Autor Thema: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen  (Gelesen 8142 mal)

Offline Thomas Beßen

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Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« am: 10. Juli 2009, 11:05:01 »
"Ausgemergelt, ungepflegt, zahnlos: Vor ihrem Tod sind viele alte Menschen in einem bemitleidenswerten Zustand. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie des Instituts für Rechtsmedizin am Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf (UKE). Für das Papier, das NDR 90,3 vorab exklusiv vorlag, wurden mehr als 8.500 Verstorbene untersucht, die älter als 60 Jahre alt waren. Im Schnitt waren sie 81 Jahre alt.

Entsetzen bei Patientenverbänden
Vor zehn Jahren hatte das UKE eine ähnliche Studie vorgelegt und damit eine Schockwelle ausgelöst, wie NDR 90,3 am Donnerstag berichtete. Getan hat sich seitdem zu wenig, wie Ursula Preuhs vom Landesseniorenbeirat Hamburg beklagt. Insbesondere bei der Behandlung von Druckliegegeschwüren, sogenannten Dekubiti, müsse es Fortschritte geben. "Es läuft nichts an neuen Maßnahmen, an Überlegungen zur Verbesserung der Situation. Und ich finde, jeder Dekubitus ist einer zu viel", sagte Preuhs. Kerstin Hagemann, Gründerin der Hamburger Patienten-Initiative, ist erschüttert, dass das Thema erst "nach zehn Jahren Schrecksekunde" wieder aufgegriffen wird. Dennoch findet Hagemann es richtig, dass sich jetzt alle Beteiligten wieder an einen Tisch setzen wollen, um Missstände in der Pflege zu verringern.

SPD fordert Ursachenanalyse
Am Mittwoch hatte NDR 90,3 berichtet, dass die SPD-Fraktion der Hamburgischen Bürgerschaft als Reaktion eine Sondersitzung des Sozialausschusses beantragen wolle. "Wir müssen erfahren, was die Ursachen der beschriebenen Pflegemängel sind", sagte SPD-Sozialexperte Dirk Kienscherf. Er warnte zugleich vor einer "Vorverurteilung der Pflegebranche". Es gebe zu wenig gut ausgebildete Kräfte. Deren Arbeitsbedingungen müssten sich deutlich verbessern. Die Linke in der Bürgerschaft kritisierte: "Der Mangel an Pflegefachkräften, die hohe Arbeitsverdichtung und chronische Überlastung sind eine wesentliche Ursache dieser skandalösen Zustände."

Bei jedem achten Toten Druckliegegeschwür entdeckt
Viele der Betroffenen waren der Studie zufolge zum Zeitpunkt ihres Todes körperlich ausgezehrt. So entdeckten die Mediziner bei jedem achten Verstorbenen ein Druckliegegeschwür, bei manchen sogar mehrere. Teilweise gingen die Verletzungen bis auf die Knochen - bei 3,3 Prozent der Untersuchten fanden sich schwere Dekubiti. Auch das Körpergewicht der Untersuchten alarmierte die Experten: Jeder fünfte war untergewichtig, von den Heimbewohnern sogar jeder dritte. Etwa die Hälfte der untersuchten Menschen hatte der Studie zufolge Normalgewicht, 35 Prozent waren eher zu schwer für ihre Größe. Knapp sieben Prozent wurden vor ihrem Tod über eine Magensonde ernährt - bei einem Drittel dieser Fälle fanden die Wissenschaftler Hinweise auf eine schlechte Pflege der Eintrittsstelle der Sonde. Kritisch wurde auch der Zustand der Gebisse bewertet. Zwei von drei Verstorbenen hatten extrem schlechte oder gar keine Zähne.

Studie: Mangelnde fachärztliche Versorgung ist schuld
Einen Grund für die Ergebnisse der Studie sehen Experten in der mangelnden fachärztlichen Versorgung von Pflegebedürftigen. "Die Situation ist sehr bedrückend, wir müssen eine Menge tun", sagte Klaus Püschel, Leiter der Rechtsmedizin am UKE. Die Studie habe auch gezeigt, dass manche Tote erst nach mehreren Tagen entdeckt wurden. "Sie sterben vermehrt einsam und allein, keinesfalls im Schoß der Familie." Auch viele Wohnungen seien völlig verwahrlost.

Heime sollen besser beraten werden
Ärztekammer, Hausärzteverband und Krankenhausgesellschaft in Hamburg kündigten an, die Versorgung älterer Menschen zu verbessern. Mit einem bundesweit einzigartigen "Maßnahmenpool" wollen sie schlimme Dekubitalgeschwüre künftig erfassen, behandeln und verhindern - indem etwa Einrichtungen wie Pflegeheimen sogenannte Wundmanager empfohlen werden. Die Gewerkschaft ver.di forderte Hamburgs Ersten Bürgermeister Ole von Beust (CDU) auf, das Thema Pflege zur Chefsache zu machen.

