Autor Thema: Suizidalität  (Gelesen 8677 mal)

Mathi

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Suizidalität
« am: 15. April 2011, 19:30:59 »
Allgemeines

Die WHO-Schätzungen beziffern ca. 500000 Suizidversuche p.a. bei ca. 12.000 Suiziden p.a. in Deutschland (zum Vergleich: Verkehrstote: 3657/2010 p.a.!). Das Verhältnis Suizid zu Suizidversuch liegt bei 1:15.

Suizidalität ist ein weites Erlebens- und Verhaltenssprektrum, an dessen einem Ende die vollzogene Suizidhandlung steht. Das Spektrume erstreckt sich in etwa wie folgt:
Wunsch nach Ruhe-Wunsch nach Pause im Weiterleben-Tod wäre egal-Wunsch, tot zu sein-unkonkrete Suizidgedanken-konkrete Suizidpläne-Vorbereitungen-abgebrochener Suizidversuch-Suizidversuch-vollendeter Suizid.

Diese Einteilung ist für diagnostische Zwecke nützlich. Der einzelne Patient durchläuft keineswegs stets alle Stadien auf dem Weg zur Suizidhandlung; raptusartig umgesetzte Suizidimpulse sind durchaus häufig!

Stadien suizidaler Entwicklung

(nach Pöldinger [1968])

- Erwägung (Selbstmord als Problemlösung)
- Ambivalenz (Hilferuf, direkte Suizidankündigung) (Patient unruhig, gequält; hier therapeutischer Zugang besser möglich)
- Entschluss (evtl. plötzliche Ruhe nach dem gefassten Entschluss, die von der Umgebung als psychische Besserung und Rückgang der Suizidgefahr missverstanden werden kann!)

Risikofaktoren

Für Suizid sind dies vor allem psychiatrische Erkrankungen (Depression/bipolar affektive Erkrankung, Schizophrenie, Suchterkrankungen [Alkohol, Heroin], Persönlichkeitsstörung [narzisstisch, antisozial, Borderline]) Alter (höchste Suizidalitätsrate bei über 80-Jährigen!) sowie männliches Ge-schlecht.
Ferner soziale Isolation, chronische körperliche Erkrankungen (Schmerzen!), Arbeitslosigkeit, mehrfache aktuelle Belastungen oder Kränkungen in der jüngeren Vergangenheit. Der individuell wichtigste Risikofaktor sind Suizidversuche in der Anamnese.

Bei den vollendeten Suiziden besteht ein Verhältnis Männer zu Frauen von 2:1, bei den Suizidversuchen ist das Verhältnis 1:2-3.

Der Suizid als extremste Form der Autoaggression kann in manchen Fällen als Bestrafungsversuch gedeutet werden. Der Suizidversuch kann appellativen Charakter an die Umwelt haben. Vor allem Suizide mit Waffen oder anderen brutalen Hilfstmitteln kommen bei Männer häufiger vor, Suizidversuche  (zumeist mit Tabletten) unternehmen eher junge Frauen. Hinweise für die die Umgebung sind Selbstmordphantasien, versteckte Äußerungen und sozialer Rückzug.

Therapie

Suizidalität stets ansprechen. Patient fühlt sich hierdurch fast immer entlastet. Ein Großteil der Suizide wird vorher direkt oder indirekt angekündigt! Abklärung von Risikofaktoren (s.o.) Psychotherapeutische Krisenintervention (sofortiger Beginn; Chronifizierung vermeiden) mit engmaschigen Kontakten. Klare, eindeutige Absprachen (wann, wo nächster Kontakt?), konkretes 24-Stunden-Hilfsangebot (Telefonnummer von psychiatrischem Krisendienst, Rettungsstelle o.Ä.). Aufschub und Anti-Suizidpakt vereinbaren. Stationäre Einweisung, ggf. auch gerichtliche Unterbringung zum Selbstschutz. Konsequente, auch gerichtliche Unterbringung zum Selbstschutz. Konsequente, auch pharmakologische Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung. Bei akuter Suizidalität Benzodiazepine! Lithium hat eigenständige antisuizidale Wirkung (im Sinne einer anti-[auto-]-agressiven Wirkung).








