Autor Thema: Auf die Krankenhäuser rollt eine Katastrophe zu  (Gelesen 2213 mal)

Offline Thomas Beßen

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Auf die Krankenhäuser rollt eine Katastrophe zu
« am: 27. März 2021, 08:28:08 »
„Schon bald könnten Mediziner gezwungen sein zu entscheiden, welchen Covid-Patienten sie helfen und welchen nicht. Doch an das Personal in den Kliniken denkt gerade niemand. ...“

>>> https://www.sueddeutsche.de/gesundheit/corona-kommentar-triage-intensivstation-1.5247800

Grüße des Chronisten
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline dino

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Re: Auf die Krankenhäuser rollt eine Katastrophe zu
« Antwort #1 am: 27. März 2021, 17:19:14 »
Ein ziemlich polemisierender Artikel. Schon in "normalen" Zeiten wird in den ZNA`s nach Priorität gearbeitet. Eine Triage ist letztendlich nichts Anderes als ein priorisierendes Arbeiten unter erschwerten Bedingungen.

Die Triage, zur Erinnerung, ist ein Konzept der Militärmedizin, sie soll Ärztinnen und Ärzten helfen, die extrem schwierige Entscheidung zu treffen, welcher Patient unter großer Knappheit an Personal und Material zu retten ist; und welchen man sterben lässt. Allein, dass es nötig ist, solche Fragen überhaupt zu diskutieren, scheint offenbar niemanden zu stören.
Andersrum wird auch ein Schuh draus. Die Trage hilft uns Rettbare Patienten zu Retten. Ein Charakteristikum jeder Katastrophe ist das Mißverhältnis zwischen Schaden und Hilfsmöglichkeiten. Nehmen wir beispielsweise ein Erdbeben mit Tausenden Opfern. Für die chirurgische Versorgung eines Polytraumas benötigt ein Traumateam mehrere Stunden bei vollem Materialeinsatz. Dies hat man aber nach einem Erdbeben nicht zur Verfügung. In der Zeit, wo also 1 Polytrauma versorgt wird, sterben mehrere andere Verletzte weil ihnen keine Versorgungskapazizät zur Verfügung steht.

Viele Ärztinnen und Ärzte, viele Pflegekräfte fühlen sich im Stich gelassen
Seit Wochen und Monaten warnen alle seriösen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler vor der Mutante B 1.1.7., vor großem Leid, das über das Land kommt - aber ihre Stimmen verhallen im Berliner Regierungsnebel. "Wenn voll ist, ist voll", sagen manche Intensivmediziner und zucken mit den Schultern; das wirkt pragmatisch, ist aber Zeichen von Resignation und Frustration. Gerechnet wird in Betten und Beatmungsmaschinen, das passt ja auch ganz wunderbar zu diesem anonymen Wörtchen "Gesundheitssystem".


Blödsinn. Unser föderales System ist eben vielschichtig und für Viele kompliziert. Als damals unsere Föderation aus der Taufe gehoben wurde wollte man die Fehler der Vergangenheit vermeiden. So trennte man den Zivilschutz und den Katastrophenschutz. Den Ländern war die übrigens ganz Recht, denn es lag in ihrer Hoheit wieviel sie denn nun in den Katastrophenschutz an Mitteln steckten. Der Bund hatte dafür kein direktes Weisungsrecht in punkto Katastrophenabwehr an die Länder. Schon bei der Hamburger Sturmflut zeigte sich, das diese Lösung nur suboptimal war. Das Kind war im Brunnen, sprich, die Länder beharrten auf ihre Kompetenzen. Natürlich muss den den Standesvertretern der Pflege den Vorwurf machen, in den Curriculums einen Pflichteinsatz auf Intensiv zu negieren. Statt dessen präferieren Pflegefetischisten weniger relevante Einsätze. Hier zeigt sich, das Dogmen mehr wert sind als Menschenleben.

Doch es sind Menschen mit Seelen und Sorgen, die Tag und Nacht unter Vollschutz hochinfektiöse Patienten auf Intensivstationen zu versorgen haben. Es sind Menschen in diesem "System", die sich davor fürchten, tatsächlich schon bald entscheiden zu müssen, welche ihrer Patienten sie versuchen zu retten, und welche nicht. Es sind Menschen an vorderster Front der Pandemieabwehr, die sich nun ungebeten und eigentlich vermeidbar mit dem Strafrecht beschäftigen müssen - ist eine Triageentscheidung gegen das Leben eines Patienten eigentlich Totschlag durch Unterlassen?
Viele Ärztinnen und Ärzte, viele Pflegekräfte fühlen sich im Stich gelassen und fragen sich, wie sie dem enormen Druck noch länger standhalten können, während der Staat versagt, seine Bürgerinnen und Bürger und, ganz wichtig, auch sein medizinisches Personal zu schützen. Das konsequente Ausblenden aller Warnhinweise führt dazu, dass das Krankenhauspersonal zum letzten Prellbock der Gesellschaft wird. Aber klar, die Intensivmedizin wird das Schlamassel schon irgendwie richten - das ist der unausgesprochene, aber immer mitgedachte Satz. Bis zum Kollaps.


Also meine Hauptsorge ist erstmal aufzupassen um mich nicht zu infizieren. Ich trage meine PSA, kann mich testen, und weiß, es gibt keinen sicheren Ort. Am Sichersten bin ich auf der Arbeit. Und so lange ich Geschmack habe mache ich ir keine Gedanken. Und nun wird es vollkommen Abstrus und bizarr: Eine Triage hilft Leben retten, sie ist kein Totschlag durch unterlassen. Kein Wunder, das nach solchen Artikeln Facebook mehr glauben als der Presse. Die Realität wiedergeben sollte auch für eine linksliberale Zeitung gelten. Und die Realität ist, wir werden Corona besiegen. Es mag Opfer kosten, aber wir werden es schaffen. Eine Katastrophe ist nunmal kein Fußpilz.

VG
dino
« Letzte Änderung: 28. März 2021, 14:29:15 von dino »