Autor Thema: Krankenhäuser sind verschieden - Wege zur Wunschklinik  (Gelesen 4519 mal)

Offline Thomas Beßen

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Krankenhäuser sind verschieden - Wege zur Wunschklinik
« am: 17. Oktober 2009, 06:31:55 »
"Freiwillig ins Krankenhaus legt sich niemand gern. Doch wer sich für einen planbaren Eingriff oder eine entsprechende Behandlung dort hin begeben muss - nur jeder zweite Klinik-Aufenthalt ist ein Notfall - der sollte genau hinsehen, wo er eincheckt. "Viele Patienten wissen gar nicht, dass es die freie Krankenhauswahl gibt. Sie glauben, was der Arzt sagt, muss gemacht werden", sagt Gregor Bornes, Sprecher der Bundesarbeitsgemeinschaft der PatientInnenstellen in Köln. Der jüngste Bestechungsskandal zwischen Kliniken und niedergelassenen Ärzten habe diesen Punkt wieder mal ins Gedächtnis gerufen, sagt Bornes.

Dabei ist es nicht egal, wo man unterkommt. Oder möchte man an ein Krankenhaus geraten, wo sich der frühere Chefarzt gerade vor Gericht für skandalöse Hygieneverhältnisse, falsche Medikamente, unnötige Operationen und falsche Behandlungen rechtfertigen muss?

Bornes und seine Kölner Kollegen führen jährlich 3800 Beratungen durch, telefonisch und vor Ort. Darunter sind viele Anfragen nach der passenden Klinik. Kommt der Patient mit einer eindeutigen Diagnose, schaut Bornes zunächst in die gängigen Internet-Suchmaschinen. Die Portale stützen sich allesamt auf die Qualitätsberichte, die jede Klinik alle zwei Jahre veröffentlichen muss.

Die Aussagequalität der einzelnen Berichte ist allerdings sehr verschieden, denn die Einrichtungen haben einen großen Spielraum. Thomas Ballast, Vorstandsvorsitzender des Verbands der Ersatzkassen, fordert seit längerem, "dass auch mehr Informationen über schlechte Qualität an die Öffentlichkeit gelangen". Der Gesetzgeber habe es aber "bislang versäumt, entsprechende Regelungen zu schaffen".

Für Laien sind die Berichte zum Teil auch zu umfangreich und nur schwer verständlich. Manchmal sind sie auch nicht aktuell, wie der Fall der Wegberger Sankt Antonius Klinik - deren ehemaliger Chefarzt steht derzeit wegen gravierenden Behandlungsfehlern und Hygienemängeln vor Gericht - beweist: In ihrem Qualitätsbericht aus dem Jahr 2006 zitiert die Klinik das Gesundheitsamt, das sich "bei der diesjährigen Besichtigung erneut hat überzeugen können, dass auch unter der neuen Trägerschaft den hygienischen Belangen weiterhin eine hohe Beachtung beigemessen wird." Wer das liest, denkt nicht an Zitronensaft als Desinfektionsmittel und ähnliche Stümpereien.

"Man muss wissen: Die Daten sind mindestens zwei Jahre alt. In der Zeit kann sich viel verändert haben", erklärt Bornes. Dennoch gibt es zu den Qualitätsberichten zurzeit keine Alternative. Die wichtigste Info dort sei zunächst die Fallzahl, erklärt Bornes. "Sie zeigt, wie viele Fälle in einer Klinik jährlich operiert oder behandelt werden." Das Problem sei allerdings, dass es hier nur um Quantität, nicht um Qualität gehe. "Die Fallzahlen allein sagen noch nichts über das Ergebnis der Behandlung aus."

Die Qualität steigt

Experten sind sich allerdings weitgehend einig: Es besteht meist ein Zusammenhang zwischen Fallzahl und Qualität. So zeigt auch der Qualitätsreport 2008, den die Bundesgeschäftsstelle für Qualitätssicherung in Düsseldorf Ende August veröffentlicht hat und der die Qualität von 1700 deutschen Krankenhäusern auf Basis von 3,8 Millionen Datensätzen spiegelt, dass vor allem Kliniken mit niedrigen Fallzahlen schludern, etwa in der Versorgung von Frühgeborenen: 282 kleinere, aber "nur" 27 größere Häuser mit mehr als 20 Fällen pro Jahr hatten keinen Kinderarzt dokumentiert, der bei der Geburt aber anwesend sein soll.

