Autor Thema: Regeln zur Kommunikation mit Dementen  (Gelesen 11102 mal)

Offline Anita Bingart

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Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« am: 25. Mai 2007, 10:11:04 »
Liebe UserInnen,
hier ein kleiner weiterer Beitrag zum Umgang mit dementen Menschen.
Lieben Gruß!
Anita Bingart
(Haus Bornberg)


Regeln zur Kommunikation mit Dementen
nach: „Die Wegwerfwindel auf der Wäscheleine“, Jutta Becker, Darmstadt ‘95

•   Denken Sie immer daran, dass auch Demente erwachsene Menschen sind, sie sollten mit Respekt und Würde behandelt werden.

•   Gehen Sie nie davon aus, dass ein Dementer nicht mehr mitbekommt, was gesagt wird. Reden Sie nie über eine/n Dementen als sei sie/er nicht anwesend. Lachen Sie nicht über auffallende oder unangemessene Reaktionen/Reden.

•   Denken Sie daran, dass es die Demenz ist, die schwieriges Verhalten hervorruft. Demente können ihr Verhalten im allgemeinen nicht steuern, sie verhalten sich nicht absichtlich schwierig.

•   Vereinfachen Sie jede Anforderung oder Aktivität so weit als möglich. Gehen Sie nur schrittweise vor und erklären dabei mit einfachen Worten, was Sie tun.

•   Erwarten Sie nicht, dass der/die Demente Verständnis für Ihre Situation/Arbeitsbelastung hat. Sie/er hat genug zu tun, seine eigene Welt zu verstehen.

•   Seien Sie geduldig, wenn Sie mit Dementen umgehen. Nehmen Sie sich Zeit für die Kommunikation mit Verwirrten.

•   Sprechen Sie Demente immer nur von vorne an, benutzen Sie kurze, einfache Sätze, sprechen Sie mit ruhiger, freundlicher Stimme.

•   Benutzen Sie Gesten und bildhafte Zeichen und Hilfen, um das deutlich zu machen, was Sie dem Verwirrten mitteilen wollen.

•   Vermeiden Sie Quizfragen, z.B. Wer war denn eben da? Welchen Tag haben wir denn heute? Die Situation, dass man verzweifelt nach der richtigen Antwort suchen muss, regt den Verwirrten auf und löst Ängste oder Aggressionen aus. Besser ist es, die notwendigen Informationen direkt zu geben. "Hier kommt Ihr Sohn Klaus".

•   Sorgen Sie für ausreichende Bewegung, sie sollte Teil der täglichen Routine sein.

•   Vermeiden Sie Diskussionen mit der/dem Dementen; Sie begeben sich damit in einen Machtkampf, in dem Sie immer der Überlegene sind. Dem Dementen bleibt in der Regel nur die Verweigerung.

•   Geben Sie dem Dementen so oft Anerkennung, wie irgend möglich.

•   Argumentieren Sie nicht mit Dementen über Behauptungen, die er/sie aufstellt oder Gefühle, die er/sie äußert. Sie überfordern ihn/sie damit.

•   Sorgen Sie für eine ausgeglichene Umgebung; Veränderungen können Verwirrung auslösen. Versuchen Sie, ablenkende und irritierende Geräusche und hektische Unruhe in der direkten Umgebung auszuschalten.

•   Regen Sie sich nicht auf, wenn der/die Demente unfreundliche, taktlose oder gar boshafte Bemerkungen über Sie macht. Verwirrte schätzen Situationen oft falsch ein und sind übermäßig misstrauisch. Bedenken Sie, dass der Demente mit dem Abbauprozess auch vergessen haben kann, was als "gutes Benehmen" gilt.

•   Vermeiden Sie Situationen, die Frustration und Ärger hervorrufen. Wenn eine Aktivität nicht möglich ist, brechen Sie ab und versuchen Sie es später noch einmal.

•   Helfen Sie sich in schwierigen Situationen mit Ablenkung und machen Sie sich in solchen Momenten die Vergesslichkeit des Dementen zu nutzen.

•   Demente können die Fähigkeit verlieren, Ablauf von Zeit richtig einzuschätzen. Dieser Mangel an Zeitgefühl löst oft Frustration und Ängste aus, wenn der Demente nur wenige Minuten allein ist. Vermitteln Sie ihm/ihr an diesem Punkt so viel Sicherheit wie möglich.

•   Überforderungssituationen führen leicht zu Katastrophenreaktionen. Lassen Sie es nicht zu solchen Eskalationen kommen, sondern lenken Sie ab und versuchen Sie mit kleinen Schritten das gleiche später noch einmal. Immer mit behutsamen Worten begleiten.
« Letzte Änderung: 25. Mai 2007, 12:58:40 von Thomas Beßen »

Offline Thomas Beßen

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Re: Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« Antwort #1 am: 25. Mai 2007, 13:08:59 »
- kleine Ergänzung:


Ratschläge/Regeln bei Körperkontakt/-Berührung:
(besonders bei wahrnehmungsgestörten Patienten)



•   Vermeiden punktueller Berührungen (z.B. Fingerspitzen)

•   Vermeiden aller oberflächlichen, streifenden Berührungen

•   Vermeiden aller abgehackten, zerstreuten Berührungen

•   Vermeiden überhasteter Arbeitsweisen, denn unklare Informationen schaffen Verwirrung...

•   Berührungen ruhig, mit flächig aufgelegter Hand deutlich beginnen und enden, vorüberziehend mit
     möglichst konstantem Druck arbeiten

•   für bestimmten Patienten Initialberührung ritualisieren

•   Berührungen sollen eindeutig und verbindlich sein; ein professionelles Berühren hilft dem Patienten,
     sein Äußeres wieder bewusster wahrzunehmen (Körperenden: Haare waschen, Nägel schneiden usw.).

