Autor Thema: Neue tiergestützte Therapie in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie GI  (Gelesen 8557 mal)

Offline Thomas Beßen

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Pferde als Therapeuten

"Bevor sie das erste Mal auf der Stute Nelli saß, hatte Irene Weller (Name von der Redaktion geändert) mit Pferden wenig am Hut. Überhaupt interessierte die 53-jährige schon lange nichts mehr. Wochenlang verließ die arbeitslose Kauffrau kaum das Bett, schlief oder döste mehr als zwölf Stunden am Tag und ignorierte jedes Klingeln des Telefons. Stattdessen grübelte sie viel - alles erschien ihr schrecklich sinnlos. Weller litt an einer schweren Depression.
Besorgte Freunde brachten sie schließlich in die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen in der Licher Straße. Als sie in eine stationäre Therapie einwilligte, wünschte sie sich nur „endlich wieder besserer Stimmung zu sein und nicht nur antriebslos im Bett zu versacken“. Dass ihr dabei ein Pferd helfen würde, hätte sie zu diesem Zeitpunkt für Unsinn gehalten. Doch wenn man sie nach einigen Wochen Behandlung beobachtet, sieht man einen deutlichen Fortschritt: sie wirkt entspannter, kann besser schlafen und hat, mit der Freude auf die wöchentlichen Therapiestunden, wieder insgesamt mehr Antrieb und Lebensfreude zurückerhalten.
So oder so ähnlich sehen die Ergebnisse aus, die man häufig im Verlauf einer tiergestützten Therapie beobachten kann. Tiergestützte Therapien können – wie auch wissenschaftlich belegt wurde - andere therapeutische Maßnahmen sehr sinnvoll ergänzen. Vielfach sind Pferde hervorragende „Therapeuten“, nehmen sie doch den Menschen an, so wie er ist. Die Interaktion zwischen Mensch und Pferd ist nonverbal, eine überwiegend analoge Kommunikation, d.h. die Sprache steht im Hintergrund. Körperliche Ausdrucksfähigkeit, Gestik, emotionale Intention und die Echtheit der Beziehung sind wesentlich bei dem gemeinsamen Erleben mit dem Pferd, hinzu kommen Körperwahrnehmung und Körperkontrolle (Balance) beim Reiten. Die direkten Reaktionen des Pferdes lassen die Aufmerksamkeit fokussieren, sie können als Spiegel von Seelenzuständen erlebt und genutzt werden und verhelfen zu Entspannung und Selbstbewusstsein. Dies sind unter anderem die Gründe, warum seit September dieses Jahres die Therapie mit den Pferden erstmalig in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen angeboten wird.
Der Ärztlicher Direktor Privatdozent und Diplom-Psychologe Matthias J. Müller erklärt: „Zwischen Pferd und Mensch entsteht ein Bewegungsdialog, der Anspannungen löst und Ressourcen aktiviert (Empowerment)“.
Einmal in der Woche fährt die leitende Ergotherapeutin der Gießener Klinik, Ursula Ritter, mit einer kleinen Gruppe Patienten in einem Kleinbus von Gießen in die Gemeinde Schöffengrund. In dem kleinen Ortsteil Oberwetz wartet Monika Prinz, die Inhaberin des Zucht- und Ausbildungsstalls „Dülmener vom Köhlerberg“ mit ihrer Herde Ponys auf sie. Diese eignen sich aufgrund ihrer besonderen Charaktereigenschaften besonders für die Arbeit auch mit völlig pferdeunerfahrenen Menschen. Sind sie doch nervenstark, freundlich und zutraulich und wegen ihrer Robusthaltung sehr ausgeglichen. In der besonderen Landschaft des Vordertaunus können Patienten neue Erfahrung sammeln, bewegen und entspannen und mit Hilfe der Pferde an ihren seelischen Problemen arbeiten.
Die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie Gießen in der Licher Straße gehört zum Zentrum für Soziale Psychiatrie Mittlere Lahn. In ihm sind verschiedene, psychiatrische Einrichtungen in Gießen, Marburg und Hanau zusammen gefasst. Am Standort Gießen befindet sich neben der Klinik auch die Geschäftsführung und die Verwaltung des Zentrums.
Gesellschafter des Zentrums sind die LWV-Gesundheitsmanagement sowie der Landeswohlfahrtsverband Hessen."

