Autor Thema: Verkürzte Assistenzausbildung löst nicht das Personalproblem in der Pflege  (Gelesen 2651 mal)

Offline Thomas Beßen

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„Das Niedersächsische Ministerium für Soziales, Gesundheit und Gleichstellung lanciert heute zusammen mit dem Kultusministerium und der Bundesagentur für Arbeit eine Kampagne. Unter dem Motto „Meine Zukunft Pflege“ wird um wechselwillige Berufsabsolvent/innen aus anderen Bereichen geworben, die ab August 2021 in einem Jahr statt wie bisher in zwei Jahren zur Pflegeassistentin bzw. zum Pflegeassistenten qualifiziert werden sollen. …“

Dies & mehr unter https://mwww.dbfk.de/de/presse/meldungen/2021/Verkuerzte-Assistenzausbildung-loest-nicht-das-Personalproblem-in-der-Pflege.php

Guten Morgen!
Thomas Beßen
« Letzte Änderung: 29. Juni 2021, 07:38:36 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline ChrisWeb

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"Pflegen kann jeder"... Warum nimmt man nicht einfach Verkäufer... ach ja... hatte man ja schon (Schlecker)... :evil:

Spaß bei Seite... man hat vielleicht die Chance "mehr Hände" zu haben, die Qualität könnte dies nicht unbedingt heben. Man müsste, ähnlich wie in manchen anderen Ländern, viel mehr Unterscheidungen zwischen den Qualifikationen und Aufgaben machen. So könnten die Helfer primär für die Körperpflege, das Essen austeilen u.s.w. eingesetzt werden. Die (höher) qualifizierten Kräfte hätten dann für andere Sachen zeitlichen Freiraum...
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Offline IKARUS

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Chris, ich verstehe, was du zum Ausdruck bringen möchtest, aber ich denke auch, dass wir nicht die Körperpflege den Assistenten überlassen sollten. Besonders die Körperpflege ist so anspruchsvoll, dass ich mir das mehrfach überlege, wem ich diese Tätigkeit übertragen kann. Was ich alles wahrnehmen kann, wenn ich die Körperpflege durchführe ist sehr sehr viel. Und hier frage ich mich, ob diesem Anspruch ein KPH erfüllen kann.
 
Ich bin aber auch wohl der Meinung, dass nicht jede 3-jährig ausgebildete Pflegekraft eine gute Krankenbeobachtung sicherstellen kann. Hier sind wir aber dann im individuellen Bereich einer jeden Fachkraft, unabhängig vom Beruf.
Das kann man dann Verantwortung für den Schutzbefohlenen nennen!!

Sonnige Grüße aus Essen, Michael

Offline ChrisWeb

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Ikarus, ich verstehe auch, was du meinst. Natürlich kann man bei einer Körperrpflege sehr viel an Informationen gewinnen (Hautzustand, Wunden, Bewegungsfähigkeit,...) aber gerade die Körperpflege wird gerne mal an Schüler und zum Teil Praktikanten delegiert oder wirklich "schlecht" durchgeführt wird, da eben keine Zeit (so kenne ich das). Auch die ganzen Situationen, bei denen die Pat. (zum 10x in der Schicht) klingeln, weil diese wieder die Bettpfanne brauchen oder Unterstützung bei der Mobilisation auf den Toilettenstuhl, kann eben auch delegiert werden (sofern wenigstens Hilfspersonal zur Verfügung stehen würde, ist auch nicht auf jeder Station so). Weil auch Hilfspersonal (häufig) nicht zur Verfügung steht, muss man als Fachkraft auch regelmäßig das Essen austeilen und die Getränke bei Pat. nachfüllen (Wasserflaschen) u.s.w.... Eigentlich könnten das auch Hilfskräfte machen. Die Zeit, die eben damit "verloren" geht, fehlt an anderer Stelle...

Der aktuelle Personalstand lässt es leider nicht zu, dass man sowohl die Körperpflege, Essens-/ Getränkeversorgung, als auch medizinische Maßnahmen, Prophylaxen, Beratungen,... (einigermaßen) qualitativ durchführen kann. Fachkräfte kann man nicht von heute auf morgen "backen".