Auch waren es vor allem kleinere Kliniken, die das Zeitlimit bei Notfallkaiserschnitten überschritten: Zwischen Entscheidung und OP sollen nicht mehr als 20 Minuten vergehen, um das Kind nicht zu gefährden. 168 Geburten in 112 Häusern überschritten jedoch dieses Limit. Vor allem Kliniken mit weniger als 1000 Geburten pro Jahr überschritten das Maximum.

"Um eine Klinik mit einer ausreichend hohen Fallzahl zu erreichen, sollte man schon einen weiteren Weg in Kauf nehmen", rät Bornes. "Das verspricht eine verlässliche Versorgungsqualität." Ballast regt allerdings eine differenzierte Betrachtung an: So könne eine Grundleistung, etwa eine Blinddarmoperation, in einem kleinen Krankenhaus genauso gut, wenn nicht sogar besser behandelt werden als in einem großen. Patienten mit schweren Komplikationen oder septische Fälle seien hingegen in großen Kliniken besser aufgehoben.

Man sollte sich unbedingt eine Zweitmeinung besorgen, rät Bornes. Die Krankenkasse muss diese Zweitmeinung bezahlen.

Ein weiteres aussagekräftiges Kriterium für die Klinikqualität ist für Bornes die Patientenzufriedenheit. Einige Suchportale greifen auf Patientenurteile zurück, zum Beispiel das der Techniker Krankenkasse: 263045 Versicherte wurden hierzu befragt, die in einem der 624 größten Krankenhäuser behandelt wurden, 60 Prozent haben geantwortet.

Das unabhängige Suchportal Medmonitor liefert nach einer Fünf-Sterne-Klassifizierung ebenfalls Hinweise darauf, wie zufrieden Patienten mit Ärzten, Pflegepersonal, Behandlung, Service und Essen in der Klinik sind. Den Vorwurf, Patienten könnten die Qualität der Versorgung nicht beurteilen, lässt der Hamburger Politologe und Gründer von Medmonitor, Dirk Lanio, nicht gelten: "Die Patientenzufriedenheit ist natürlich ein wichtiger Indikator für den Umgang mit Patienten und die Güte der Leistung."

Für Dörte Elß, Gesundheitsexpertin der Verbraucherzentrale Berlin, ist die Patientenzufriedenheit ebenfalls sehr wichtig. "Leider sind nicht in allen Qualitätsberichten die Ergebnisse von Patientenbefragungen enthalten", bedauert sie. Viele Menschen würden genau danach aber auf eigene Faust im Internet recherchieren, das sei inzwischen sehr verbreitet, selbst bei älteren Menschen: "Oft helfen ihnen die Enkel dabei."

Vertrauensperson Arzt

Elß gesteht, in puncto Klinikwahl bislang immer Patienten geraten zu haben, zunächst ihren Arzt zu fragen. "Das hat jetzt natürlich einen Beigeschmack bekommen. Man fragt sich: Hat er die Klinik wirklich aus Erfahrung oder nur wegen der Prämie empfohlen?" Trotzdem sollte man einem Arzt, den man schon lange kennt, durchaus vertrauen, rät die Juristin. Es schade auch nicht, sich im Bekanntenkreis umzuhören.

Die Hamburger Verbraucherzentrale rät, vor jeder Einweisung ins Krankenhaus zu prüfen, ob die Empfehlung des Arztes wirklich von unabhängigen Internet-Bewertungsportalen unterstützt wird. Wer mutig sei, sollte auch seinen Arzt fragen, warum er gerade dieses Krankenhaus empfehle - ob er etwa im Rahmen eines "Kooperationsvertrages" Geld dafür kassiere. "Dieser Mut wird Vielen schwer fallen, er zahlt sich aber möglicherweise aus: sowohl finanziell als auch in gesundheitlicher Hinsicht", betonen die Verbraucherschützer. "Denn eine falsche oder gar überflüssige Behandlung lässt sich in aller Regel nicht mehr rückgängig machen."