aus: http://www.giessener-zeitung.de/giessen/beitrag/4634/neue-tiergestuetzte-therapie-in-der-klinik-fuer-psychiatrie-und-psychotherapie-giessen-pferde-als-therapeuten/; Weiteres hier: http://www.tiergestuetzte-therapie.de/

Gute Nacht!
Thomas Beßen
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Offline NilsK05

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Es grüßt der Stationshund Beppo...

Offline Thomas Beßen

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Beppo ist ja auch ein echter Prachtkerl, oder?  :lol:


Die ZEIT z.B. schrieb schon 1991 zum allgemeinen Thema "Tiere als Therapie":

"Seit langem sind Hunde unersetzliche Begleiter sehbehinderter Menschen. Auch zum „Hörhund" für Taube lassen sich die anstelligen Vierbeiner trainieren. Sie reagieren auf Telephonklingeln, Feueralarm und ähnliche Signale. Selbst als „Nachtschwester", die bestimmte Merkmale im Befinden von Patienten anzeigt, können Hunde abgerichtet werden. Solche Aufgaben allerdings erscheinen vergleichsweise konventionell, gemessen an den neuesten Verwendungsmöglichkeiten, die sich amerikanische Wissenschaftler für des Menschen liebstes Haustier ausgedacht haben: Sie sehen den Hund der Zukunft vor allem als seelische Stütze und Psychotherapeutikum für Depressive und Kranke, für Alte und Einsame, für Kinder, Gefangene und Benachteiligte.

Schon seit Jahren haben Mediziner und Psychologen Beweise für die Vermutung gesammelt, daß Hundehalter glücklicher, gesünder und länger leben als andere Menschen. Damit begann zunächst schüchtern ein interdisziplinärer Forschungszweig, der nach der Wechselbeziehung von Mensch und Haustier fragt. Der Forschungsgegenstand allerdings ist bislang noch so neu, daß kaum verbindliche Ergebnisse vorliegen, ja daß nicht einmal feststeht, welche konkreten Forschungsziele verfolgt werden sollen, geschweige denn mit welchen Methoden. Pilotstudien immerhin haben gezeigt, daß die neue Disziplin wichtige Erkenntnisse für die verschiedensten Bereiche von Psychotherapie und Sozialarbeit anbietet. .

So setzt der Psychiatrieprofessor Samuel A. Carson von der Staatsuniversität Ohio beispielsweise Hunde erfolgreich in der Behandlung schwer kontaktgestörter, gemütskranker Menschen wie etwa Schizophrener ein. Die Patienten, die zuvor meist völlig desinteressiert an ihrer Umwelt waren, akzeptierten dankbar ihre vierbeinigen Begleiter, machten mit ihnen Spaziergänge, hätschelten und pflegten sie. Und mehrere begannen dadurch, zur allgemeinen Verwunderung, auch wieder mit anderen Menschen zu reden. Einige sehr gestörte Patienten konnten nach dieser Haustiertherapie sogar aus der Klinik entlassen werden. Das ist um so bemerkenswerter, als sich die Isolation bei Schizophrenen nur schwer durchbrechen läßt.

Der französische Veterinär Ange Condoret ging ähnliche Wege bei autistischen Kindern, die — in völliger innerer Abgeschiedenheit lebend — zu jeglicher Kommunikation unfähig sind. Condoret richtete ein Kinderzentrum für die Kommunikation zwischen Mensch und Tier ein. Dort finden autistische Kinder auf dem Umweg über das Tier angeblich besseren. Kontakt zu ihren Mitmenschen. Nach Condorets Angaben lassen sich auch vergleichsweise harmlosere kindliche Probleme wie Bettnässen und Alpträume dadurch lindern, daß man dem betreffenden Kind erlaubt, ein Haustier zu halten.