Ich mache es wenigstens so, dass ich in regelmäßigen Abständen (und bei Neuaufnahme) die Körperpflege selber durchführe (bzw. Kollegen/ Fachkräfte). So hat man Veränderungen wenigstens einigermaßen im Blick.
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Offline IKARUS

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Ich möchte noch herausarbeiten, dass Pflegehilfskräfte mit einer abgeschlossenen Ausbildung ein bestimmtes Fach-Bildungsniveau haben (sollten).
Chris, wie du schreibst, wird so Einiges an Schüler und weniger ausgebildete delegiert. Hier kommt für mich das Pflegemanagement ins Spiel. Da sollte sich der Manager fragen: Welche Pflege soll in meinem beruflichen Umfeld sichergestellt werden?  Was will ich verantworten? Aber so manche Manager schauen auch nur auf die Zahlen und die Qualität die sie PFLEGE nennen. Die Pflege-Manager (auch die im DBfK, ...) sollten auch nicht Versprechungen machen, die sie nicht erfüllen können. Fordern tun sie auch zur Genüge! 
Wenn ich mir gerade vor Augen führe, dass in Niedersachen, um dem Personalmangel zu begegnen, die Ausbildungszeit verkürzt wird, frage ich mich, was ist der Gesellschaft/Politik Gesundheit und Pflege wert?  Es ist ja dann so, dass wenn der Ministerpräsident oder andere Würdenträger aufs Bett gelegt werden, Personal um dass Bett der "Prominenten" zusammengezogen werden. Das habe ich persönlich erlebt, als wir mal den Bundespräsidenten unter unseren Fingern hatten. Er hat überlebt!!
Als SL hatte ich es so gehandhabt, dass wir Schüler oder Praktikanten dazu angehalten hatten, sich unter Aufsicht zu entwickeln, bis wir von der zu erbringenden Leistung überzeugt waren, um sie selbständig ans Bett/an den Patienten zu lassen. Auch hatten wir damals bereits die Idee "Schüler leiten eine Station"  Hat allen Spaß bereitet, besonders wenn sie Dienstpläne schreiben/entwickeln sollten.
Ich sehe es wohl ein, dass unsere Zeitfenster heute deutlich enger gezurrt wurden, als es 1985 ff war.

Regnerische Grüße aus Essen, Michael







Offline dino

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Also, jetzt bin ich aber spechless, ne. In Niedersachsen, ne, kann sowas passieren, ne. Dem Land mit Pflegekammer, dat wat alle pflegenden, war immer dat auch iss, wollen, ne. Also die absolute Pflegeelite, ne. Die Elite, die dafür sorgt, dass sie erstmal selbst versorgt iss, ne. Äh, nee, die sich um ihre Schützlinge kümmert, klaro, so war dat, ne. Also dat is ja unglaublich, ist dat ja, ne. Wie jut, dat er sowas bei uns net gibt, ne. Ironie Modus aus. Wie von mir befürchtet, eine Kammer ist erstmal für die Selbstdarsteller auf Kosten der Zwangsmitglieder.
VG
dino

Offline ChrisWeb

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Wir haben etwas sehr merkwürdiges aufzuklären.
Man stelle sich vor, alle Schüler:innen bekommen mehr, wie die 10% Anleitungsstunden, es gibt genügend (richig) ausgebildetes Fachpersonal und (gelernte) Hilfskräfte, um die "anderen" Arbeiten zu erledigen. Die Pflege wäre gerettet...
Ja, nein, doch, ohhh....
[Anspielung auf Louis de Funès, wer es noch nicht verstanden hat  :wink:]

"Schüler:innen leiten eine Station" kenne ich selber noch aus meiner Ausbildung, es scheint aber auch nicht mehr (regelmäßig) stattzufinden, obwohl ich die Idee nicht schlecht finde (die Umsetzung ist was anderes).

