Autor Thema: Gewalt in der Pflege  (Gelesen 14776 mal)

Offline Thomas Beßen

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Gewalt in der Pflege
« am: 24. August 2007, 14:09:27 »
Hallo UserInnen,
im Themenbreich 10 geht es unter anderem auch um das Thema Gewalt in der Pflege. Wenn man z.B. aufmerksam die Presse verfolgt, so liest man leider immer mal wieder von Gewalt in der Pflege. Auch hört man Stimmen, die meinen, dass diese veröffentlichten Fälle nur die Spitze des Eisberges beschreiben. In verschieden Foren habe ich von konkreten Erlebnissen bzw. Vorfällen gelesen. Es stellt sich für mich die Frage, welche Ursachen ein solches Fehlverhalten hat und wie man evtl. Vorboten, Anzeichen einer solchen Gewalt in der Pflege erkennen bzw. wie man auch einer solchen Gewalt vorbeugen kann. Wie ist Ihre Meinung dazu? Haben Sie von Fällen von Gewalt in der Pflege schon gehört bzw. selbst erlebt? Ich meine ausdrücklich nicht die Gewaltanwendung im Rahmen einer Fixierung in der Psychiatrie...
Herzlichst grüßt
Thomas Beßen
   
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Offline Anita Bingart

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Re: Gewalt in der Pflege
« Antwort #1 am: 26. August 2007, 14:44:29 »
Gewalt in der Pflege, leider ein immer wiederkehrendes altes und aktuelles Thema! Selbst in Weiterbildungen wird dieses Thema gerne ausgewählt, da es sehr viel darüber zu berichten gibt. Zuerst aber stellt sich die Frage: Wo beginnt Gewalt in der Pflege ? 
Nachdenkliche Grüße
Anita Binagrt
« Letzte Änderung: 26. August 2007, 14:50:46 von Anita Bingart »

Ragnhild

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Re: Gewalt in der Pflege
« Antwort #2 am: 03. Oktober 2007, 00:55:05 »
Ich denke, Gewalt beginnt oft bei einfachen Dingen, bleibt aber immer Ansichtssache.
Wir haben gerade so einen Fall bei uns. Ein Patient, der eine bekannte Depression hat... und wegen massiver Pleuraergüsse auf der Intensivstation liegt. Kreislaufinstabil und Katecholaminpflichtig.
Ein- wie man sich gern ausdrückt- "internistisches Polytrauma". Diabetes, Nieren- und Herzinsuffizienz, AVK... um nur einiges zu nennen.
Er lehnt jegliche ausschweifende Therapie ab... desgleichen Essen und Trinken. Auch Magensonde und ZVK.
Für ihn ist es ganz klar Gewalt, wenn er mehr als zwei kleine Braunülen hat... sogar das Anbieten von Grundpflege lehnt er entschieden ab.
Er hat Schmerzen- wurde am 1.10. Thorakoskopiert und hat mehrere Bülaudrainagen.
Bleibt jetzt die Frage... ist er in einem depressiven Schub und momentan nicht geschäftsfähig- auch aufgrund der Opiate die er bekommt?
Dann müssen wir uns über seinen Willen hinwegsetzen und ihn "zwingen". Dazu bräuchte er dann eine Fixierungsanordnung und einen vorübergehenden Betreuer im Eilverfahren- denn überreden lässt er sich leider nicht.
Gewalt? Aus seiner Sicht ganz entschieden. Aus unserer? Da sind wir Kollegen uns untereinander nicht eins. Die einen stehen auf seiner Position, die anderen eher auf der "er hat seitdem er im Krankenhaus ist seine Antidepressiva nicht bekommen, ist doch logisch dass er total depressiv ist und deswegen nicht mehr leben will".