(nach H.-J. Flohr, SP 11/97)


Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Anita Bingart

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Re: Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« Antwort #2 am: 25. Mai 2007, 19:27:43 »
Hallo Thomas, vielen Dank (ist genau das, was ich gemeint hatte)!
Lieber Gruß
Anita

Offline Thomas Beßen

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Re: Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« Antwort #3 am: 30. Mai 2007, 16:41:36 »
Hallo KollegInnen vom Haus Bornberg,
ein Herr Prof. Kruse (Geontologe) hat im Rahmen seines Referates am 16.10.2002 zur Auftaktveranstaltung der Imagekampage Pflege in Wiesbaden folgende Gedanken geäußert:

Wichtige Punkte im Umgang mit Dementen:
·   Empathie enwickeln
·   Ressourcen berücksichtigen
·   Fortschritt und Entwicklung als Möglichkeit sehen
·   Sinnfindung suchen
·   eine nonverbale Kommunikation über die Analyse des Gesichtsausdruckes
    ist möglich
·   dem dementen Menschen emotionale Unterstützung geben
·   die „Gebührlichkeit“ beachten

Beim letztenPunkt hat er irgendeinen Schriftsteller zitiert, ich weiß nun nicht mehr, welchen. Aber ich denke, dass ihr dies Anregung auch nutzen könnt...

Viele Grüße!
Thomas Beßen


« Letzte Änderung: 30. Mai 2007, 18:58:13 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Andre Th. *K2004*

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Re: Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« Antwort #4 am: 09. Januar 2008, 17:20:19 »
Hallo Anita, Hallo Herr Beßen!

Zitat
Erwarten Sie nicht, dass der/die Demente Verständnis für Ihre Situation/Arbeitsbelastung hat. Sie/er hat genug zu tun, seine eigene Welt zu verstehen.
Leider ist dies kein selbstverständlicher Umgang mit Patienten, wie kann dieser auch sein wenn bei zwangsläufig angewandter Funktionpflege unter dem großen Motto "business business business" selbst die einfachsten Umgangsnormen komprimiert werden. 
Zitat
Vermeiden überhasteter Arbeitsweisen, denn unklare Informationen schaffen Verwirrung...
Ein gutes Zeitmanagement ist Voraussetzung für jedes gute Ergebnis welches man anstrebt. Aus meiner Sicht nur zu erreichen unter einem funktionierenden Team-Geist.

Grüße aus Köln, André
« Letzte Änderung: 09. Januar 2008, 18:36:14 von Andre Th. *K2004* »
"Sie kennen Morn ja. Er hält einfach nicht seine Klappe."      Quark/DS9

Offline Thomas Beßen

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Re: Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« Antwort #5 am: 11. Januar 2008, 11:20:50 »
Hallo André,
leider haben Sie wohl Recht mit Ihrer Meinung, dass "unter dem großen Motto 'business business business' selbst die einfachsten Umgangsformen komprimert werden". Und das ist noch nett* ausgedrückt! Wege aus diesem Dilemma zu finden ist natürlich schwierig, aber ohne Austausch zwischen den Betroffenen als ersten Schritt gibt's keinerlei Chancen dazu und deswegen finde ich es gut, dass auch Sie das Thema ansprechen. Parallel dazu empfehle ich Ihnen den Beitrag von Katja Ossadnik (http://kps.zsp-hochtaunus.de/forum/index.php/topic,374.msg1115.html#new) bzw. direkt diese Seite: http://www.pflege-uns-reichts.de/main.php.
Wie ist es Ihnen (und Ihrem Namensbruder) ansonsten in Köln ergangen? Wie fühlen Sie sich nun in Ihrer neuen Rolle als Kollege, als Gesundheits- und Krankenpfleger? Würd' gern' mal was drüber hören...
Herzliche Grüße nach Cölle!
Thomas Beßen

* in Ihrer besonders angenehmen Art
« Letzte Änderung: 11. Januar 2008, 11:25:05 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Anita Bingart

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Re: Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« Antwort #6 am: 12. Januar 2008, 09:33:41 »
Guten Morgen, noch eine kurze Anmerkung:
Ein "gutes" Herz, ich meine in diesem Fall: Menschen mit Respekt und Achtung zu begegnen hat nicht zwingend etwas mit der Zeit(not) oder mit dem Team zu tun.
Jeder ist für sein tun (auch und besonders im Zwischenmenschlichen) selbst verantwortlich.
Wer keine Menscheliebe in sich spürt, wird sie auch nicht weitergeben.
Ein Lächeln und etwas Freundlichkeit ist in manchen Situationen hilfreicher als alles Andere!

Anita Bingart
« Letzte Änderung: 12. Januar 2008, 09:51:44 von Anita Bingart »

Offline Anita Bingart

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Re: Regeln zur Kommunikation mit Dementen
« Antwort #7 am: 16. Januar 2009, 08:57:54 »
Eine erhöhte Geräuschkulisse erschwert die Kommunikation. Darum ist die "Hintergrundmusik" wenig sinnvoll. Das Gehör der älteren Menschen lässt nach, was die Lautstärke von deren Fernseher erklärt. Auch die Stimme wird leiser, und einen Dementen zu bitten das Gesagte zu wiederholen, hat meist wenig Erfolg. Darum ist eine ruhige Umgebung für Verstehen und Verstanden zu werden notwendig.
Auch wenn es uns "Gesunden" oft zu ruhig ist, Radio anschalten und sich dabei zu unterhalten ist keine Lösung,
es irritiert nur zusätzlich.
Mit ruhigen Grüßen
Anita Bingart