Ikarus, du schreibst "Als SL hatte ich es so gehandhabt, dass wir Schüler oder Praktikanten dazu angehalten hatten, sich unter Aufsicht zu entwickeln, bis wir von der zu erbringenden Leistung überzeugt waren, um sie selbständig ans Bett/an den Patienten zu lassen. " Das ist schön und auch sinnvoll,... ja auch richtig, ... [achtung jetzt kommt es]... ABER... wenn ich mich an meine Schülerzeit erinnere, war dies schon zu dieser Zeit kaum noch Realität. Heutzutage müssen (das klingt fies, ist aber so) nur noch die Stunden auf dem Papier stimmen (10% Anleiterstunden). Ob/ wie viel der Schüler wirklich gelernt hat, ist (häufig) zweitrangig.
Von einigen Stationen kenne ich es so, dass am ersten Tag auf der Station, die Station gezeigt wurde und schon mal grob der Ablauf erklärt wurde. Berechnet wurden 8 Stunden PA (auch die Übergaben waren "natürlich" PA-Zeit). Auf einer anderen Station war 2x Verbandswechsel und (ich glaube eine Infussion vorbereiten) und Gespräch auch 8 Stunden. So hat man natürlich seine 10% schnell voll bekommen. Als Schüler wurde/ wird(?) man unter Druck gesetzt, da die PAs ebenfalls die Noten auf Station geben. Daneben wird auch mal Druck gemacht in die Richtung "du wirst sonst nicht zugelassen". Kommt man nicht auf die Stunden liegt es nicht an der Personalsituation, sondern natürlich am Schüler/ an der Schülerin, dass diese sich nicht genügend "bemüht" hat.
Es gibt/ es gab bestimmt auch noch andere Ausbildungen... ich habe jedoch (leider) häufig nicht ganz so schöne Erfahrungen gemacht.
« Letzte Änderung: 01. Juli 2021, 08:17:45 von ChrisWeb »
Bachelor of Science Pflege | Gesundheits- und Krankenpfleger

Offline dino

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Mann Leute, in welchem Wolkenkuckucksheim lebt Ihr denn? In vielen Allgemeinhäusern ist man froh, wenn halbwegs eine Schicht steht. Die wird dann vielleicht von einer Frischexaminierten geführt. Dabei Schüler, Praktikanten etc. Im Nachtdienst dann eine Aushilfe. PA ist da eher lästige Nebensache. Und solche Situationen kann man von Flensburg bis Garmisch, von Dipoldiswalde bis Wittlich beobachten.

VG
dino

Offline ChrisWeb

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Mann Leute, in welchem Wolkenkuckucksheim lebt Ihr denn? In vielen Allgemeinhäusern ist man froh, wenn halbwegs eine Schicht steht. Die wird dann vielleicht von einer Frischexaminierten geführt. Dabei Schüler, Praktikanten etc. Im Nachtdienst dann eine Aushilfe. PA ist da eher lästige Nebensache. Und solche Situationen kann man von Flensburg bis Garmisch, von Dipoldiswalde bis Wittlich beobachten.

VG
dino

Tja... traurige Realität. Nicht nur im KH, auch im PH (zum Teil vielleicht noch schlimmer)...
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Offline dino

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Bevor man in die PDL abschweift muss man sicherstellen, dass auf einer Station das Mögliche auch möglich gemacht wird. Oftmals ist das Verantwortlich machen einer PDL nichts weiter als den schwarzen Peter weiterreichen. Es erschließt sich mir auch nicht, was ein Schreiben des Dienstplanes in der Grundausbildung, und nichts Anderes ist die Krankenpflegeausbildung, zu suchen hat. Erstellen eines Dienstplanes mit Hintergrund (dienstliche Abdeckung, Wunschdienstplan berücksichtigen, Arbeitszeit/Schutzgesetze beachten etc) gehört in die Weiterbildung zur Stationsleitung. Dort ist dies auch im Lehrplan fest verankert. Was man sicherstellen kann ist, dass Schüler vorrangig mit der/dem Pal zusammenarbeiten. Man kann, in Abstimmung Pal/Sl , auch den Dienstplan der Schüler an die Pal delegieren. So ist sichergestellt, das Schüler nicht hinter der Pal "herrennen" müssen. Man muß auch immer wieder von der Jetztsituation in die Zukunft sehen. Rechtzeitig neue Pal zur Weiterbildung aussuchen und motivieren und den zukünftigen Bedarf der PDL melden. Dies klappt aber nur, wenn die Besetzung einer Station noch hinhaut, der Rest des Teames gewachsen ist und ebenso Zusammenhänge erklären kann, Verständnis für Schüler herrscht und diese nicht als billige Arbeitskräfte angesehen werden. Auch wenn dieses Jahr mehr Schüler zur Verfügung stehen, ist dies erstmal eine Kraftanstrengung für die Teams. Zudem auch die Schulen nicht unbedingt mit genügend Lehrkräften gesegnet sind. Man muss versuchen, schon die FSJ zu sensibilisieren und zur Ausbildung zu motivieren. Dies bedeutet jedoch auch, FSJ nicht als Lückenbüßer und billige Arbeitskräfte zu sehen. In vielen Allgemeinhäusern ist dies leider nicht der Fall.

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dino
« Letzte Änderung: 01. Juli 2021, 11:56:45 von dino »