Ich hab dazu auch einen interessanten Artikel gefunden:
Quelle:http://www.gewalt-online.de/gewalt.php

Der Gewaltbegriff

Der Begriff Gewalt stammt von „walten“ und hat somit die ursprünglich neutrale Bedeutung „etwas bewirken zu können“. Im heutigen Sprachgebrauch hingegen hat das Wort eine meist negative Bedeutung. Im Lateinischen wird die negative Form von Gewalt („violentia“) noch von der positiven Gewalt („potestas“) unterschieden, was sich im heutigen Englisch in „violence“ und „power“ wieder findet. Der Brockhaus Multimedial 2003 definiert Gewalt wie folgt:
„Gewalt, die Anwendung von physischem oder psychischem Zwang gegenüber Menschen. Gewalt umfasst 1) die rohe, gegen Sitte und Recht verstoßende Einwirkung auf Personen (lateinisch violentia), 2) das Durchsetzungsvermögen in Macht- und Herrschaftsbeziehungen (lateinisch potestas) […]“

Eine weitere Definition aus dem dtv-Wörterbuch Pädagogik lautet:
„[…] In den Verhaltenswissenschaften wird Gewalt zumeist in Anlehnung an den Aggressionsbegriff definiert, wobei als Besonderheit von Gewalt die Anwendung von Zwang angesehen wird, durch den anderen Menschen vorsätzlich Schaden zugefügt oder Sachen zerstört werden sollen. Gewalt wird darüber hinaus im gesellschaftlichen und politischen Bereich als legitimes Zwangsmittel zur Sicherung von Recht und Ordnung (lat. potestas = Amtsgewalt), aber auch als unrechtmäßiges Mittel zur Durchsetzung von Herrschaft gegen den Willen der Opfer (lat. violentia = Gewalttätigkeit, Unterwerfung, Terror) verstanden. Auf die Vielgestaltigkeit der Gewalt verweisen Attribute wie direkte oder indirekte, offene oder versteckte, personale, institutionelle oder strukturelle Gewalt […]“

Es hat sich kein allgemeines „Gewaltverständnis“ zwischen allen gesellschaftlichen Gruppen und wissenschaftlichen Fachrichtungen entwickelt. Selbst für die Pädagogik gibt es eine solche einheitliche Begriffsdefinition nicht.
Im wissenschaftlichen Sprachgebrauch hat sich als Gewaltbegriff die Bedeutung der „strukturellen Gewalt“ nach Galtung durchgesetzt, die wie folgt definiert ist:
„Gewalt liegt dann vor, wenn Menschen so beeinflußt werden, daß ihre aktuelle somatische und geistige Verwirklichung geringer ist als ihre potenzielle Verwirklichung.“

Gewalt in diesem Verständnis geht also nicht zwingend von einem personalen Subjekt mit einem werkzeughaften Mittel der Gewalt, sondern von einem dauernden Zustand indirekter Gewalt, z.B. in Form von gesellschaftlicher oder institutioneller Ordnungsgewalt aus.
Auch wenn dieser Ansatz des Gewaltverständnisses so weit geht, dass man dadurch fast jeden Zustand als Gewalt interpretieren könnte, ist diese Sichtweise doch von wesentlicher Bedeutung. Es wird dadurch deutlich, dass die Institutionen der Kindertagesheime und der Schule einen Einfluss durch die von ihnen ausgeübte Gewalt haben. Sie setzen die Kinder und Jugendlichen unter verschiedene Zwänge wie z.B. Anwesenheitspflicht und Verhaltensregeln, die als strukturelle Gewalt zu verstehen sind. Weiterhin zeigt die Definition von Galtung auch auf, dass nicht nur Handlungen, sondern auch bestimmte Handlungsunterlassungen als Gewalt zu bezeichnen sind.


Und ein Punkt den man nach meinem Begriff auch nicht vergessen sollte- Gewalt in der Pflege unter dem Aspekt "Gewalt gegenüber Pflegenden"- egal ob gegenüber examiniertem Pflegepersonal oder pflegenden Angehörigen. Manches Mal ist die Frage was zuerst da war- Henne oder Ei. Wenn ein Pflegebedürftiger seine betreuenden Personen schlägt, wage ich zu behaupten, dass das früher oder später auf die ein oder andere Art und Weise auf ihn zurückfallen wird. Ich habe dazu in einem anderen Pflegeforum eine sehr weitläufige Diskussion verfolgt... Da gab es einige interessante Beiträge... und ich fand es erschreckend, wie alltäglich Gewalt ist- von Pflegenden aber gerade auch gegenüber Pflegenden.