Pflegenotstand seit Langem beklagt
Seit Jahren warnt die SPD im Hamburger Parlament vor einem Pflegenotstand. "Hamburgs Pflege steht vor dem Kollaps", sagte Sozialexperte Kienscherf schon vor gut einem Jahr. Der Bericht des Medizinischen Dienstes der Spitzenverbände der Krankenkassen vom Sommer 2007 hatte ergeben, dass 35 Prozent der Patienten nicht ausreichend mit Nahrung versorgt oder nicht oft genug umgebettet würden. Kienscherf sagte, ihn habe sehr negativ überrascht, dass sich so wenig getan habe. Die Hamburger Sozialbehörde warnte vor voreiligen Schlussfolgerungen. Die Ergebnisse der Studie müssten erst einmal gemeinsam mit allen Beteiligten im Gesundheitswesen analysiert werden.

Hamburg steht vergleichsweise gut da
Für die Studie untersuchte das UKE 8.518 Tote vor der Einäscherung im Krematorium. 65 Prozent hatten zuletzt in Hamburg gewohnt, 31 Prozent in Schleswig-Holstein und vier Prozent in Niedersachsen. Sie waren zu Hause, im Krankenhaus, Pflegeheim oder Hospiz gestorben. Nach welchen Kriterien das UKE die Leichen für die Untersuchung auswählte, ist nicht bekannt. Bereits vor gut zehn Jahren hatten Hamburger Rechtsmediziner in einer Studie schwere Pflegemängel bei älteren Menschen festgestellt. Die Befunde seien aber nicht vergleichbar, unter anderem wegen der unterschiedlichen Altersstruktur der Untersuchten. Dennoch sagte Püschel, insgesamt sei die Lage der Alten besser geworden. Und im Vergleich zu anderen Städten stehe Hamburg vergleichsweise gut da. "In anderen deutschen Großstädten sieht es trauriger aus.""


Das alles und mehr meldet der NDR auf seiner HP: http://www1.ndr.de/nachrichten/hamburg/pflege124.html

Grüßend
Thomas Beßen
 

Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Pamela K07

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #1 am: 10. Juli 2009, 19:22:47 »
Einfach nur traurig. Und das hier in Deutschland...
Arzt zum Patient: "Was macht eigentlich Ihr altes Leiden?" - "Keine Ahnung, Herr Doktor, wir sind seit einem halben Jahr geschieden."

Offline hexchen101

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #2 am: 10. Juli 2009, 19:33:58 »
hallo,
ich möchte mal meine meinung zu diesem thema loswerden. ich erlebe in der pflege zur zeit viele alte (70 bis 90 jährige), die tatsächlich einen schlechten allgemeinzustand haben- bettlägerig sind- und leider viel zu oft druckgeschwüre- auch oft 3. grad- entwickeln. ich erlebe auch oft patienten mit dk, die rezidivierene harnwegsinfekte haben. ich erlebe patienten mit demenz, denen man bei der täglichen az- verschlechterung regelrecht zu schauen kann; sie werden dazu angehalten im bett zu bleiben- mobilisation, neue reize, validation- habe ich noch nicht bewußt erlebt. ich persönlich finde, dass die struktur einzelner stationen überdacht werden sollte. klar muss ein somatisches krankenhaus ihren schwerpunkt bei der somatik legen, aber ich finde, es wird viel zu sehr immer noch nur auf den punkt der erkrankung geschaut und das drumherum vergessen. was nützt es denn, wenn ich die exikose durch infusionen auffange, aber durch bettlägerigkeit und fehlende reize, die eh meist nur noch gering vorhandene lebenslust vollkommen vernichte?! ich finde man muss viel ganzheitlicher denken, es müsste auch mal in der somatik ankommen, dass pflege nicht nur heisst, den patienten morgens zu waschen (und manchmal das nicht mal nach hygenischen standards), die verbände zu erneuern, den katheter zu leeren..-sorry. klar ist das momentan nur begrenzt möglich, man ist selbst als schüler oft den ganzen dienst am rennen, hat einen engen zeitrahmen und dann wenn man zeit hätte gibt es ja garkeine möglichkeit, keinen äußeren rahmen.. es ist nur wieder typisch, dass vor allem die laut aufschreien und konsequenzen fordern, die den pflegealltag überhaupt nicht kennen. Denn ich erlebe sehr wohl pp die sich mühe geben, die lagern, die hygenisch arbeiten, die patienten u veränderungen genau beobachten, dokumentieren, handeln.. aber halt leider nicht alle..

