Allgemeines
Die WHO-Schätzungen beziffern ca. 500000 Suizidversuche p.a. bei ca. 12.000 Suiziden p.a. in Deutschland (zum Vergleich: Verkehrstote: 3657/2010 p.a.!). Das Verhältnis Suizid zu Suizidversuch liegt bei 1:15.
Suizidalität ist ein weites Erlebens- und Verhaltenssprektrum, an dessen einem Ende die vollzogene Suizidhandlung steht. Das Spektrume erstreckt sich in etwa wie folgt:
Wunsch nach Ruhe-Wunsch nach Pause im Weiterleben-Tod wäre egal-Wunsch, tot zu sein-unkonkrete Suizidgedanken-konkrete Suizidpläne-Vorbereitungen-abgebrochener Suizidversuch-Suizidversuch-vollendeter Suizid.
Diese Einteilung ist für diagnostische Zwecke nützlich. Der einzelne Patient durchläuft keineswegs stets alle Stadien auf dem Weg zur Suizidhandlung; raptusartig umgesetzte Suizidimpulse sind durchaus häufig!
Stadien suizidaler Entwicklung
(nach Pöldinger [1968])
- Erwägung (Selbstmord als Problemlösung)
- Ambivalenz (Hilferuf, direkte Suizidankündigung) (Patient unruhig, gequält; hier therapeutischer Zugang besser möglich)
- Entschluss (evtl. plötzliche Ruhe nach dem gefassten Entschluss, die von der Umgebung als psychische Besserung und Rückgang der Suizidgefahr missverstanden werden kann!)
Risikofaktoren
Für Suizid sind dies vor allem psychiatrische Erkrankungen (Depression/bipolar affektive Erkrankung, Schizophrenie, Suchterkrankungen [Alkohol, Heroin], Persönlichkeitsstörung [narzisstisch, antisozial, Borderline]) Alter (höchste Suizidalitätsrate bei über 80-Jährigen!) sowie männliches Ge-schlecht.
Ferner soziale Isolation, chronische körperliche Erkrankungen (Schmerzen!), Arbeitslosigkeit, mehrfache aktuelle Belastungen oder Kränkungen in der jüngeren Vergangenheit. Der individuell wichtigste Risikofaktor sind Suizidversuche in der Anamnese.
Bei den vollendeten Suiziden besteht ein Verhältnis Männer zu Frauen von 2:1, bei den Suizidversuchen ist das Verhältnis 1:2-3.
Der Suizid als extremste Form der Autoaggression kann in manchen Fällen als Bestrafungsversuch gedeutet werden. Der Suizidversuch kann appellativen Charakter an die Umwelt haben. Vor allem Suizide mit Waffen oder anderen brutalen Hilfstmitteln kommen bei Männer häufiger vor, Suizidversuche (zumeist mit Tabletten) unternehmen eher junge Frauen. Hinweise für die die Umgebung sind Selbstmordphantasien, versteckte Äußerungen und sozialer Rückzug.
Therapie
Suizidalität stets ansprechen. Patient fühlt sich hierdurch fast immer entlastet. Ein Großteil der Suizide wird vorher direkt oder indirekt angekündigt! Abklärung von Risikofaktoren (s.o.) Psychotherapeutische Krisenintervention (sofortiger Beginn; Chronifizierung vermeiden) mit engmaschigen Kontakten. Klare, eindeutige Absprachen (wann, wo nächster Kontakt?), konkretes 24-Stunden-Hilfsangebot (Telefonnummer von psychiatrischem Krisendienst, Rettungsstelle o.Ä.). Aufschub und Anti-Suizidpakt vereinbaren. Stationäre Einweisung, ggf. auch gerichtliche Unterbringung zum Selbstschutz. Konsequente, auch gerichtliche Unterbringung zum Selbstschutz. Konsequente, auch pharmakologische Behandlung der psychiatrischen Grunderkrankung. Bei akuter Suizidalität Benzodiazepine! Lithium hat eigenständige antisuizidale Wirkung (im Sinne einer anti-[auto-]-agressiven Wirkung).