Gewalt in der Pflege habe ich erlebt bevor ich meine Ausbildung angefangen habe... in meinem sozialen Jahr. Da "überraschte" ich eine Krankenschwester dabei, wie sie eine Bewohnerin eines Altenheims schlug. Was dort der Auslöser war? Frust würde ich sagen. Überlastung. Burnout.

Mögliche Prävention? Schwer. Ein gutes Team das sich auffängt hilft sicherlich. Die Freiheit zu sagen: Heute will ich nicht zu diesem Patienten, ich brauche eine Pause, ich kann das Gesicht nicht mehr sehen. Wir haben öfter mit Aggressionen zu kämpfen aufgrund manches "Patientengutes" und massivem Personalmangel. Bei uns hat es sich so eingebürgert, dass wir offen darüber sprechen. Mitzubekommen, dass man nicht nur alleine von einem Patienten "zur Weissglut gebracht" wird (so das eigene Empfinden) und natürlich das obligatorische gemeinsame Lästern hilft schon enorm die Spannung abzubauen. Und ansonsten... genug Privatleben um den Mist da zu lassen wo er hingehört. Bei der Arbeit. Damit man nicht dauerfrustriert wird.

Eine Bekannte von mir hat erzählt, dass sie bei der Arbeit große Schaumstoffknüppel haben, und wenn Bedarf ist, hauen sie damit "um sich" (natürlich nicht die Patienten).
Devise: Raus mit den Aggressionen, aufstauen bringt nur das Gegenteil. Ausleben- in anderer Form. Kanalysieren oder "Umwandeln".

Und eigentlich... wollt ich gar nicht so viel schreibseln. Naja, typisch...  :-D :roll: :-D
« Letzte Änderung: 03. Oktober 2007, 01:08:23 von Ragnhild »

Offline Sandy86

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Re: Gewalt in der Pflege
« Antwort #3 am: 03. Oktober 2007, 15:52:06 »
Hier ein Datei zum Thema Gewalt, ist sehr gut für die mündliche Prüfung!
Gott sei dank, hab ich das jetz hinter mir! :-D

Offline Thomas Beßen

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Thema "Gewalt in der Pflege"...
« Antwort #4 am: 30. Oktober 2007, 14:48:27 »
Hallo UserInnen, vor allem der Kurse K 2005 RB & K 2005 HT bzw. folgende,
in unserem Forum unter http://kps.zsp-hochtaunus.de/forum/index.php/topic,321.0.html finden Sie schon sehr gute Ansätze zu diesem Thema, die auch als Orientierung für die anderen Themen nützlich sind. Bitte kennzeichen Sie auf jeden Fall Ihre Zitate bzw. geben Ihre Quellen deutlich an.
Wenn jemand Glück hat und findet z.B. unter Wikipedia eine vorzügliche Ausarbeitung, so möge er oder sie einem anderen Mitschüler oder Mitschülerin beispringen und ihm/ihr helfen, dessen/deren Thema mit auszuarbeiten...  8-)
Morgen, Mittwoch der 31.10.07 ist Abgabeschluss* für die ersten Entwürfe!
Bis denn, schönen Gruß!
Thomas Beßen

* bis auf Ausnahmen (z.B. K.M. aus dem K 05 HT)
 
« Letzte Änderung: 30. Oktober 2007, 15:35:45 von Thomas Beßen »
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Offline Thomas Beßen

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Gewalt in der Pflege II
« Antwort #5 am: 13. März 2008, 13:51:18 »
in Absprache für TN K'05 RB
Thomas Beßen
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Offline Thomas Beßen

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Gewalt in der Pflege III
« Antwort #6 am: 26. Februar 2009, 22:19:57 »
"Im Zürcher Pflegezentrum Entlisberg haben Pflegerinnen demente Frauen nackt gefilmt. Wie kann es nur so weit kommen?" das schreibt der Tagesanzeiger aus Zürich in seiner gestrigen Online-Ausgabe (http://www.tagesanzeiger.ch/zuerich/kanton/Das-geschah-wohl-nicht-boeswillig-sondern-wegen-berforderung/story/18623595).

