"Macht das alles noch Sinn ?"

[IKARUS]

Ein aktueller Artikel in der Fachzeitschrift "Die Schwester Der Pfleger, 2011,11 Seite 1114 ff" setzt sich mit diesem Thema auseinander.
"Die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich fast jeder Mensch irgendwann - auch professionell Pflegende und die ihnen anvertrauten alten Menschen. Denn der Mensch lebt mit einem ´Willen zum Sinn´. Die Medizin- und Pflegeethik sollte sich deshalb die Frage stellen, wo das eigenen Handeln ´sinnvoll´ist und wo der hochaltrige Mensch auch noch einen Sinn in seinem Leben finden kann." Weiter gibt es in diesem Artikel eine Spruch von Freidrich Nietsche (1844-1900) "Wer ein WARUM zu leben hat, erträgt beinahe jedes WIE."
Nach dem Lesen des Artikels habe ich besonders an meine aktive Zeit im Intensivpflegebereich denken müssen. Oft bekamen wir auf die Station für Brandverletzte mit einer infausten Prognose. Da stellte sich dann der Sinn nach dem Beginnen bzw. Weitermachen, denn die Betroffenen waren ja vorbehandelt. Mitunter half der Gedanke, dass man Ergebnisse bekommt, von den spätere Patienten profitieren werden. Es ist ein schwacher Trost, aber es ist einer! Ich erinnere auch einen Patientenverlauf, der mit so einer bekannten infausten Prognose auf die Station kam. Er hat überlebt und später ein für sich selber definiertes gutes Leben weiterführen können. Mit viel Erfahrung kann man einen Sinn sehen, der "jungen" Mitarbeiteren verborgen bleibt. Es gibt aber auch Krankheitsverläufe wo ein "alter Hase" trotz oder wegen seiner Erfahung daneben liegen kann. Deshalb sind für mit Ethischekonflikte und -entscheidungen immer eine Angelegenheit der therapeutischen Teams.
Kollegiale Grüße, IKARUS

[dino]

Sinn finden ist immer individuell. Das Schlimmste wäre ein Schubladendenken unsererseits. Auf einer Brandverletzten Station sind die Ressourcen limitiert, ich weiß. Aber wenn eine Vorbehandlung stattfand dachte man sich (hoffentlich) etwas dabei den Pat. in ein Verbrennunszentrum zu verlegen. Ohne Not (MANV) würde ich die Behandlung weiterführen, und sei es nur um Schmerzen zu lindern. Ansonsten ist vor Ort die Entscheidung zu Treffen den Pat. in das zuständige Krankenhaus zu fahren. Bei einem Polytrauma sieht die Sache schon wieder anders aus, hier gilt: Wer nicht spielt hat schon verloren. Und bei internistischen/neurologischen Notfällen ist oft mehr die soziale Kompetenz als die rein fachliche Kompetenz gefragt. Ich persönlich würde es nicht Sinn finden nennen, sondern das wir an Grenzen stoßen auf die wir keinen Einfluss haben. Manchmal können wir Grenzen einreißen, manchmal nur versetzen, und manchmal müssen wir stoppen. Wir werden täglich neu gefordert, und das macht doch unseren Job auch interessant.
Viele Grüße aus dem herbstlichen Taunus    dino

[Beate]

Die Frage nach dem "warum"? stelle ich mir auch oft, ganz persönlich betreffend. Wenn man sich jeden Tag mit Schmerzen und körperlichen Einschränkungen plagen muß. Wie soll es weitergehen?
Und dann erfährt man von anderen: mensch, besser wie du das trotzdem händelst, könnte ich das nie tun, ich bewundere das. Und dann bedanke ich mich und sage: du hast ja recht.
Es hat alles seinen Sinn und seine Bedeutung, was wir daraus machen, das "wie" ist entscheident.
LG Beate

[Brady]

Das ist eine anspruchsvolle Frage, wo mir manchmal der Mut verlässt wenn ich anfange darüber nachzudenken. Aber dann fallen mir Kleinigkeiten auf; worüber ich mich noch freuen kann. Ein Lob von "aussen" hat mir früher mehr gut getan als heute; ich wäge mehr ab; zweifel mehr. Vielleicht versuche ich auch eine Waage herzustellen um nicht von  Dingen abhängig zu sein, die von "aussen" kommen meinen Sinn zu finden, bzw. meine Befriedigung zu holen.

Sicher ist gute Arbeit ein Motor und es macht Sinn, aber es kann nicht alles sein. Ich will meinen Wert; meinen Sinn nicht nur nach von anderen bestimmen lassen; die mich loben, sondern es muss sich für mich gut anfühlen und nicht nur auf der Arbeit sondern auch in meinem Alltag. Das ist aber mein Anspruch, da mir die ersten Jahre in der Pflege gerade dieses Lob oder die Anerkennung meiner Arbeit gut tat. Heutzutage bin ich weniger von Lob abhängig; da es auch mehr meine Haltung ist, die ich vertrete.
Ich weiss nicht, wie Menschen sich mit einer infausten Prognose fühlen; das zu beurteilen obliegt mir nicht. Ich kann nur dabei sein und aushalten und ihm Respekt zollen egal wie er damit umgeht.

