Autor Thema: Ethik "Was ist so schlimm am Sterben?"  (Gelesen 5348 mal)

Offline Thomas Beßen

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Ethik "Was ist so schlimm am Sterben?"
« am: 01. April 2010, 17:45:20 »
Der Rettungsmediziner Michael de Ridder über seine Erlebnisse mit Todkranken, die Lebenserhaltung um jeden Preis und die ärztliche Beihilfe zum Suizid. Ein Interview mit ihm unter http://www.spiegel.de/spiegel/0,1518,684976,00.html.

Schönen 1. April noch!
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline dino

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Re: Ethik "Was ist so schlimm am Sterben?"
« Antwort #1 am: 01. April 2010, 18:56:49 »
Eine Reanimation nicht einzuleiten oder abzubrechen muß immer eine individuelle Entscheidung sein, denn diese Entscheidung ist endgültig. Oftmals wird man grade präklinisch mit unklaren Situationen konfrontiert. Typisches Stichwort ist Bewußtloser Patient. Asystolie beim Eintreffen. Sind keine eindeutigen Todeszeichen vorhanden repektive Verletzungen die nicht mit dem Leben vereinbar sind wird reanimiert bis das NEF eintrifft. Dies ist eine klare gesetzliche Regelung und schützt auch das Rettungsteam. Rein formell könnte der NA nun die Reanimation abbrechen. Aber genau die Leute, die über die "böse Apparatemedizin" herziehen, schalten den Staatsanwalt ein. Wer kann es nun dem Doc verübeln wenn er sich für die Reanimation entscheidet. Oder der Pat. klagte den ganzen Tag über Herzschmerzen und als er dann bewußtlos zusammbrach wurde erst der Notruf abgesetzt. Und anschließend kritisiert das die Anfahrt so lange dauerte. Anders sieht die Sache im Heim oder Krankenhaus aus. Es gibt do not reanimation Verfügungen. Allerdings muß das komplette Behandlungsteam darüber informiert sein. Die Verfügung muss vom zuständigen ärztlichen Leiter unterschrieben sein und jederzeit griffbereit sein.
Noch etwas zu dem Begriff "Apparatemedizin" Dieser ist absolut negativbesetzt. Man darf nicht vergessen, dass jährlich zigtausende Menschen ihr Leben der Notfall- und Intensivmedizin verdanken. Und anschließend ihr Leben wieder lebenswert finden, bzw ihr Leben überhaupt starten können. Nicht die Notfallmedizin ist der Schuldige, sondern die vermeintlichen Wünsche/Vorstellungen der Gesellschaft. Natürlich war früher alles einfacher. Der Arzt erklärte den Patient für tot, und das wars. Und heute, wo Hinz und Kunz aufgrund google und wiki meint er könne mitreden? Wie oft muss reanimiert werden, weil Opa/Oma auf dem Sofa eingeschlafen ist, statt den Hausarzt wird aber die 112 angerufen. Ab hier ist klar, was passiert. Es geht um Minuten. Nächster RTW, NEF-Einsatz, first responder. Setzt man aber die Rettungskette nicht in Gang-unterlassene Hilfeleistung. Und den Staatsanwalt kümmert es nicht, ob Opa Meier 95 Jahre alt ist und zu seinem Diabetes seit Jahren eine schwere Linksherzinsuffzienz hat. Das Rettungsteam kann dies ebenfalls nicht wissen, muß aber innerhalb von Sekunden eine Entscheidung treffen. Die Familie ist geschockt und erwartet Hilfe. Oder eine Mutter will nach ihrem 4 Monate alten Baby sehen. Es liegt regungslos im Bett. Die Mutter alarmiert den Rettungsdienst. Ich hatte mal eine Babyreanimation. Ich dachte, dass das Kind immer kälter wurde während ich die Herzdruckmassage durchführte. Wir wußten, dass wir verloren hatten. Es war trotzdem eine schwere Entscheidung abzubrechen. Nach fast 1 Stunde haben wir aufgegeben. Auch bei nur "sinnvollen" Reanimationen wird man nicht immer Erfolg haben. Aber damit muss man Leben, oder man hat gleich verloren, denn dies wäre die Alternative. Zum Schluß möchte ich noch die Reanimations Definition der AHA hinzufügen: Eine Reanimation ist für Herzen, die zu gut sind um zu Sterben, aber nicht für Herzen, die zu Krank sind um zu Leben. Das ERC sagt dazu: Eine Reanimation sollte den Prozess des Lebens wieder herstellen und nicht das Sterben verlängern.
« Letzte Änderung: 01. April 2010, 19:03:44 von dino »