Autor Thema: Alzheimer: Urlaub von der Verantwortung  (Gelesen 4310 mal)

Offline Thomas Beßen

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Alzheimer: Urlaub von der Verantwortung
« am: 27. Mai 2011, 06:22:30 »
"Weil Beate Linde ihren Mann liebt, pflegt sie ihn. Weil sie ihn pflegt, muss sie sich regelmäßig von ihm erholen. Dafür reist sie in ein besonderes Hotel.
Beate Linde hat im Garten ein Stück Rasen eingezäunt – damit ihr Mann nicht wegläuft. Ihr Haus steht am Hang, beidseits geht es recht steil bergab, er könnte stürzen. »Wir bekommen kein Pferd, das ist für meinen Mann«, beruhigt Linde, als ein Nachbar den Zaun beäugt. »Das ist unsere artgerechte Freilandhaltung.« 

Mit dem Zaun kann sie sich ein bisschen entspannen. Aus demselben Grund kaufte sie für ihren Mann auch einen Fernsehsessel. Dann liegen seine Beine hoch, und er läuft nicht – sonst pilgert er pausenlos durchs Haus und hört selbst dann nicht auf, wenn er müde ist. Er dekoriert oft um, legt ein Kissen und ein Taschentuch aufs Sofa, räumt das Bücherregal aus. Manchmal fällt dabei etwas runter. »Ist er hingefallen?«, ruft sie dann und läuft zu ihm.

Weil Beate Linde, 53, ihren Mann liebt, pflegt sie ihn. Weil sie ihn pflegt, muss sie sich regelmäßig von ihm erholen. Es hat gedauert, bis sie das begriffen hat und die Zeit ohne ihn genießen konnte. Im Sauerland gelingt ihr das. Dort, in einem Hotel in Winterberg, hat sie im vergangenen Jahr mit ihrem Mann fünfmal Urlaub gemacht. Hier hat sie kaum Angst, dass er wegläuft. Das Gelände ist ebenfalls eingezäunt. Es wäre auch nicht schlimm, hielte seine Windel nachts mal nicht dicht, denn alle Matratzen sind mit einem speziellen Bezug geschützt. ..."


Quelle & mehr: http://www.zeit.de/2011/20/Alzheimer-Angehoerige-Pflege

Einen schönen Morgen!
Thomas B.
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline IKARUS

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Re: Alzheimer: Urlaub von der Verantwortung
« Antwort #1 am: 27. Mai 2011, 13:10:53 »
Das ist ein wunderbarer Artikel, der auch uns Plfegekräfte berühren sollte.
Geht es doch um das Verständnis bezogen auf die Reaktionen pflegender Angehöriger. Sie sind mitunter höher belastet als wir Pflegekräfte, weil sie sich noch emotional verbunden fühlen. Das macht die erforderliche räumliche Abgrenzung ja so schwierig. "Was macht mein ... nur ohne mich? Wie wird es ihm/ihr ergehen, wenn ich mich mal erholen muss? ..." Wir können nach Schichtende nach Hause, der Angehörige kaum.
Für mich wäre es eine gesellschaftliche Aufgabe. Ich denke aber auch, dass die Gesellschaft sich dafür kaum interessiert. Es sei denn, die Menschen wären familiär betroffen. Dann sind die Anforderung hoch.
Was ist gesellschaftliche Aufgabe, was ist individuelle/persönliche Aufgabe??
Sicherlich ein spannende Aufgabe, die ich aber auch nicht beantworten kann.
Es ging letzte Tage die Frage nach den Angehörigen depressiv erkrankter Menschen.
Wer kümmert sich um diese Menschen?
Auf meine Frage hin an die Vorsitzende eines Bündnisses gegen Depressionen [www.buendnis-depressionen.de] bekam ich die Antwort:" Da können wir uns nicht auch noch kümmern!" Es ist immer so eine Sache mit der Mitverantwortung.
Fröhliche Grüße,IKARUS

Offline dino

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Re: Alzheimer: Urlaub von der Verantwortung
« Antwort #2 am: 27. Mai 2011, 18:30:31 »
Das mit der Mitverantwortung ist so eine Sache. Klar, könnte man auch übernehmen. Aber wenn man Verantwortung übernimmt muss man auch Nein sagen können. Man muss sich abgrenzen können, um der übernommenen Verantwortung gerecht zu werden. Man darf die eigenen Ressourcen nicht überdehnen sondern man muss rechtzeitig seine Grenzen erkennen und sagen: Dies ist meine Deadline, mehr geht nicht. Andernfalls scheitert man.
Viel Wind und Wolken aber noch kein Regen
dino