Ebenso dankbare Adressaten für eine Haustiertherapie scheinen alte Menschen zu sein, hat der britische Verhaltensforscher Roger Mugford festgestellt. Er hat in Yorkshire eine Gruppe von Männern und Frauen jenseits des 70. Lebensjahres untersucht. Die Hälfte von ihnen wurde zu gärtnerischen Bemühungen angehalten und sollte Begonien pflegen. Die andere Hälfte erhielt einen Wellensittich als Hausgenossen einquartiert. Die Vogelfreunde erwiesen sich nach einiger Zeit als die sozial Aktiveren und Beweglicheren: Sie hatten mehr Freunde, öfter Besuch und überhaupt mehr Kontakte. Sie wurden seltener krank, und nur wenige von ihnen starben im Beobachtungszeitraum.

Ähnliche Beobachtungen behauptet der amerikanische Psychiater Aaron Katcher bei Herzpatienten gemacht zu haben. Zu seinem Erstaunen steigerte das Zusammenleben mit einem Haustier offenbar die Lebenserwartung seiner Patienten. Hunde, Katzen und Fische hatten dabei die gleiche Wirkung wie in einem Fall sogar ein Leguan.

Den Grund dafür könnten die Psychiater James Lynch und Erika Friedmann von den Universitäten Maryland und Pennsylvania entdeckt haben. Sie fanden nämlich heraus, daß Haustiere den menschlichen Blutdruck günstig beeinflussen: Während der Dialog mit einem Menschen den Blutdruck steigere, bleibe er im Gespräch mit einem Haustier gleich oder sinke sogar. Selbst die bloße Anwesenheit eines Hundes im gleichen Zimmer könne den Blutdruck senken, ebenso wie der Blick auf ein Aquarium mit Fischen.

Wer englischsprachige Wissenschaftszeitschriften liest, kennt solche Untersuchungen zur Genüge. Blätter wie der britische New Scientist informieren seit Jahren immer wieder über Forschungen zu den Wechselbeziehungen zwischen Mensch und Haustier. Es ist offensichtlich ein sehr angelsächsisches Thema, das stets mit Niveau, aber nie ohne Witz verhandelt wird.

In Anlehnung vor allem an die Beispiele aus England und den USA gibt es neuerdings auch hierzulande einen Nachklapp in der Forschung: So bemühte sich der Erlanger Psychologieprofessor Erhard Olbrich unlängst anhand von Fallbeispielen nachzuweisen, daß Haustiere in einer inhumaner werdenden Umwelt überlebenswichtig für den einzelnen würden. Sein Bonner Kollege Reinhold Bergler untersuchte konkreter die Bedeutung von Hunden für den Abbau von Streß in kritischen Lebenssituationen. Jetzt ist auch ein Buch erschienen über „Tiere als Therapie" (Droemer&Knaur Verlag, München, 288 S., 29,80 DM). Sylvia Greiffenhagens Werk bietet eine Zusammmschau der bisherigen Forschung und soll dem Leser „die fundamentalen Tatsachen der Mensch-Tier-Beziehung" nahebringen.

Die Esslinger Politologin Greiffenhagen referiert auf 237 Seiten brav alles, was ihr je an Gedrucktem über den heilsamen Einfluß von Heimtieren auf den Menschen in die Finger gekommen ist — egal ob es von den amerikanischen Koryphäen der jungen Disziplin, aus dem Heilbronner Tagblatt oder aus S'Esslinger Tierschutzblättle stammt. Der bierernste Seminarstil und eine pseudowissenschaftliche Sprache machen das Lesen mühsam, verleihen dem Buch eine papierene Blässe und Praxisferne.

Ärgerlicher noch wirkt die ungenügende analytische Durchdringung des Themas. So ist beispielsweise der im Buch empfohlene, pädagogisch fördernde Umgang von Kleinkindern im Krabbelalter mit Hunden erfahrungsgemäß eine riskante Sache, die manche Eltern zur Unachtsamkeit verleiten könnte. Einschränkende Hinweise darauf, daß Hunde als ehemalige Rudeltiere eine feste Hand brauchen, folgen ausführlicher erst knapp 150 Seiten später im mageren Schlußkapitel. Dort wird versucht, den Vorwurf des Mißbrauchs von Heimtieren als Therapeutikum zu entkräften. Aber die pädagogische oder therapeutische Instrumentalisierung von Hunden, Katzen, Pferden und Sittichen läßt sich nicht eintach dadurch rechtfertigen, indem von einem „tiefgegründeten Verwiesensein aufeinander" geredet wird.