"Im ersten Moment war ich auch einfach nur schockiert, als ich das las. Beim darüber Nachdenken bin ich aber zum Schluss gekommen, dass es sich dabei wahrscheinlich nicht um bösen Willen, sondern um eine fehlgeleitete Reaktion auf eine Überforderung handelt. Diese unerhörte Respektlosigkeit ist wohl eine groteske Art, wie die Pflegenden die Belastungen ihres Berufsalltags verarbeiteten." meint Geriater Roland Kunz, Chefarzt in der Langzeitpflege Sonnenberg (Bezirksspital Affoltern) dazu.

Ich denke, dass seine Erklärung wohl den Kern dieser üblen Sache trifft. Aber ist das Alles?
Guten Abend noch!
Thomas Beßen
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Offline JoTho

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Re: Gewalt in der Pflege III
« Antwort #7 am: 27. Februar 2009, 08:57:15 »

Gewalt ist nicht nur eine Einbahnstraße
Kein Zweifel, körperlich tätlich werden ist Gewalt. Aber gerade in der Pflege ist die Gewalt meist sehr viel subtiler und wird oft nicht als solche begriffen und wahrgenommen! ! Missachtung des Willens, soziale Isolierung, Verletzung des Schamgefühls, Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Mangel an Ernährung und Hygiene – all das ist Gewalt.
Ein pflegebedürftiger Mensch hat genau die gleichen Grundbedürfnisse wie ein gesunder Mensch. Doch er hat ein Problem: um diese Grundbedürfnisse zu erfüllen ist er auf andere angewiesen. Dass das nicht immer funktioniert ist in aller Regel eine Folge der Überforderung und die gibt es auf beiden Seiten. Nicht immer richtet sich Gewalt nur gegen den Pflegebedürftigen. Denn auch der muss mit einer neuen und sehr schwierigen Lebenssituation klar kommen, besonders dann, wenn er sich in einem Pflegeheim wiederfindet.
Der vertraute Lebensraum und das vertraute soziale Umfeld sind verloren gegangen und er reagiert. Wenn die alten Menschen verwirrt sind, desorientiert, nicht wissen, was mit ihnen geschieht, hilflos, wütend und verzweifelt sind, dann schlagen auch sie vielleicht zu. Angst, Unzufriedenheit und Verzweiflung, Zorn und Aggression sind gerade am Anfang einer solchen neuen Lebenssituation nicht selten. Die Aggressionen können sich gegen die Pflegekräfte, Angehörigen und auch gegen die Mitbewohner richten.

Jetzt was sehr wichtiges:
Das wohl Schwierigste ist, die Zeichen der Aggression frühzeitig am Pflegenden bei sich selbst zu erkennen und ihnen gegenzusteuern, ehe es zur Gewalt kommt. Der erste Schritt dabei ist, wahrzunehmen, dass man innerlich wütend, ärgerlich oder verzweifelt ist. Es kostet einiges an Selbsterkenntnis und Überwindung, denn dieses Thema ist mit vielen negativen Gefühlen besetzt, wie Schuld, Versagensangst, Scham.
Hat es eine Situation der Gewalt gegeben, darf man es sich auf keinen Fall zu leicht machen und die Geschichte mit "Überforderung" oder "einem schlechten Tag" entschuldigen. Es ist wichtig, zu klären, woher diese Aggression kommt und gezielt daran zu arbeiten. Als Pflegender muss man sich an dieser schwierigen Situation weiterentwickeln. Dazu gehört auch, sich in die andere Person hineinzuversetzen und die schwierige Situation anzunehmen.