Liebe Grüße Brady

[IKARUS]

Brady, Menschen mit infauster Prognosen gehen unterschiedlich mit ihrer Situation um. Genau so wie es Menschen in anderen Lebenslagen tun. Es gilt hier auch die Individualität des Einzelnen. Die Frage nach dem Sinn war von mir aber so nicht gedacht und auch nicht die Gedanken nach den positiven anerkennenden Rückmeldungen bezogen auf meine Arbeit. Manchmal bekommen ich ein Lob und weis, dass ich deswegen nur funktionieren soll. Es geht da nicht ums Loben, sondenrn es geht ums funktionieren. Für mich ging es bei diesem Thema darum, wie kann ich einen Sinn sehen, in dem was ich tue. Was tue ich , wenn ich den Sinn verliere und was entwickelt sich dann? Meinen Sinn an der Sache/an den Menschen ist doch etwas was sich bei mir einstellt oder verliert. Ich denke, wenn ich ohne Sinn arbeite oder lebe, dann funktioniere ich nur noch oder arbeite ohne die entsprechende Portion Mitgefühl.
Nur für mich kann ich hier schreiben: "seit dem ich Tanzen gehe, habe ich wieder einen Sinn in meinem Leben und auch einen Sinn für meinen Beruf gefunden." Es ist sicherlich so, dass andere ein anderes Hobby haben, aus dem sie einen Lebenssinn ´ziehen können´.
Ich habe heute gelesen: "Ganz aufgehen in der Familie heißt ganz untergehen." von: Maria Ebner - Eschenbach [1830-1916] In: Würde Platon Prada tragen? Rebekka Reinhard. Ludwig Verlag München 2011, Seite 23
Für mich sage ich heute, dass die Fokussierung auf einen Punkt/eine Sache zum Scheitern verurteilt ist. Das wäre doch eine Botschaft an den jungen Pflegenachwuchs. Wenn dieser nicht eh weiter ist, als ich es damals (1973) war.
Gruß, IKARUS

[dino]

Hi Ikarus, ist Dir folgendes Gleichnis bekannt.
Also, es sollte eine neue Kathedrale gebaut werden. Der Kardinal besuchte also die Baustelle um sich über die Arbeiten zu informieren. Er befragte auch 3 Maurer was sie denn täten.
Der Erste antwortete: Ich baue an einer Kathedrale.
Der Zweite sagt: Ich baue an der schönsten Kathedrale mit die es je gab.
Der Dritte sagte schlicht: Ich bin hier weil es meine Arbeit ist.
Wer von den Dreien ist nun am wichtigsten?

Zum Thema Hobby, ich hab schon mal vor längerer Zeit die These aufgestellt das ein Hobby sein Muss, http://www.pflegesoft.de/forum/index.php/topic,1849.msg6276.html#msg6276
Viele Grüße aus dem Taunus    dino

[IKARUS]

Hi Dino, das Gleichnis kannte ich nicht. Und dein _Hinweis auf deinen Tipp vor Wochen ist mir wohl bekannt und ich habe ihn nicht vergessen. Es ging nicht darum, dass ich eine Sinnkrise habe. Es ging mir darum, dass das Erkennen des Sinns eine zentral wichtige Angelegenheit ist. Es erneut hier ins Forum zu stellen, war ein spontaner Gedanken nach dem Lesen des Artikels in der aktuellen Ausgabe der Verbandszeitschrift.
Hab Dank für die erneut Anregung!
Gruß, IKARUS

[dino]

Hi Ikarus, der Link mit dem Hobby war nicht auf Dich gezielt, er war für Alle, denn gerade Berufseinsteiger vergessen oft das es noch ein Leben neben der Arbeit gibt, auch wenn sie noch so spannend ist. Wir haben unsere Hobbys und haben gelernt mit Stress umzugehen, aber leider kann dies nicht jeder.
Das Gleichnis hörte ich während eines Coachings, es zündete und blieb hängen.
Ich geb zu, das ich keine Verbandszeitschriften lese. Ich sag mir, das ich nicht auf jeder Hochzeit tanzen kann. Und gibts was interessantes, stehts eh im Forum 
Und jetzt wartet ne Packung Colorado auf mich zum killen, während ich bastle.
Viele Grüße    dino

[Beate]

Guten Abend,
ich habe gerade die Lieder für morgen erhalten, die ich an der Orgel spiele und parallel eure Beiträge gelesen und festgestellt, dass ich zum Berufsbeginn keinerlei Hobbys verfolgte, wie schade.
Erst nach dem Burn out- Crash hat sich das nach und nach entwickelt und jetzt nach dem Unfall und den anderen Leiden scheint der Fokus noch mehr auf Hobby gerichtet zu sein. Ein Glück.
Das "kreative" ist ja auch ein schöner Gegenpart zu der Arbeit ( auch wenn ich zur Zeit nur Aushilfe sein kann ) die man tut. Und man sieht ein Ergebnis: eine schöne neue Kette o ä. Und das mit dem Orgel spielen und singen ist auch ne schöne Sache, oder das Tanzen wie bei Ikarus, das basteln beim Dino usw. Schön, weiter so.
LG Beate