Christoph Kranich, Leiter der Abteilung Gesundheit und Patientenschutz der Verbraucherzentrale Hamburg, bezeichnet es als "irreführend, dass manche Krankenhäuser der Meinung sind, eine Zertifizierung sei zugleich ein Beleg für ein gutes Beschwerdemanagement". Diese Aussage sei "nicht richtig", denn ein solches Zertifikat könne ein Krankenhaus auch erwerben, ohne ein Beschwerdesystem zu haben. Ein zertifiziertes Beschwerdesystem gibt es bisher aber in keinem Krankenhaus. Derzeit beteiligen sich drei Hamburger Kliniken an der Entwicklung eines solchen Zertifikats durch das dortige Institut für Beschwerdemanagement.

Generell sollten Patienten in Kliniken, die stolz ihre Zertifikate aushängen, dort immer die Mitarbeiter fragen, auch solche vom "einfachen Dienst", ob sie wissen, was das genau und im Einzelnen bedeutet. "Wenn sie nichts zu antworten wissen, könnte es sein, dass das Gütesiegel mehr der Werbung dient als der wirklichen Qualitätsentwicklung", warnen die Verbraucherschützer.

Die Frage, ob private Kliniken besser oder schlechter sind als öffentliche, lasse sich nicht generell beantworten, betont vdek-Vorstandsvorsitzender Thomas Ballast. "Kliniken in privater Trägerschaft stehen natürlich noch mehr unter Druck, Gewinne zu erwirtschaften."


Gute Adressen
Alle Suchmaschinen basieren auf den Qualitätsberichten der Kliniken. Diese enthalten Infos zu den Struktur- und Leistungsdaten und stellen Komplikations- und Sterblichkeitsdaten der Kliniken bereit.
Die Bedienung der Portale ähnelt weitgehend. Beim Portal "Weiße Liste" gibt der Patient zunächst ein Stichwort (z.B. "Knie-OP") oder eine Fachabteilung ("Orthopädie") und die Postleitzahl des Wohnortes ein. Dann kann er auswählen, wie weit die Klinik entfernt sein darf (25 Kilometer bis bundesweit). In einem nächsten Schritt werden Begleiterkrankungen abgefragt: Diabetes, Asthma, Herzkrankheiten, Nierenbeschwerden, Demenz, Parkinson, Multiple Sklerose, Epilepsie, Aids, Mukoviszidose. Die Suchmaschine spuckt dann eine Reihe von Kliniken samt Fallzahlen in der gewünschten Entfernung aus.
Beim Portal "Medmonitor" gibt man ebenfalls Stichwort oder Fachabteilung samt Postleitzahl ein. Die Suchmaschine spuckt dann mehrere Kliniken aus, gerankt nach Entfernung. Neben den Qualitätsberichten kann man hier auch die Patientenurteile einsehen. Sie lauten etwa so: "Das erste Krankenhaus, das ich - trotz des Alters der Bausubstanz - jedem ohne Wenn und Aber empfehlen würde! Super Ärzte - mit echter Menschlichkeit trotz Zeitstress!", oder: "Es war immer ausreichendes Pflegepersonal da. Der anschließende Transport zur Kurklinik war nicht so gut. Nach der Knie-OP wurde ich mit einem normalen PKW auf dem Vordersitz nach Bad Pyrmont gefahren, es war mehr als unbequem.""

Die Suchmaschinen:
www.klinik-lotse.de
www.tk-online.de/tk/klinikfuehrer/114928
www.bkk-klinikfinder.de
www.aok-klinik-konsil.de
www.weisse-liste.de
www.medmonitor.de


Guten Morgen!
Thomas Beßen

Quelle: Birgitta vom Lehn in http://www.fr-online.de/in_und_ausland/wissen_und_bildung/aktuell/?em_cnt=2019079&em_cnt_page=2

Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.