Jedoch Hut ab für die Kollegen die in Altenheimen arbeiten, denn sie sind immer gefordert es allen recht zu machen, der Leitung, dem Team, des Hausarztes und ganz besondes den Angehörigen, die zu Besuch kommen, ihren Alltagsstress und Aggressionen im Altenheim gegenüber den Pflegenden ablassen. Gehaltskürzungen, Personalkürzungen usw.
Am Ende wird doch von den Pflegenden gedacht:
Warum reagiert der Pflegebedürftige aggressiv, warum will er sich nicht waschen lassen, warum jammert er ununterbrochen, obwohl ich doch alles für ihn tue? Erst wenn man den anderen, und dessen Situation verstehen kann, ist es möglich, gegen die eigene Aggression und am Ende gegen die Gewalt vorzugehen. Dennoch - es ist ein schwieriger Entwicklungsprozess in einer schwierigen Situation und er erfordert in einigen Fällen besonders professionelle Hilfe, wie z.B. Supervision!


Gruß
« Letzte Änderung: 28. Februar 2009, 16:54:33 von JoTho »
„Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun,
sondern auch für das, was wir nicht tun“.

Offline dino

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Re: Gewalt in der Pflege III
« Antwort #8 am: 27. Februar 2009, 20:24:13 »
Welchen Stellenschlüssel gibt es Dort? Welche Ausbildung hatte die Kollegin? Wie viele Überstunden hatte sie? Wie war ihre Motivation dort zu arbeiten, freiwillig, versetzt, sonst nichts gefunden? Fragen, keine Entschuldigung für ihr Handeln.
Schauen wir uns doch mal so eine Schicht in einem APH an, in der Regel sind dort Vollexaminierte doch eher die Ausnahme, oder? Mal ein paar Beispiele, die ich erlebt habe: Reanimation im APH, der Pat. habe beim Essen reichen einen Stillstand erlitten. Der Mund/Rachenraum war mit Brei verschmiert. Ach ja, die Leichenstarre war schon eingetreten, d. h. , es wurde ein Toter gefüttert. Eine Pat. ist ausgerutscht. Sie wurde dann auf einen Toilettenstuhl gesetzt. Als wir ankamen, wimmerte sie vor Schmerzen, sie hatte einen Oberschenkelhals mit den typischen Anzeichen dafür, die aber übersehen wurden. Eine andere Pat. hatte einen Darmprolaps. Man seifte das Teil ein und versuchte, es wieder zurück zu schieben, halt ohne Erfolg. Die exikierten Pat. kann ich nicht aufzählen, da es sehr viele waren. Eine gescheite Übergabe an uns war eher die Ausnahme. Dies waren alles Beispiele aus Heimen privater Träger. Der Hit war ein Einsatz im Winter. Ein kleines Heim, überhitzt und alle Fenster geschlossen. Es stank so nach Urin, dass uns übel wurde. Hier reichen sich Gewalt und Inkompetenz die Hand.
Ein schönes Wochenende

Offline JoTho

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Re: Gewalt in der Pflege III
« Antwort #9 am: 28. Februar 2009, 16:56:09 »
Hi Dino,

kann Dir in allen Punkten recht geben. Sicherlich gibt es auch gute und generelle Ausnahmen.

Leider die Realität!
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Offline dino

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Re: Gewalt in der Pflege III
« Antwort #10 am: 28. Februar 2009, 20:52:22 »
Eine erwähnenswerte positive Ausnahme sind das Aja texta goethe Haus in FFM und das Hospiz in Niederreifenberg, klasse Arbeit, immer freundlich und ansprechbereit, Hut ab.

Offline JoTho

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Re: Gewalt in der Pflege III
« Antwort #11 am: 29. März 2009, 11:11:18 »
...Auch da gebe ich Dir recht, dieses Haus hat einen sehr guten Ruf in Ffm. Aber noch veschiedene andere, die ich jetzt aber nicht aufzählen mag.

Gruß aus dem sonnigen Frankfurt.

