Guten morgen allerseits!
Ich bin Pflegeschüler und mittlerweile im zweiten Lehrjahr. Ich bin seit kurzem 23Jahre alt, hab 2005 Abi gemacht, bis Mai 2006 Zivi gemacht, hab hier und da gejobbt bis ich in Oktober 2007 meine Ausbildung anfangen konnte.
Als ich noch in der Schule war, war ich ein recht fauler Schüler.
Hab wenig gelernt und wenig gemacht und dennoch gute bis befriedigende Noten erhalten. Mit dieser Einstellung bin ich auch zum Abi gegangen. Warum auch die Einstellung ändern, denn es wird auch so klappen.
So wars auch. Abi mit befriedigend abgeschlossen. Danach hab ich mich um einen Zivistelle gekümmert. Das ging auch recht einfach. Alles war leicht oder einfach, bis ich mich für die Ausbildung beworben hab. Dann kam das große und böse erwachen.
Ich hab 7 Bewerbungen rausgeschickt und dachte mir „naja, ich werde schon einen Platz bekommen, hab ja Abi.“
Nun ja, ich wurde zu 6/7 zum Bewerbungsgespräch eingeladen. (5 waren Allgemeinkrankenhäuser, 1 war eine Psychiatrie). Meine „Prüfungen im Allgemeinkrankenhaus waren ziemlich gleich. Erst hatte ich ein langes Gespräch, musste begründen, warum ich die Ausbildung machen wollte, warum meine Abi nur mittelmäßig war, ob ich mir denn auch im Klaren war, worauf ich mich da einlasse. Danach hatte ich multiple Tests, in Mathe, Politik und Wirtschaft, Deutsch (Literatur), Pflege und „Logik“ (Aufgaben wie beim „Gehirn Jogging“). Es waren knapp 100 Aufgaben und wir hatten ca. 1,5h Zeit dafür. Danach musste ich entweder eine Gruppen-/Einzelarbeit machen oder eine Stellungsnahme zu Pflege machen, was Pflege denn sei, ob es nötig sei und welchen Stellungswert meiner Meinung nach der Pflegeberuf in unsrer heutigen Gesellschaft hat. Diese und ähnliche Fragen musste ich dann beantworten. Ich, der ja Abi hatte, fand es sehr anspruchsvoll ihre 100Aufgaben in der Zeit richtig zu beantworten und dann anschließend auch noch eine solche Gruppen- oder Einzelarbeit zu erledigen. Aber ich habs hinbekommen.
Monate später erhielt ich eine Absage nach der anderen. Nach der 3. Absage ging ich zur Pflegeschule noch mal zurück um zu erfahren, weshalb ich denn nicht genommen wurde. Nachdem ich mehrmals gefleht hatte und erklärte, dass ich „aus meinen Fehlern lernen“ wollte, bekam ich folgende oder ähnliche Begründung:
„Ja, Herr Puno-Duncan, sie sind zwar recht fit, haben 94/100 Aufgaben richtig, die Gruppen-/Einzelarbeit war auch recht gut, aber Ihre schulischen Leistungen sind leider nicht sehr berauschend.“
„Ja, aber ich hab doch Abi! Klar, es hätte besser sein können, aber ich habs, und wie sie grad sagten hab ich 94/100 Aufgaben richtig gelöst und die Gruppen-/Einzelarbeit war auch gut. Wurde ich nur wegen meinem mittelmäßigen Abi nicht genommen?“
„Es tut mir Leid Herr Puno-Duncan, aber andere BewerberInnen haben schulisch besser abgeschlossen. Außerdem fehlt Ihnen praktische Erfahrung. Machen Sie einpaar Praktika und dann versuchen Sies noch mal.“
Ich war zunächst über diese antwort geschockt. Ich, der Abi hatte, der sonst auch alles immer auf Anhieb geschafft hat, stand nun da und hatte immer noch keinen Ausbildungsplatz. Ich hatte noch wenig Zeit (einpaar Wochen) bevor mein Bewerbungsgespräch in der Psychiatrie anstand. Ich wollte unbedingt genommen werden und hab mich erkundigt, wo ich mir helfen lassen kann. Beim Arbeitsamt gabs einen Bewerbungsseminar an dem ich dann teil genommen hab um mich und Bewerbungsgespräche usw zu verbessern. Mein Tag fing also morgens um 6.30Uhr an, damit ich um 8 Uhr am Arbeitsamt sein konnte (wurde dort gecoacht, gedrillt, hatte hunderte von Übungsaufgaben usw) bis 16Uhr, war dann um 17Uhr an meinem Job und hab bis 23Uhr gearbeitet. Das ging so 2 Wochen lang, danach hab ich ein Bescheinigung bekommen, und hatte einpaar tage später dann mein Bewerbungsgespräch. (und wurde dann auch genommen
)
So, und warum hab ich dass alles nun geschrieben? Um zu zeigen, wie verdammt schwer es war einen Ausbildungsplatz zu bekommen, obwohl ich Abi hab. Aber nicht nur das ist anspruchsvoll, auch die Aufgaben und Klausuren sind nicht ohne. Ich schneide gut ab, aber ich kenne andere, die kein Abi haben, die deutliche Schwierigkeiten haben. Ich sage nicht, dass sie doof sind, weil sie kein Abi haben bzw das Ich ein Genie bin, nur weil ich hab. Es gibt auch andere die „nur“ Fachabi oder einen sehr guten Realabschluss haben, die genauso gute oder bessere Noten bekommen als ich. Aber auch sie sagen, dass es echt mühsam und anstrengend ist, soviel wissen zu behalten und stets im Kopf abrufbereit zu haben. Nun, wenn wir schon solche Mühe haben, gut mit zuhalten, wie will denn ein Hauptschüler da mithalten. Ich will keinen Hauptschüler diskriminieren, aber ich bin der Meinung dass er/sie es einfach total schwer haben werden die Ausbildung zu schaffen. Warum ist ein/e SchülerIn auf der Hauptschule? Meistens weil er/sie „kein bock“ auf lernen hat. Ich hab auch manchmal keine Lust mich an einen schönen sonnigen Nachmittag daheim hinzusetzen und stundenlang zu pauken. Aber ich habe keine andere Wahl, denn ich muss das ganze Wissen wissen um ein möglichst guter Pfleger zu werden. Abgesehen davon bin ich verpflichtet mich stets auf den neusten Stand zu halten. Wie will ein/e HauptschülerIn dass machen?
Eine Person, die keine Lust zu lernen hat, muss erst mal Lernen lernen, die Lust dazu (wieder) bekommen, seinen/ihren Allgemeinwissen deutlich verbessern und gleichzeitig die Ausbildung machen. Klingt einwenig unrealistisch. Warum? Wären Sie motiviert, würden sie nach der Hauptschule auf die Realschule gehen.
Wie gesagt, ich will keinem zu nahe treten, aber es kann halt nicht jeder Pflegen bzw nicht jeder ist dazu geeignet. Meiner Meinung nach ist unser Job etwas ganz besonderes und sollte deswegen auch so behandelt werden. Man muss sich das Privileg verdienen um diese Ausbildung/Job zu machen. Und das verdient man sich durch einen guten Realabschluss oder höheren Abschluss!
Mit freundlichen Grüßen
Ricky