Autor Thema: Tabakentwöhnung anlässlich eines Klinikaufenthalts  (Gelesen 5004 mal)

Offline Thomas Beßen

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Tabakentwöhnung anlässlich eines Klinikaufenthalts
« am: 22. Januar 2009, 14:37:04 »
"Tabakentwöhnung anlässlich eines Klinikaufenthalts: Die Erfolgsquoten sind beachtlich." so beginnt ein Bericht der Bundesvereinigung Prävention und Gesundheitsförderung e.V. und führt dazu noch Folgendes aus:

"In fast allen Krankenhäusern in Deutschland gilt heute ein Rauchverbot, oftmals sogar im Außenbereich. Raucher müssen zumindest vorübergehend auf ihr Laster verzichten. Daher scheint es naheliegend, den Rauchstopp in einen freiwilligen und dauerhaften Nikotinverzicht zu überführen. Ärzte oder anderes medizinisches Personal können dazu Hilfe leisten. In den USA gilt die Beratung von Rauchern unter den Klinikpatienten zur Tabakentwöhnung inzwischen als Indikator der Versorgungsqualität.

Doch wie erfolgreich sind solche Interventionen? Ist mit der Entlassung aus dem Krankenhaus und der Wiederherstellung der Gesundheit womöglich auch der Wille zum Tabakverzicht schnell vergessen? Eine Meta-Analyse von insgesamt 33 Interventionsstudien, überwiegend aus Ländern in Nordamerika und Europa, hat jetzt deren Erfolg oder Misserfolg noch einmal näher unter die Lupe genommen. Alle Studien waren zwischen 1990 und 2007 durchgeführt worden. Einschlusskriterium war eine Randomisierung der Teilnehmer, also eine zufällige Zuweisung zu einer Interventions- oder Kontrollgruppe sowie eine Verlaufskontrolle über mindestens 6 Monate.

Die Dauer der ersten Beratung variierte erheblich und lag zwischen 5 und 60 Minuten. In den allermeisten Fällen wurde diese Beratung durch einen Krankenpfleger oder eine Pflegerin oder einen speziell ausgebildeten Trainer durchgeführt, in jeder dritten Studie war zumindest kurzfristig auch ein Arzt beteiligt. Einige Studien boten nur diese einmalige Beratung, in anderen Projekten wurde bis zu 6 Monate nach der Entlassung aus dem Krankenhaus noch Unterstützung gewährt. In insgesamt sechs Projekten wurde auch der Erfolg einer medikamentösen Therapie, und zwar ganz unabhängig von Informations- und Beratungsmaßnahmen  geprüft. Bei diesen Therapien kamen Nikotinersatzpräparate oder das Psychopharmakon Bupropion zum Einsatz.

Zur Überprüfung des Erfolgs der verschiedenen Interventionen wurden diese zunächst nach der Intensität der Beratung in vier Gruppen eingeteilt:

(1) Einmalige Beratung im Krankenhaus von maximal 15 Minuten, nach Entlassung keine Unterstützung
(2) Ein- oder mehrmalige Beratung im Krankenhaus von mehr als 15 Minuten Dauer, nach Entlassung keine Unterstützung
(3) Beliebige Häufigkeit und Dauer der Klinikberatung, nach Entlassung weitere Unterstützung bis zu einem Monat
(4) Beliebige Häufigkeit und Dauer der Klinikberatung, nach Entlassung auch länger als ein Monat weitere Unterstützung
 
Für die Typen 1-3 fand sich kein positiver Effekt im Vergleich zu Kontrollgruppen, d.h. diese Minimalformen der Beratung zur Tabakentwöhnung sind nicht wirksam. Insgesamt 17 Studien, die dem Typus 4 zuzuordnen waren, zeigten hinsichtlich des Erfolgs dann jedoch einen sehr deutlichen Positiveffekt. Die Wahrscheinlichkeit, dass Teilnehmer der Interventionsgruppe mit längerfristiger Unterstützung auch nach mindestens 6 Monaten (überwiegend sogar nach 12 Monaten)  noch rauchfrei sind, lag zwischen 1,14 und 5,73 (Odds-Ratio). Gewichtet man diese Studien nach der Zahl der Teilnehmer, dann liegt die Erfolgswahrscheinlichkeit im Mittel bei 1,65. Liegt die Erfolgsquote in einer Studie in der Kontrollgruppe zum Beispiel bei 20% und beträgt die Odds-Ratio 1,65 dann wäre die Erfolgsquote in der Interventionsgruppe 33%.

Detaillierte Angaben, wie viel Prozent der Teilnehmer nach 6 oder 12 Monaten noch nikotinfrei sind, findet man in der Meta-Analyse leider nicht. Ruft man dazu die Originalstudien auf, so finden sich hierzu sehr unterschiedliche Quoten, die in vielen Fällen in der Interventionsgruppe bei 20-40 Prozent liegen.

Da in einem Teil der Interventionsstudien parallel zur Beratung auch eine medikamentöse Therapie (Nikotinersatzpräparate, Bupropion) eingesetzt wurde, überprüften die Wissenschaftler auch den Beitrag dieser Nikotinersatztherapie. Dazu wurden die Effekte  jener Studien gesondert betrachtet, die allein mit Beratung gearbeitet hatten. Hier zeigte sich, dass der Effekt ein wenig geringer ausfiel, aber immer noch statistisch signifikant war. Die Odds-Ratio lag nun bei 1,36. Das heißt, dass eine zusätzlich zur Beratung und sozialen Unterstützung eingesetzte Nikotin-Ersatztherapie nicht unbedingt erforderlich ist, aber die Erfolgswahrscheinlichkeit noch ein wenig erhöht.

Die positiven Befunde für die Effekte der Beratung bestätigten sich auch, wenn man die Studien nach verschiedenen Merkmalen unterschied (medizinische Kontrolle des Nikotinverzichts, Entschlossenheit zur Tabakentwöhnung usw.) Die Wissenschaftler überprüften schließlich auch noch, ob die jeweiligen Erkrankungen, aufgrund derer die Teilnehmer in der Klinik waren, einen Einfluss hatten. Im Vergleich aller Patienten mit der Teilgruppe nur jener, die von Herz-Kreislauf-Erkrankungen betroffen waren, zeigte sich: Die Erfolgwahrscheinlichkeit einer Intensivberatung (wie oben Typus 4) war bei Herz-Kreislauf-Patienten noch höher: Die Ausstiegswahrscheinlichkeit war nach 6 Monaten oder noch später 1,8mal so hoch wie in der Kontrollgruppe.

Kostenlos verfügbar ist ein Abstract der Studie:
Nancy A. Rigotti, Marcus R. Munafo, Lindsay F. Stead: Smoking Cessation Interventions for Hospitalized Smokers. A Systematic Review; Archives of Internal Medicine 2008;168(18):1950-1960
http://archinte.ama-assn.org/cgi/content/abstract/168/18/1950"


Die Prävention spielt ein große Rolle beim Themenbereich 3 ("Unterstützung, Beratung und Anleitung in gesundheits- und pflegerelevanten Fragen fachkundig gewährleisten").
Sonnige Grüße vom Rhein!
Thomas Beßen

Quelle: http://www.bvpraevention.de/cms/index.asp?inst=bvpg&snr=7161
 

Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.