Autor Thema: Über die Kunst, abzuspecken - "Es gibt auch die gesunden Dicken"  (Gelesen 3936 mal)

Offline Thomas Beßen

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"Herr Professor Hamann, in Berlin findet in dieser Woche die erste gemeinsame Jahrestagung der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Diabetes-Gesellschaft statt. Warum haben Sie sich zusammengetan?
Es gibt sehr viele Berührungspunkte zwischen Übergewicht und dem früher als Altersdiabetes bezeichneten Typ-2-Diabetes. Mehr als 80 Prozent der Typ-2-Diabetiker sind übergewichtig. Ihnen hilft es vor allem, abzunehmen.

Was ist zuerst da: das Übergewicht oder die Zuckerkrankheit?
Fast stets das Übergewicht. Typ-2-Diabetes tritt vor allem dann auf, wenn das Übergewicht auf eine erbliche Veranlagung zur Entwicklung eines Diabetes trifft.

Übergewicht macht also nicht zwangsläufig krank?
Es gibt auch die gesunden Dicken. Menschen zum Beispiel, die weder zu Herz-Kreislauf-Erkrankungen neigen, keine Diabetes-Veranlagung haben und vielleicht auch noch stabile Gelenke aufweisen. Wenn die sich ausgewogen ernähren und sich regelmäßig bewegen, dann können sie auch als Übergewichtige durchaus gesund bleiben. Als Ärzte müssen wir diejenigen Patienten finden, die therapiebedürftig sind.

Lässt sich genetisch testen, ob jemand diabetesgefährdet ist?
Das wird in der ärztlichen Routinediagnostik bisher nicht empfohlen. Zum erhöhten Diabetesrisiko tragen Veränderungen in vielen verschiedenen Genen bei, man weiß aber noch nicht genug darüber. Am besten lässt sich die Neigung anhand von Diabetes bei Eltern und Geschwistern abschätzen.

Sollten vorsorglich alle Übergewichtigen einen Diabetes-Check machen?
Wer einen Body-Mass-Index (BMI) über 25 hat, müsste das regelmäßig tun. Der BMI berechnet sich aus dem Körpergewicht in Kilogramm geteilt durch das Quadrat der Körpergröße in Meter. Einen wichtigen Hinweis auf ein erhöhtes Diabetesrisiko liefert auch das Bauchfett. Männer sind besonders gefährdet bei einem Bauchumfang von mehr als 102 Zentimeter, Frauen bei mehr als 88 Zentimeter.

Und wie können Sie übergewichtigen Diabetikern helfen?
Solange sich der Diabetes noch im Anfangsstadium befindet ist Gewichtsreduktion das wichtigste. Schon fünf Kilogramm Gewichtsverlust können den Zuckerstoffwechsel drastisch verbessern - oft mehr als Medikamente es vermögen.

Abnehmen, das ist leicht dahin gesagt...
... und für viele Patienten schwierig, ich weiß. Vielen ist es lieber, Tabletten gegen den Diabetes verschrieben zu bekommen. Aber damit beginnt oft ein Teufelkreis. Einige Mittel, die den Zuckerstoffwechsel verbessern, haben nämlich einen unangenehmen Nebeneffekt: Sie führen zur Gewichtszunahme.

Welche Mittel betrifft das?
Insulin zum Beispiel, aber auch Sulfonylharnstoffe, die zu einer erhöhten Ausschüttung des Blutzucker senkenden Hormons Insulin führen, und Glitazone, die die Empfindlichkeit der Körperzellen für Insulin erhöhen. Bei der Entwicklung neuerer Präparate konzentriert man sich inzwischen auf solche mit einem günstigeren Effekt auf das Gewicht. Dazu gehören sogenannte DPP4-Hemmer sowie Inkretinmimetika. Letztere führen sogar zu einem leichten Gewichtsverlust.

Wie lässt sich verhindern, dass nach dem mühsamen Abnehmen die Pfunde wieder zurückkehren?

Ganz wichtig scheint regelmäßige Bewegung zu sein. Mit Treppen steigen statt Aufzug fahren ist es aber nicht getan. Fünfmal pro Woche eine Stunde Walking oder sonstige körperliche Aktivität muss es für viele schon sein.

Stimmt es, dass die Deutschen immer dicker werden?
Zu einer solchen Aussage hätten wir gerne solide, langfristige Daten. Eigentlich ist der Anteil der erwachsenen Übergewichtigen in der Bevölkerung im letzten Jahrzehnt ziemlich konstant: Etwa 20 Prozent der Bevölkerung sind adipös, haben also einen BMI über 30. Übergewichtig, mit einem BMI über 25, sind immerhin zwei Drittel der Männer und gut die Hälfte der Frauen. Vermutlich gibt es weiterhin einen leichten Trend nach oben.

Wie gut helfen Medikamente beim Abnehmen?
Da hat die Medizin leider momentan nicht viel zu bieten. Nachdem vor einem Jahr das Mittel Acomplia wegen Nebenwirkungen vom Markt genommen wurde, wäre da noch die Arznei Reductil, die zu einem Gewichtsverlust von etwa fünf Kilogramm verhelfen kann. Aber ein echtes Wundermittel, das mit wenig Nebenwirkungen zehn Kilogramm oder mehr dahinschmelzen lässt, ist nicht in Sicht. Womöglich wird es das auch nie geben."


Guten Morgen!
Thomas Beßen


Das Interview führte Anne Brüning in: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?em_cnt=2062699& 20091106 06:38

Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.