Autor Thema: zweiter Versuch... (Infusion)  (Gelesen 21334 mal)

Offline Thomas Beßen

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zweiter Versuch... (Infusion)
« am: 23. Juni 2006, 11:54:02 »
Unter einer Infusion (lat.: infusum – einfließen) versteht man das meist langsames, tropfenweises Einfließen größerer (arzneimittelhaltiger) Flüssigkeitsmengen in den Körper i. d. R. über einen venösen Zugang.

Das Ziel einer Infusion ist die Aufrechterhaltung bzw. die Wiederherstellung der Homöostase (= relativ konstantes inneres Milieu oder Gleichgewicht) durch parenterale Zufuhr von Flüssigkeiten.



1.    Grundlagen


Osmose, Diffusion, Isotonie, Filtration < > Resorption, Blutdruck < > onkotischer Druck usw..

onkotischer Druck gleich kolloidosmotischer Druck; der osmotische Druck einer kolloidalen Lösung; in biologischen Substraten als „onkotischer Druck“ wegen der Größe der Kolloide, z.B. Proteine, meist relativ niedrig, weist aber substratbedingt entsprechend große Differenzen auf (beträgt z.B. im Plasma 25, im Interstitium 2 mm Hg)
Roche Lexikon Medizin

Unterscheidung zwischen Suspension und Emulsion usw. (s. auch ANHANG)

Suspension - Aufschwemmung von feinen, nicht löslichen Teilen in einer Flüssigkeit;
Emulsion - Dispersion [instabile physikalische Mischung] von zwei oder mehr ineinander nicht lösl. Flüssigkeiten, von denen eine i.a. wässrig ist; unterschieden werden Öl-in-Wasser- [z.B. Milch] und Wasser-in-Öl-Emulsionen [z.B. flüssige Butter]
Psychrembel


grundsätzliche Indikationen:
•   Erhaltung
•   Ersatz
•   Korrektur
•   spezielle Therapie


konkrete Anwendungen:
•   Regelung des Wasser- und Elektrolythaushaltes (Erhaltungs- und Korrekturtherapie)
•   parenterale Ernährung (teilweise bis total)
•   Applikation von Medikamenten über Trägerlösungen (rasch, gut kontrollierbar, einziger Zugang
     für bestimmte Medikamente)
•   Volumenexpansion
•   Regelung des Säure- und Basenhaushaltes und BGA
•   spezielle Therapie (z.B. forcierte Diurese usw.)
•   Offenhalten von Zugängen (bei häufigen i.v.-Injektionen, Blutentnahmen)


Infusionslösungen:
•   Elektrolytlösung
•   Kohlenhydratlösung
•   Aminosäurelösung
•   "Mischlösungen" (z.B. Kohlenhydrate/Elektrolyte) als sog. Nährlösungen
•   Lösungen zur Volumenexpansion und bei Mikrozirkulationsstörungen
•   Speziallösungen (z.B. Onko- und Osmotherapeutika)

Wahl der Infusionslösung nur nach ärztlicher Verordnung


Die Infusionsdauer und Infusionsmenge richtet sich nach der ärztlichen Verordnung.
Man unterscheidet Kurzinfusionen und Dauerinfusionen.


Die Applikationsart ist intravenös (sehr selten auch subkutan, intraarteriell oder intraossär [direkt mit Punktionsnadel in die Tibia; bei Kleinkindern im Notfall wenn z.B. durch Schock keine Venen mehr zugänglich sind; s. Pflege Heute]).



2.    Technik


Behälter: Glas oder Kunststoff (hart/weich)


Infusionsbesteck:
•   Infusionsschlauch (Plastikschlauch als Verbindungsstück von Behälter zu Kanüle/Katheter)
•   Tropfkammer
•   Belüftungsventil mit Bakterienfilter
•   Zusatzstücke: Dreiwegehähnchen, Y-Verbindungsstück, Mehrfach-Verbindungsstücke, Zuspritzvorrichtung


Infusionsgeschwindigkeit ist abhängig von
•   Druckunterschied (Höhe zwischen Flüssigkeitsspiegel der Infusion und Verweilkanülen- bzw.
     Katheterspitze im Patienten)
•   Querschnitt des Leitungssytems (DIN-Norm, aber Abknickungen, Veränderungen durch Rollklemmen
     u.a.m. möglich)
•   Viskosität/Dichte/Temperatur der Infusionslösung
•   Belüftung/evtl. Filter
•   Widerstand am Patienten (Venendruck, evtl. Thrombosierung der Spitze des Katheters, Umknickung
     oder Einschwemmung in enge Gefäße, Anliegen an Venenwand u.a.m.)