„Wir sind nicht nur verantwortlich für das was wir tun,
sondern auch für das, was wir nicht tun“.

Offline Brady

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Re: Gewalt in der Pflege
« Antwort #12 am: 18. Februar 2011, 23:22:17 »
Wir üben in der Pflege immer Gewalt aus. Sei, es jemanden zu fixieren weil er sturzgefährdet  und es erforderlich ist, damit der Patient sich nicht verletzt. Es ist trotzdem Gewalt.
Sicher ist das Mass an Gewalt immer noch wichtig. Aber wo fängt es an? Ich hatte eine Patientin in der Psychiatrie; sie gab an, dass sie die Patienten etwas härter/heftiger wusch wenn sie unter Stress stand.
Es gibt Gewalt die wir beeinflussen könnnen und auch Gewalt, die wir ausüben müssen. Nur sollten wir das immer im Hinterkopf behalten. Wir sind auch immer "Täter" in der Pflege und Gewalt kann so subtil sein.

LG Brady
Ich bin keine Schwester, ich bin eine Fachpflegekraft!

Offline IKARUS

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Re: Gewalt in der Pflege
« Antwort #13 am: 19. Februar 2011, 21:21:52 »
Hallo Brady,
ich denke mir, nach dem was ich hier lese darum, den Begriff "Gewalt" erst einmal zu definieren. Wenn es überhaupt eine positive Gewalt gibt , weis ich hier für keine guten Begriff.
Ich denke, darum geht es Dir!
Die fürsorgliche Gewalt, also die die perse die Eltern haben.
Wenn ich als Krankenpfleger [von mir aus auch auf Neudeutsch "Gesundheits- und ...."] Gewalt ausübe, dann nicht um den Schutzbefohlenen zu Quälen. Es soll zu seinem Wohle sein. Mit dieser so ausgeübten Gewalt muss ich leben und umgehen lernen, denn es sind nur wenige Menschen, die die Kraft und den Willen haben bis an ihre und sogar über ihre Grenzen zu gehen, damit sie aus dem Krankheits- und/oder Gesundheitsprozess herauskommen können. Manchmal sind Menschen die man bis an und über ihre Grenzen gebracht hat dankbar dafür, dass "man" nicht locker gelassen hat. Als "Quälender-Krankenpfleger" auf einer Intensivstation für Schwerbrandverletzte musste ich regemäßig schmerzhafte Verbandwechsel durchführen. Eine ausreichende Analgesie konnte nicht durchgeführt werden, weil diese andere gravierende Probleme nach sich zieht. So behutsam wie nur möglich haben wir die Verbandwechsel durchgeführt und die tägliche Arbeit mit Schülern reflektiert. Von Schülern haben wir auch gute Anregungen bekommen, wie wir noch schmerzreduzierter arbeiten konnten. Hätten wir "diese Gewalt" nicht konsequent ausgeübt, wären die Schwerbrandverletzte reihenweise an den dann nicht mehr zu therapierenden Infektionen gestorben.
Mir ist es bei dieser Diskussion und im Umgang mit von mir abhängigen Menschen wichtig, das ich mein Tun danach ausrichte, dass der Betroffe von meinem Tun einen Benefit hat, auch wenn er es aktuell so nicht sehen [kann oder will].
Das ist meine Richtschnur! Diese stelle ich nun gerne zur Diskussion.
Ich kann noch immer in den beruflichen Spiegel sehen!

Ich möchte feststellen, dass ich mich nicht angegriffen gefühlt habe von dem hier Geschriebenen.
Wenn überhaupt, dann sind es die damit verbundenen Erinnerungen.
Freundliche Grüße,
Therapietänzer
 

Offline Brady

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Re: Gewalt in der Pflege
« Antwort #14 am: 19. Februar 2011, 22:04:15 »
Hallo Therapietänzer :-),

genau, darum geht es mir und das Wissen darum, dass ich dafür Verantwortung übernehme und sensibel damit umgehe.

Liebe Grüße Brady
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