sie in Reihen zu dritt dicht aneinander gedrängt, rechts sind die begehrten Einzelplätze, wo sich jeweils zwei gegenüber sitzen. Die Bedürftigen werden von ehrenamtlichen Helfern bedient.

„Die Zigarren sind das Einzige, was ich noch habe.“


Auf einer Bank vor dem Franziskus-Treff sitzt ein alter Mann und raucht Zigarre; er hat silberblondes, strähniges, schulterlanges Haar und Vollbart und trägt einen beigen Pullover, Strickjacke in Herbstfarben und eine cremefarbene Hose mit vielen Farbflecken. Der Mann hat Bluthochdruck: 180 zu 100. Wunsch sagt, dass es gut für ihn wäre, wenn er in die Ambulanz käme, um sich ärztlich untersuchen und Medikamente geben zu lassen.

Ein anderer Wohnsitzloser in grauer Kleidung und mit kurzen Haaren hat das Gespräch verfolgt und sagt: „Soll er doch auf die Hälfte der Zigarren verzichten und stattdessen Knoblauch essen“. Er selber verspeise pro Tag fünf Zehen, „wie man sicherlich riechen kann“. Der Alte mit dem stark geröteten Gesicht entgegnet: „Die Zigarren sind das Einzige, was ich noch habe.“ Er verspricht Wunsch, am nächsten Tag die Ambulanz in der Klingerstraße aufzusuchen, wird dann aber doch nicht kommen. ..."


Hier, an dieser Quelle folgen noch zwei Seiten: http://www.fr-online.de/rhein-main/gesundheits-reporter-sanitaeter-der-obdachlosen,1472796,11379284,item,1.html

Dankbare Grüße!
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.