Autor Thema: Wie gesund wir sind  (Gelesen 4137 mal)

Online Thomas Beßen

  • Administrator
  • *
  • Beiträge: 11.190
  • - die Menschen stärken, die Sachen klären -
    • http://www.pflegesoft.de
Wie gesund wir sind
« am: 09. September 2009, 06:27:19 »
"Die Prävention wird stark vernachlässigt, denn ein Gesunder bringt keinen Profit

Wollen Sie Ihren Patienten das Leben verbieten? Zynischer kann man den Hauptschönheitsfehler unseres Gesundheitssystems nicht beschreiben, als eine Pharmafirma mit diesem Werbeslogan macht. Sollen Zuckerkranke ruhig weiter Torten und Schweinshaxen essen. Die Industrie hat die passenden Pillen und verdient kräftig dran. Und die Spätschäden? Die werden auch noch operiert – und bringen gutes Geld. Die Gemeinschaft der Versicherten zahlt ja.

Zig Milliarden sind für die Sanierung von Zocker-Banken schnell verfügbar. Aber ob Schulkinder – wie von der EU angeregt – ein paar Äpfel, Bananen und Pflaumen vom Staat bekommen, darüber streiten die Verantwortlichen seit Monaten ohne Ergebnis. Frisches Obst, öfter Schulsport, mehr Bewegung? Die dafür notwendigen Euro fehlen in der Reparaturwerkstatt Deutschland.

Es war der katastrophale Gesundheitszustand junger Rekruten, es war die drängende Arbeiterbewegung, die vor rund 200 Jahren die jungen Industriestaaten zum Handeln zwangen. Zunächst in England, dann auch in Preußen wurde die Arbeit für Kinder unter neun Jahren (!) in den Bergwerken und Eisenhütten verboten. Unsere Sozialversicherungen sind gerade mal gute hundert Jahre alt. Ein Gutteil dieser staatlichen Fürsorge hatte einst nur den Sinn, möglichst gesundes Kanonenfutter in die Kriege zu schicken. Am perfidesten ausgestaltet war dieser Gedanke in der "Wehrhaftmachung des deutschen Volkes" im Nationalsozialismus.

Es mag die Abkehr von dieser Ideologie nach der Befreiung gewesen sei, wichtiges Wissen zur Erhaltung der Gesundheit der Menschen gleich mit zu verbannen. Die in der Weimarer Republik entwickelten Erkenntnisse zu gesunder Ernährung, Hygiene, zu Sport und Bewegung in der freien Natur gingen im Wirtschaftswunderland Westdeutschland langsam verloren. Gleichzeitig organisierte sich das medizinische System stärker nach kapitalistischen Prinzipien. Ein gesunder Mensch aber trägt nicht zum Profit bei.

Vorsorge erschöpft sich hier in sinnvollen Impfungen

Belohnt wird heute die Kasse, die die meisten chronisch Kranken vorweisen kann. Das ist die Realität im Deutschland 2009. Warum wohl müssen Patienten inzwischen oft Monate auf einen Termin beim Facharzt warten? Wahrscheinlich, weil sie noch an soziale Verantwortung in der Gemeinschaft glauben und in der gesetzlichen Kasse sind.

Warum eigentlich können die privaten Kassen so viel mehr Geld ausgeben? Sind die Versicherten so viel zahlungskräftiger oder extrem gesünder als die bei den Gesetzlichen? Durchaus nicht. Nur müssen die Mitglieder von AOK oder Barmer jede Menge Nichtzahler mitfinanzieren. Solidarität mit den Schwachen, das gilt in Deutschland nur noch für die Schlechterverdienenden. Der wohlhabende Teil der Bevölkerung ist davon dagegen seit langem befreit.

In diesem Zweiklassensystem wird gerne die Verantwortung des Einzelnen hoch gehalten. Ja, es stimmt: Wer sich gesund ernährt, auf das Rauchen verzichtet, wer moderat Sport macht und öfter vom Auto aufs Fahrrad umsteigt, hat ein geringeres Risiko für Depressionen, Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Diabetes Typ 2.

Dafür auch bildungsferne Bevölkerungsschichten zu gewinnen, das wäre ein wichtiges Ziel eines konsequenten Bildungs- und Gesundheitssystems. Vorsorge erschöpft sich hier in sinnvollen Impfungen und in ihrem Nutzen höchst umstrittenen, dafür aber teuren Screening-Programmen auf Brust, Darm- oder Prostatakrebs. Gemacht wird nur noch, was Geld bringt.

Ein frommer Wunschtraum bleibt die Ernährungsberatung oder ein paar Stunden Joggen in der Gruppe auf Rezept. Schweden hat das gerade eingeführt. Wollen die etwa ihren Patienten das Leben verbieten? Ganz im Gegenteil."


Einen guten Morgen wünscht
Thomas Beßen


Quelle und mehr: Karl-Heinz Karisch in FR bzw. http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/bundestagswahl_2009/deutschland_check/?em_cnt=1932140&em_cnt_page=1



Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.