Immerhin suggeriert das Literatur-Kompendium nicht, daß von der Therapie mit Hunden, Katzen und anderen Tieren Wunder zu erwarten sind. Denn Haustiere sind in der Behandlung Kranker kein Allheilmittel, sondern allenfalls eine Art Zusatztherapie. Ihr ergänzender Charakter dürfte es leider auch künftig erschweren, ihren genauen Beitrag zum Heilungsfortschritt von Kranken zu messen. Ulla Fölsins"

Fürwahr ein Thema für sich, aber ein lohnendes.
Schönen Abend noch!
Thomas Beßen

Quelle: ZEIT-ONLINE Archiv
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Pamela K07

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Was wäre die Welt nur ohne Tiere. Ich habe eine Bekannte die leider an Depressionen leidet. Dank ihres Pferdes geht es ihr einigermaßen gut.  Weil sie sich ja um das Tier kümmern muß, muß sie aus der Wohnung raus. Kommt an die frische Luft, hat Kontakt zu andren Pferdebesitzern und lernt immer wieder neue Menschen kennen. Und das hilft ihr. Sie hat also gar keine Möglichkeit sich zu Hause zu verkriechen.

Und ich muß ganz ehrlich sagen , so ein Tier gibt einem sehr viel zurück.
Arzt zum Patient: "Was macht eigentlich Ihr altes Leiden?" - "Keine Ahnung, Herr Doktor, wir sind seit einem halben Jahr geschieden."

Shet

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Na da wollen wir aber unseren Klinik Kater Tassi nicht übergehen, der jetzt schon so cirka 20 Jahre seine Runden durchs Gelände dreht und vielen Patienten durch seine reine Anwesendheit freude bereitet. Im täglichen Umgang mit Patienten bietet unser Kater auch immer ein dankbares Thema und oft findet man über ihn zugang zu verschlossenen Menschen. Naja wer Menschen kennt, lernt Tiere zu schätzen.

MfG Shet

Offline Pamela K07

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Aber wenn er in frisch bezogenen Betten liegt, wird er auch mal ganz schnell vor die Tür gesetzt.  :-D
Arzt zum Patient: "Was macht eigentlich Ihr altes Leiden?" - "Keine Ahnung, Herr Doktor, wir sind seit einem halben Jahr geschieden."

Shet

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Guten was auch immer um die Uhrzeit

Bin per Zufall nochmal hierdrauf gekommen. Also Pamela 07, den armen Tassi vor die Tür setzten. Also ne der hat 20 Jahre auf dem Buckel und in dem Alter darf er auchmal vergessen das er nichts in frischgemachten Betten zu suchen hat ( Eher im Haus Bornberg ,aber da hat der Hund Beppo was dagegen.). Auch wenn er dort meist sehr bequem und entspannt liegt, außerdem legt er sich eh lieber zu seinen " Bediensteten " ins Bett, da sind die Leckerreien für ihn schneller zu bekommen. Bei uns haben sich schon Patienten gezoft wer jetzt den Tassi haben kann. Da musste man eine Nachteinteilung erarbeiten und mit den Parteien abstimmen. So ein Leben als Therapiekatze kann anstregend sein. Dafür wird er regelmäßig in der Patienten Zeitung positiv und liebevoll erwähnt.

MfG

Shet

Offline Pamela K07

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@Shet, wie kommst du darauf das ich ihn vor die Tür setze?


Morgendliche Grüße, Pamela K07
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Offline dino

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In jüngeren Jahren hätte Beppo gegen Tassi keine Chance gehabt. Und das nicht, weil Beppo aus Bayern kommt, Tassi ist ja kein Rassist, er mag halt nur keine Wauzis :evil: