Autor Thema: Alkoholkrankheit - Facharbeit  (Gelesen 12614 mal)

Offline Thomas Beßen

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Alkoholkrankheit - Facharbeit
« am: 02. Januar 2010, 19:03:03 »
"Alkoholkrankheit - Facharbeit der Gesundheits- und Krankenpflegerin (= Krankenschwester) C. H. im Rahmen ihrer Ausbildung im Krankenhaus Marienstift" unter http://home.arcor.de/hbkost/sucht/facharbeit_akoholsucht.pdf.

Diese Facharbeit habe ich jüngst im Netz gefunden. Was sagen die ExpertInnen unter uns (z.B. dino und Shet usw.) dazu? Eine Rückkopplung übers Netz wäre sicherlich möglich und bestimmt auch sehr interessant...

Schönen Gruß, auch ins Krankenhaus Marienstift!
Thomas Beßen
  



« Letzte Änderung: 28. Dezember 2010, 12:36:39 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline dino

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Re: Alkoholkrankheit - Facharbeit
« Antwort #1 am: 02. Januar 2010, 20:17:24 »
Fangen wir an: Also der Jargon/Semantik von der Kollegin halte ich für suboptimal, Bsp Weiterhin hätte ich dann mehr Hr. L. in den Mittelpunkt gestellt, wie war sein Entzug, wurde er kooperativer, konnte er für weitere Suchtspezifische Maßnaßmen motiviert werden?

Er geht wegen einer Oberschenkelfraktur insKrankenhaus in die Chirurgie.
Innere Medizin stationiertzum Entzug
.

In der Regel geht keiner mit einer Femurfraktur ins Krhs, und das Wort stationiert hätte ich jetzt nicht verwendet.

 
In dieser Zeit trinkt Horst L. mehr-Was ist mehr? Dies kann von 2 Fl. Bier bis zu min. 2 Fl. Wodka alles bedeuten.

Die ebenso wenig vom Alkohol abgeneigte
Renate ist seine derzeitige Partnerin
- klingt so für mich abwertend/distanzgemindert, der Vornamen tut nichts zur Sache

 
Horst L. ist der typische Gamma-Trinker- ist (ab)wertend, hilft uns aber in der Beurteilung der Krankheitsschwere nicht weiter. Bei erst 3 klinischen Entgiftungen schon von Gamma zu sprechen halte ich für gewagt.

 
Während der Anamnese stellen die examinierten Pflegekräfte fest, dass mehr als eine

Fraktur bei ihm vorliegt. In der Zeit seines Aufenthaltes in der Chirurgie zeigt er ein

aggressives, distanzloses, verstimmtes und unadäquates Verhalten. Er drängt auf

Entlassung. Er wurde beim Trinken erwischt, hat auffällige Leberwerte und die

Pankreas ist leicht angegri
ffen. – Hier fehlt a) die Beschreibung seines Verhaltens, die Aufzählung kann alles Mögliche besagen und individuell ist interpretationsfähig. Konkret wäre z. B. Pat rauchte trotz Rauchverbot und Erinnerung wiederholt im Zimmer oder Pat. nannte die Kollegin blöde Zicke, oder er duzte die Kollegen.

 b)Des weiteren fehlt die komplette Krankenbeobachtung. Kein Wort von Tremor, geschweige denn welche Art von Tremor. Hatte der Pat. eine schweißige Haut, waren die Vitalparameter erhöht, war er suggestibel?

c) Kein Hinweis auf angebotene oder in Anspruch genommene ambulante Angebote

 
Vererbung her ist auffällig, dass es bei vielen C2-Abusus-Betroffenen

bereits Erkrankungen in der eigenen Familie gibt. Es gibt keinen Nachweis dafür ob

das „Trinken“ abgeschaut bzw. nachgeahmt (Verwandte sind mehr oder weniger in

der Vorbildsfunktion) oder tatsächlich vererbt
ist- man kann den Partner/Eltern nur noch im Suff ertragen, ansonsten wäre es nicht zum aushalten, eine Erklärung aus zig Pflegevisiten/Anamnesen.

 

Der Rest ist meiner Meinung nach die Aneinanderreihung von fremden Wissen ohne größere Eigenanteile. So fehlt z. B. jeder Hinweis auf die z. B. Hamburger Entzugsskala, es fehlt der Hinweis auf motivation interviewing oder auf TIQUAAM. Und wie hat Hr. L. auf die stationären Angebote reagiert?