  
« Letzte Änderung: 19. April 2011, 19:05:48 von Mathi »

Offline JoTho

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Re: Suizidalität
« Antwort #1 am: 19. April 2011, 17:11:08 »
... da hat aber jemands mords im Ethikunterricht aufgepasst, klasse! Nur das Jahr von Herr Pöldinger stimmt nicht so ganz ;)
Und was sagt Herr Ringel dazu, Mathi???
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun,
sondern auch für das, was wir nicht tun“.

Mathi

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Re: Suizidalität
« Antwort #2 am: 19. April 2011, 17:57:32 »
Präsuizidales Syndrom

Das Syndrom umfasst die drei Merkmale Einengung, Aggressionsumkehr und Suizidphantasien die nach Ringel regelmäßig einer Suizidhanlung vorausgehen.

Beginnend in den 1950er Jahren hatte Ringel an Personen, die Suizidversuch überlebt hatten, die Phase untersucht, den Suizidversuch verausging. Bei der Mehrzahl der über 700 untersuchten Patienten fand er diese drei Merkmale:

Einengung: Die Wahlmöglichkeiten im Leben werden immer weiter eingeengt, bis letztlich nur der Suizid als Möglichkeit bleibt. Diese Einengung kann allein im Denken und Verhalten des Betroffenen begründet sein (Depression, Kontaktstörung), aber auch in der Realität (Isolation, Vereinsamung, Arbeitslosigkeit, Verluste, Krankheit)
Aggressionsumkehr: Eine verstärkte und gleichzeitig gehemmte Aggression, die sich früher oder später gegen den Betroffenen selbst richtet.
Suizidphantasien: Das Gefühl, der Realität nicht gewachsen zu sein, führt zu einer Flucht in die Irrealität. Der Betroffene baut sich eine Scheinwelt auf, in der Gedanken an den Tod und schließlich an Suizid eine immer größere Rolle spielen.

Das präsuizidale Syndrom hat eine Bedeutung in der Abschätzung der Suizidalität. Das Auftreten der genannten Merkmale ist immer ein ernstzunehmendes Warnzeichen.

P.S.Das sagt der Hr. Ringel :-D

Schöne Grüße

zitiert aus Wikipedia  
« Letzte Änderung: 23. April 2011, 18:43:23 von Mathi »

Mathi

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Re: Suizidalität
« Antwort #3 am: 19. April 2011, 18:07:21 »

Offline dino

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Re: Suizidalität
« Antwort #4 am: 19. April 2011, 18:50:07 »
Hi Mathi, die Zahlen für VU-Tote sind deutlich (ca3000) zu hoch angesetzt. 2010 hatten wir um die 4000 VU Tote.
VG dino

Offline JoTho

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Re: Suizidalität
« Antwort #5 am: 23. April 2011, 14:04:30 »
Mathi

Du musst aufpassen, sonst bist du ruckzuck in der Presse, mit V.a. einer Plakiatsaffäre :)
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun,
sondern auch für das, was wir nicht tun“.

Mathi

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Re: Suizidalität
« Antwort #6 am: 03. Mai 2011, 01:54:07 »
Suizidalität im Alter

Das Risiko, an einem Suizid zu sterben, ist bei älteren Menschen besonders hoch. Eine natürliche Reduktion des Bekanntenkreises, die Abnahme von sozialen Kontakten, verbunden mit körperlichen Einschränkungen, z.B. verminderte Mobilität, eingeschränktes Seh- und Hörvermögen sowie Einbußen der kognitiveb Leistungsfähigkeit, erhöhen das Suizidrisiko außerdem. In diesem Zusammenhang steht, dass Depressionen bei alten Menschen zu selten erkannt und behandelt werden