Offline Pamela K07

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #3 am: 10. Juli 2009, 21:29:52 »
Es gibt manchmal Tage wo man etwas länger Zeit für die Patienten hat. Wenn man sich dann aber länger im Patientenzimmer aufhält, heißt es dann, ,,Was hast du denn so lang da drin gemacht``...
Arzt zum Patient: "Was macht eigentlich Ihr altes Leiden?" - "Keine Ahnung, Herr Doktor, wir sind seit einem halben Jahr geschieden."

Shet

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #4 am: 10. Juli 2009, 22:40:37 »
Wie war das mit dem Betrag bei " Zitat der Woche ", ich meine das vom alten Franz. Der scheint schon weit in die Zukunft gesehen zu haben, hatte wohl Visionen. Man kann manchmal nur hoffen möglichst gesund alt zu werden und dann einfach Tod umzufallen. Jedenfalls sparrt man sich wie es scheint in einem reichen Land wie dem unsrigen so so manche Quälerrei.

MfG Shet

Ob sich mit mehr Geld und Pflegekräften, ich meine qualifizierte ,wohl etwas ändern würde ?!? Gut motiviert müssten sie auch noch sein, da währen wir beim Thema Lohn für diese Arbeit.

Offline dino

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #5 am: 11. Juli 2009, 03:39:08 »
@ Hexchen und Pamela, ein bißchen Strukturveränderung wird da nix bringen, denn wir haben es mit einem krassen Mißverhältnis zwischen anfallender Arbeit und man power zu tun. Und wie hoch der Anteil von burn out da bei den Behandlungsteams ist will ich gar nicht erst wissen, man könnte ja selber mal Patient sein. Dafür ist aber nicht nur der Pflegenotstand, die Unterbezahlung oder sonst was verantwortlich, sondern auch die individuelle Einstellung zum Job, vielen fehlt einfach die professionelle Distanz. Es gibt noch ein Leben außerhalb der Klinik.
Ein schönes Wochenende, bei mir gibt es kein burn out, sondern burn on, es ist Grillwetter

Offline dino

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #6 am: 11. Juli 2009, 03:55:41 »
@ Shet, den franz kenn ich nicht so gut, ich dachte, Du meinst den Franzel, also den Mann von der Sissi. Ich hab seit längeren auch eine Vision. Ich sitze in einem Haus, wo ein großes Mund C auf dem Dach steht. You know

Offline hexchen101

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #7 am: 11. Juli 2009, 05:38:10 »
@dino also ich finde schon, dass strukturveränderung von oben- mit einem komplett anderen aufbau, zum beispiel für die inneren stationen- wichtig wäre. man kann menschen mit demenz nicht einfach tagelang ins bett legen und ihren drang sich zu bewegen unterdrücken, nur weil ihre bewegung und die dazu notwendige aufmerksamkeit seitens des pp nicht in den krankenhausalltag passt. natürlich würde das viel mehr qualifizierte arbeitskräfte erfordern und ich weiss, dass gerade das ja nicht gewollt ist. ich kann mir auch denken, dass geringer lohn für mühevolle arbeit auch nicht gerade ein anreiz ist, umzudenken. und ich glaube manche haben längst die ursprünglichen gründe dafür vergessen, warum sie diesen beruf gewählt haben... trotzdem... schönes we :-)

Offline dino

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Re: Hamburg - Pflegestudie des UKE schlägt hohe Wellen
« Antwort #8 am: 11. Juli 2009, 17:47:44 »
@ Hexchen, Du hast in Deinem post nix von einer qualifizierten Personalaufstockung geschrieben, ohne diese ist aber eine Strukturänderung nicht machbar, jedenfalls nicht ohne Qualitätsverlust. Ein dementer Pat. sollte m. M. nach auch eher auf einer Geronto liegen und von einem Internisten konsiliarisch betreut werden. Sowas verstehe ich von einer strukturierten Behandlung. Eine Verlegung sollte nur stattfinden, wenn für den Pat. ein deutliches Benefit entsteht.
Was die Motivation betrifft, Du kannst nicht erwarten das jeder die gleiche Motivation/Einstellung hat wie man selbst, dies geht uns schlichtweg auch nichts an. Viele innere Kollegen kommen gar nicht zum Denken, eidiweil sie dank Unterbesetzung und Arbeitsanfall roboterhaft versuchen die anfallende Arbeit abzuarbeiten. Ich persönlich hätte auch nix gegen mehr Kohle, aber so 2-3 zusätzliche qualifizierte neue Kollegen/innen aufm Dienstplan wären mir ehrlich gesagt lieber, vorzugsweise aus unserer Schule.
Ein schönes Wochenende noch
burn on iss net, es regnet, faeces
« Letzte Änderung: 12. Juli 2009, 12:21:56 von dino »