Anlässlich des 25-jährigen Bestehens der Gedenkstätte in Hadamar schrieb die Frankfurter Rundschau gestern, am 25.10.08 folgenden Artikel:
Gedenken an "Euthanasie"-OpferVON REGINE SEIPEL
Die schlichte Tafel, die 1953 im Haupteingang der damaligen Landesheilanstalt Hadamar in die Wand eingelassen wurde, hatte bundesweit Bedeutung: Das Relief war das erste Mahnmal für NS-"Euthanasie"-Opfer in Deutschland. 1964 ließ der Landeswohlfahrtsverband als Träger des Psychiatrischen Krankenhauses Hadamar auch den Anstaltsfriedhof in eine Gedenklandschaft umwandeln.
Knapp zwanzig Jahre sollte es danach noch dauern, bis 1983 auf dem Gelände der ehemaligen Tötungsanstalt Hadamar, heute das Zentrum für Soziale Psychiatrie, eine Gedenkstätte eröffnet wurde. In den 25 Jahren ihres Bestehens hat sie Bedeutung weit über Deutschland hinaus erlangt - und zieht von Jahr zu Jahr mehr Besucher an. Rund 14.000 Geschichtsinteressierte, darunter viele junge Menschen, besuchen jährlich das Gelände. "Das Publikum wird internationaler", sagt Michael Thiele, Vorsitzender des Fördervereins, der in der Europäisierung der Gedenkstättenarbeit ein Ziel des Vereins erfüllt sieht.
Eigentlich hatte sich der Verein zur Förderung der Gedenkstätte Hadamar vor zehn Jahren gegründet, um Ehrenamtliche für Führungen zu gewinnen, das damalige Personal reichte kaum aus, um die ständig wachsende Nachfrage zu befriedigen. Zu den Orten, an denen gerade Schülern das Ausmaß des Schreckens nachfühlbar wird, gehören die als Duschraum getarnte Gaskammer, der Sektionstisch, auf dem Gehirne der ermordeten Opfer entnommen wurden, und die Standorte der Krematorien.
Eine ständige Ausstellung mit Opferbiographien, Darstellungen der Täter und der Vorgeschichte der "Euthanasie"-Verbrechen, der Zwangssterilisation, bieten Informationen zu den historischen Örtlichkeiten, zu denen neben dem Anstaltsfriedhof mit Massengräbern auch die ehemalige "T4"-Busgarage gehört. "T4", das war der Name einer von mehreren Mordaktionen, bei der die Nazis 1940 und 1941 mehr als 70.000 Menschen vergasten.
Die Bezeichnung geht auf die eigens aufgebauten Verwaltungszentrale in der Berliner Tiergartenstraße 4 zurück, die die systematische Vernichtung organisierte. Graue Busse holten Patienten aus den Einrichtungen ab und brachten sie in sechs Tötungsanstalten in Bernburg, Brandenburg, Grafeneck, Hartheim (heute Österreich), Pirna-Sonnenstein und Hadamar, wo knapp 15.000 Menschen umgebracht wurden. Dass die düstere Garage als einzige der Gebäude, die im Rahmen T4-Aktion genutzt wurden, in Hadamar erhalten wurde, sei mit auch ein Verdienst des Fördervereins, sagt Vorsitzender Thiele.
Nach Kriegsende wurde das Gebäude als Scheune genutzt und wäre fast verfallen, bis der Landeswohlfahrtsverband, der Träger der Gedenkstätte ist, das denkmalgeschützte Gebäude 2003 mit Zuschüssen verschiedener Organisationen retten konnte. Das große Interesse an der Gedenkstätte, sagt Thiele, verdeutliche auch deren Bedeutung als Ort der historisch-politischen Bildung. "Der Umgang mit dem Anders sein, mit Ausgrenzung bleibt ein ewig junges Thema", sagt er, "wir müssen das Bewusstsein wachhalten, wo es hinführen kann."
Sonntagliche Grüße!
Thomas Beßen
p.s.: s. auch
http://www.gedenkstaette-hadamar.de/webcom/show_article.php/_c-533/_nr-1/i.html bzw.
http://de.wikipedia.org/wiki/NS-T%C3%B6tungsanstalt_Hadamar