Hinlegen und Beine hochlagern- Wozu, erstmal Vitalparameter messen

 

Wenn der Betroffene nicht ansprechbar ist, keine Reflexe zeigt, wie beim

Zwicken, Atemstörungen erkennbar sind und vor sich hindämmert-

Rettungsdienst rufen!

- Bei einem schlafendem Zustand oder Bewusstlosigkeit denjenigen in die stabile

Seitenlage positionieren


- Wegen potentieller Erstickungsgefahr die Mundhöhle von Fremdkörpern und

Erbrochenem befreie
n- erstmal alles in die richtige Reihenfolge bringen, d. h. zuerst kontrolliere ich das Bewusstsein und das fängt mit dem Ansprechen an, anschließend reibe ich über das Sternum, Zwicken ist Blödsinn. Als Fachkraft ist mir die GCS bekannt und handele entprechend. Reagiert der Pat. nicht-112 und stabile Seitenlage sowie kontinuierliche Überwachung, Suche nach Begleitverletzungen/Erkrankungen, oft genug beim Body-check ne Überraschung erlebt. Von der Hypoglykämie bis zum SHT hab ich da schon alles erlebt, Schubladendenken kann tödlich sein.

 

Für frische Luft sorgen, Hemd oder Bluse oben evtl. aufknöpfen

Um eine Unterkühlung vorzubeugen den Betroffenen zudecken
-dass beißt sich, ein C2 Intox führt in der Regel immer zu einer Unterkühlung

 

Handschuhe sind als Eigenschutzmaßnahme von Vorteil- Falsch, unverzichtbare PSA

 

Wenn möglich Wasser oder Tee anbieten- mehr als gewagt, ein Pat. mit C2 Intox neigt zum Erbrechen

 

Das Therapieziel ist die dauerhafte Abstinenz. Ein späterer kontrollierter Konsum

(durchaus realistisch) ist mit Rezidiven zu gefährlich,. Rückfallgefahr ist extrem

hoch. Es gibt zwar die Möglichkeit nach der Therapie auf ein kontrolliertes Trinken (

harm reduction) umzusteigen , davon ist dennoch abzuraten.

Der C2-Abusus-Betroffene sollte sich von dem Alkohol endgültig lösen und sich mit

dem Entzug anfreunden
- Wer legt dieses Therapieziel fest? Wenn ich den Betroffenen der Sucht erhalten will gehe ich genau danach vor. Wichtig ist, was der Betroffene will, und darin unterstützen wir ihn. D. h. er könnte sich nur runterdosieren wolle, er könnte sich stabilisieren wollen, und er könnte aufhören wollen. Letztendlich muß die Motivation für ein abstinentes Leben größer sein als die Motivation zum Trinken


« Letzte Änderung: 02. Januar 2010, 23:03:32 von dino »

Shet

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Re: Alkoholkrankheit - Facharbeit
« Antwort #2 am: 05. Januar 2010, 04:45:44 »
Hallo und guten Abend,

habe die Arbeit kurz überflogen in Grundzügen OK, aber überholt wie man heute weis , in großen Bereichen ausbaufähig. Kann mich DINO nur anschließen. Wo ist die motiviernde Gesprächsführung,Verhaltenstherapie ( TIQUAM Manual ), in der Arbeit eher noch das alte  Muster Konfrontation. Es fehlt auch die psycho Edukation, die Rückfallprophylaxe,genauso wie die Angehörigen arbeit und noch einige andere Dinge. Eine leicht abschätzige Haltung zu Abhängigkeitskranken klingt durch.Auch das Ziel der Dauerhaften Abstinenz bei unserer Patientengruppe währe zu Überdenken. Ja das Fernziel ist eine Abstinenz in Zufriedenheit, aber der Weg dahin ist Steinig und Langatmig. Das geringste Ziel in der Arbeit mit Abhängigkeitskranken ist das Sicherstellen des Überlebens sowie das Vermeiden von körperlichen Folge- und Begleiterkrankungen, soziale und seelische Stabilisierung und dann langsam nach und nach weiter.Das kann über Jahre gehen und sehr frustran sein, man darf nur sein Fernziel und die Realität nicht aus den Augen verlieren. Oft genug ist die Arbeit mit Abhängigkeitskranken Sterbebegleitung auf Jahre und verschiedene Aufenthalte aufgeteilt. Nie vergessen auch kleinste Erfolge sind Fortschritte und seien sie noch so klein. Wichtig ist eine tragfähige Beziehung und Vertrauen im Rahmen der Bezugspflege. Doch lieber ein qualifizierter Entzug in der Psychiatrie. Die Ambivalenz des Patienten muss aufgearbeitet werden, sprich trinken oder nicht trinken, es muss Motivation zur Verhaltensänderung erarbeitet werden.