Regelung der Infusionsgeschwindigkeit
•   zunächst: Gewährleisten des freien Durchflusses (Spülen, Abknickungen vermeiden,
     evtl. Schienen des Unterarmes)
•   Einstellen über Rollklemmen
•   Zwischenschalten von Flussregulatoren möglich


Verwenden von Infusionspumpen und -Spritzen
•   bei Infusionen von hochprozentiger Glucoselösung, Insulin, Vasopressoren, gewissen Vasodilatatoren,
     Heparin und weiteren Medikamenten sowie bei speziellen Krankheitszuständen nach Verordnung

Probleme der Volumenmessung über Tropfen...


Temperatur der Infusionslösung
Bei gebräuchlicher Infusionsgeschwindigkeit soll die Flüssigkeit Zimmertemperatur (18-20 Grad C) haben. Aufwärmen von gekühlten Lösungen nur durch Aussetzen an Zimmertemperatur, nie auf Heizung legen oder dergleichen. Unter gewissen Umständen (Druckinfusion von großen Mengen noch gekühlter Lösung oder auch Flüssigkeiten mit Zimmertemperatur) wird die Infusion mit speziellen Wärmegeräten aufgewärmt.



3.    Vorbereitung


Material:
•   Infusionsständer oder Haken
•   Infusionslösung mit Infusionsbesteck, Zusätze und Aufhängevorrichtung
•   selbstklebendes Etikett oder Filzstift
•   Desinfektionsmittel und evtl. Tupfer
•   evtl. Material für Venenpunktion, Venenkatheterismus
•   evtl. Lagerungskissen, Bettschutz, Armschiene

Patient:
•   Information/Orientierung über Sinn und Dauer der Infusion
•   Instruktion von Maßnahmen bei Komplikationen

Infusion:
•   Händedesinfektion
•   Vorbereiten der Infusion immer erst kurz vor der Anwendung durchführen (Kontamination,
     Bakterienwachstum, Zerfall von Medikamenten)
•   Infusionslösung prüfen (Etikett: Inhalt, Verfalldatum)
•   Verschluss aseptisch öffnen, Stopfen bei nicht hermetischer Dichtung desinfizieren
•   Flasche stehend, Beutel liegend
•   nach Verordnung Medikamente durch Zuspritzvorrichtung (gleicht Drücke aus) in Behälter spritzen
•   Infusionsschlauch sofort an richtiger Stelle durch Durchstechen des Stopfens/Gummis mit Dorn
     anschließen und schließen (Rollklemme)
•   Infusion beschriften: Name, Vorname, Zimmer, geplante Infusionsdauer, Zusätze, Datum und Uhrzeit,
     evtl. Zeitskala erstellen
•   Infusion aufhängen
•   2/3 Füllung der Tropfkammer durch deren Kompression
•   Infusionsschlauch blasenfrei füllen durch Senken nach unten; durch langsames Öffnen der Rollklemme
     Flüssigkeit abfließen lassen, bis sie am Ende austritt und Schlauch luftleer ist
•   Rollklemme schließen
•   bei Weichplastikbehälter Belüftungsventil geschlossen lassen



4.    Anlegen, Kontrolle, Auswechseln...


Anlegen der Infusion
•   Händedesinfektion/evtl. Handschuhe (bei giftigen Substanzen)
•   Kontrolle der Infusion (Flüssigkeit, Zusätze, Patient)
•   aseptisches Anschließen der Infusion, dabei Rückfluss von Blut und Eintritt von Luft unbedingt
     verhindern, z.B. durch manuelle Kompression der Venenzugangsspitze und Vene
•   bei Kathetern ist der Einsatz von Dreiwegehähnen ratsam
•   Infusion beginnen durch Öffnen der Rollklemme
•   Kontrolle der Durchgängigkeit evtl. durch Senken des Behälters, bis Blutrückfluss sichtbar
•   Kontrolle der Einstichstelle (Dichtigkeit, Anschwellen der Subkutis)
•   Infusionsgeschwindigkeit/Tropfenzahl bei gestrecktem Arm einstellen (Leitung ohne Abknickung),
     Zeitskala notieren/markieren, Dokumentation
•   Fixation durch Anlegen einer kurzen Schleife und Fixation an Haut mit Heftpflaster
•   bei unruhigen Patienten (und klarer Rechtslage!): Fixation des Armes (Schiene), Anlegen
     von Faustverbänden oder Befestigung der Arme am Bett


Kontrolle der Infusion
•   Zustand des Patienten: Vitalzeichen und Erscheinungsbild?
•   Venenzugangsstelle: unauffällig und reizfrei oder evtl. paravenös und/oder Entzündungszeichen?
•   Dichtigkeit des Systems (Kupplungen, Einstichstelle), Abknickungen?
•   Infusionsgeschwindigkeit und -Vorgang (in ml/Std., Restvolumen?, Pumpenfunktion?)