Bei Gelegenheit und längerem lesen der Arbeit werde ich noch einiges dazu schreiben.

Mit müden Gruß

Shet
« Letzte Änderung: 05. Januar 2010, 04:59:56 von Shet »

Shet

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Re: Alkoholkrankheit - Facharbeit
« Antwort #3 am: 08. Januar 2010, 04:36:46 »
 Mal ne blöde Frage! Wo ist eigentlich die Einleitung ( Prolog ) und das Fazit, der Facharbeit?  Auch der ganze Aufbau sollte doch vielleicht mal überdacht werden.

 Gruß Shet

 

Offline Thomas Beßen

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Re: Alkoholkrankheit - Facharbeit
« Antwort #4 am: 08. Januar 2010, 08:25:25 »
Guten Morgen Shet,
wir dürfen eines nicht vergessen, es geht hier um eine "Facharbeit der Gesundheits- und Krankenpflegerin (= Krankenschwester) C. H. im Rahmen ihrer Ausbildung im Krankenhaus Marienstift" und mit diesem Maßstab gemessen ist das in meinen Augen eine tolle Leistung. Ihr beiden, Dino und du, seid ausgefuchste richtige Experten und habt jahrelange Erfahrungen usw. auf diesem Gebiet.
Natürlich könnte man nun z.B. deine und Dinos Ideen bzw. Verbesserungsvorschläge mit berücksichtigen und quasi damit eine beta-Version dieser Facharbeit schaffen. Nun, dass könnte vielleicht die Kollegin H. im Rahmen ihrer WB Fachpflege umsetzen... :wink:
Ich jedenfalls, und bestimmt viele andere auch, habe viel durch diese Fachdiskussion insgesamt gelernt und wünsche mir hier in unserem Forum mehr davon...
Herzliche Grüße, auch ins Marienstift!
Thomas Beßen
« Letzte Änderung: 28. Dezember 2010, 23:27:56 von Thomas Beßen »
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline dino

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Re: Alkoholkrankheit - Facharbeit
« Antwort #5 am: 08. Januar 2010, 16:48:27 »
Shet hat schon recht, der Aufbau einer Arbeit ist nicht an die Qualifikation im Beruf geknüpft, sondern das lernt man in der weiterführenden Schule. Ich muss halt festlegen wer meine Zielgruppe ist. Weiterhin muss feststehen, was im Focus steht. Dies kommt eben in der Arbeit der Kollegin nicht rüber. Man kann natürlich ein individuelles Schicksal mit einer allgemeinen Krankheit verbinden, aber dann dann müssen die Übergänge besser herausgestellt werden. Es darf nicht so abgehakt sein. Und man muss den Mut zur Lücke haben, wenn ich eine Kombiarbeit bringe. Zudem sollte, zumindest bei einer individuellen Schilderung, auch an die Spannung gedacht werden.  Und für diese Punkte brauche ich auch keine jahrelange fachspezifische Erfahrung. Wie ich mir sowas vorstelle hänge ich mal als Anhang dran. Kann sein, dass ich es schon mal vorgestellt habe. Die Zielgruppe waren Eltern die keinen blassen Schimmer von der Arbeit auf einer Entgiftungsstation haben. Sie dachten in Kategorien von Gummizellen und den üblichen Klitschees. Ich habe die Form einer Novelle gewählt und Fremdwörter vermieden bzw. Maßnahmen erklärt. Nach dem Vortrag gab es natürlich noch eine Diskussion. Die meisten Eltern waren über die Folgen einer Abhängigkeit erschrocken.
Ein schönes weißes Wochenende
« Letzte Änderung: 08. Januar 2010, 18:19:06 von dino »

Offline dino

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Re: Alkoholkrankheit - Facharbeit
« Antwort #6 am: 09. Januar 2010, 19:56:28 »
Wozu das Rad neu erfinden, die Kollegin sollte sich mal diese Facharbeit ansehen
http://www.pflegesoft.de/forum/index.php/topic,873.0.html
klare Zielgruppe, klar gegliedert und super geschrieben.