Auswechseln der Infusion
•   Händedesinfektion
•   grundsätzlich: spätestens nach 24 Std. gesamte Infusion (Behälter und Besteck) wechseln
•   meist zusammen mit Katheterpflege
•   Infusionsschlauch schließen (Rollklemme)
•   neue Infusion vorbereiten: aseptisches Entfernen des Verschlusses, Desinfektion
•   alte Infusion abnehmen, Einstechen des Besteckdornes usw. (s.o.)
•   Öffnen der Rollklemme
•   Kontrolle, ob Infusion läuft; Einstellen der Infusionsgeschwindigkeit/Tropfenzahl
•   Dokumentation
•   Eintrag in Bilanz


Entfernen der Infusion
•   Händedesinfektion
•   Stoppen der Infusion (geschieht häufig mit Entfernen des Venenzuganges/Venenkatheters)
•   Infusionsbesteck als infektiös betrachten!
•   Restflüssigkeiten evtl. in Bilanz miteinberechnen


Komplikationen
•   zu rasche Infusion (Volumen, Medikamente)
•   zu langsame Infusion
•   Infusion falscher Lösung (Art, Medikamente) oder von Luft
•   Infusion durch falschen Zugang (z.B. hochprozentige Glucose oder bestimmte Medikamente
     durch einen peripheren Venenzugang)
•   Embolie (Koagula)
•   Herausreißen oder Beschädigung des Venenkatheters oder des Infusionsschlauchs
     (Verbluten, Infektion, Luftembolie, Katheterembolie)
•   Verbluten bei undichtem System, Nachblutung nach Entfernen



5.    Beachtungspunkte


•   Infusionslösungen bzw. -Systeme müssen absolut steril gehandhabt werden (Behälter, Schlauch,
     Kupplungsstücken, Dreiwegehähne, Verlängerungen u.a. - Abkopplung nur, wenn wirklich nötig!)
•   häufige Kontrollen sind angezeigt
•   wegen Druckerhöhung nie bei hängender Flasche in diese zuspritzen!
•   keine Zufuhr von Luft um vermeintlich Druck zu erhöhen!!!
•   zusätzliche Belüftung durch Kanüle aus hygienischen Gründen untersagt!
•   bei Komplikationen Infusion sofort stoppen, Leitung belassen, Arzt rufen und Patienten überwachen
•   E’lyte nie direkt i.v.; nur verdünnt mit Infusionslsg., am besten über eine Infusionspumpe
     (nur bei geringen Zusatz auch ohne Pumpe)
•   Aminosäuren immer parallel zu Kohlenhydraten um Ab- und Umbau zu gewährleisten
•   hypertone Lsg. immer über zentralen Venenzugang infundieren – Gefahr der Venenwandreizung



6.   Rechnerisches Bestimmen der Tropfenzahl nur als mentales Training oder als Kontrolle im Zweifelsfall… - (sollte man drauf haben)






ANHANG


Onkotherapie =
1.   Behandlung von malignen Tumoren
2.   Wiederherstellung normaler kolloidosmotischer Verhältnisse (z.B. durch Plasmaexpander)
Roche Lexikon Medizin


Kolloide =
•   Stoffe, die sich in einem Verteilungszustand befinden, bei dem das Vorhandensein disperser Teilchen
     nur ultramikroskopisch, nicht aber makro- oder mikroskopisch erkennbar ist
•   Teilchengröße ca. 1 – 100nm (größer 100 nm = Suspension; kleiner 1nm = „echte“ Lösungen,
     z.B. Kochsalzlösung)
Pschyrembel

1 Nanometer (nm) = 1m-9 = 1000stel Mikrometer (μm)
1 Mikrometer (μm) = 1m-6 = 1000stel Millimeter (mm)
1 Millimeter (mm)   = 1m-3 = 1000stel Meter (m)













Quellen:
Pflege Heute, Urban & Fischer
Pflege, Thieme
Klinikleitfaden Pflege, Maletzki,W.
Pflegeleitfaden, Kirschnick,O.
Checkliste Pflege, Huber,A.

s. auch z.B.:
http://olc.chirurgie-goettingen.de/braunuele_isdn.mov


- ohne Gewähr -
« Letzte Änderung: 24. April 2008, 11:33:57 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Thomas Beßen

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Re: zweiter Versuch... (Infusion)
« Antwort #1 am: 10. Dezember 2008, 20:23:04 »
Ergänzend hier Ausarbeitungen der bekannten Infusionsprofis aus Melsungen: http://www.bbraun.de/cps/rde/xchg/bbraun-de/hs.xsl/products.html?id=00020741570002086079&prid=PRID00003006
Guten Abend!
Thomas Beßen

« Letzte Änderung: 16. März 2010, 13:18:10 von Thomas Beßen »
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Re: zweiter Versuch... (Infusion)
« Antwort #2 am: 25. Juni 2010, 11:58:48 »
Hier sieht man u.a. Beispiele von hermetisch versiegelten Verschlusskappen üblicher Infusionsflaschen. Eine Sichtprüfung auf evtl. Beschädigungen, Veränderungen bzw. Verschmutzungen reicht in der Regel aus.
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.