Autor Thema: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....  (Gelesen 10689 mal)

Offline Brady

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Hallo liebe Kolleginnen und Kollegen,

eine Schülerin bei mir im Psychiatrie-Einsatz berichtete mir von einem Einsatz in der Somatik auf einer Wahlleistungsstation.
Einem Patient der Augensalbe verabreicht bekommt wollte Sie anleiten dies selbständig durchführen zu können.

Dieser jedoch war sehr erbost darüber und verlangte: "Nein, das machen Sie".
Auf die Frage im Pflegeteam, wie damit umzugehen sei bekam sie zudem noch eine Rüge.

Wie kann denn sowas sein? Wir haben doch alle aktivierende Pflege gelernt und wieso steht das Team nicht zu dieser Auszubildenden? Am nächsten Tag, als die Schülerin wieder das Zimmer betrat, sagte der Patient: "Ich will Sie hier nicht sehen".
Sicher hat der P-Patient Anrecht auf Service-Leistungen, aber dazu gehört die Pflege nicht.

Ich meine, dass hier der Praxisanleiter oder die Stationsleitung zu vermitteln hat. Es sollte mit dem Patienten besprochen werden, dass der Schüler  aus fachlichen Gründen so gehandelt hat und wenn er dies nicht will, dann müsste dies in der Patientenakte vermerkt werden, damit nicht noch eine andere Pflegekraft in diese Falle läuft.

Es sollte klar sein, was Service-Leistungen und was Pflegeeleistungen sind.
Zur Zeit wird ja viel Propaganda gemacht, dass der Patient auch "Kunde" ist, was ich auch begrüße, aber bei fachlichen Dingen hört es meiner Meinung nach auf.

Was ist eure Meinung dazu? Welche Erfahrungen habt ihr?

LG Brady
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Offline dino

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #1 am: 27. April 2013, 21:18:37 »
Hi Brady, grundsätzlich wollen/sollen/müssen/ dürfen wir die Patienten nicht hospitalisieren. Wir geben Hilfe zur Selbsthilfe und intervenieren nur wenn es nötig ist. Wer bringt denn die Salbe auf wenn der Patient zu Hause ist? Ich halte ein unnötiges Eingreifen für einen Fehler. Genau dies würde ich dem betreffenden Patienten auch sagen. Letztendlich ist dies eine Muss Aufgabe der SL. Und natürlich würde ich den Vorfall im Pflegebericht dokumentieren.
Viele Grüße und ein schönes Weekend    dino

Offline Brady

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #2 am: 27. April 2013, 21:37:47 »
Hallo dino,

danke für deine Antwort. Was mir zudem nicht gefällt, ist dass Schüler mit diesem Problem alleingelassen, bzw. noch schlimmer daür noch Kritik ernten.

Es wird ein Krankenhaus mit gutem Service angeboten, was aber daraus gemacht wird bleibt jedem überlassen. Die Angst vor Kritik des Patienten zeigt so ihre Auswirkungen.

Entweder haben sich die Kollegen auf dieser Privatstation keine Gedanken zu ihrem Konzept gemacht oder es herrscht grosse Angst vor der Auseinandersetzung mit einem Privat-Patienten und eventueller Auswirkungen daraus.

LG Brady
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Offline dino

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #3 am: 27. April 2013, 22:02:11 »
Also erstmal ist es mir Jacke wie Hose ob der Patient Privat ist oder nicht. Mir geht es um die Krankheit und eine bestmögliche Behandlung. Und darauf hat JEDER Patient das GLEICHE Anrecht. Service ist ok, wichtig und nötig. Aber nicht um den Preis von Pflegefehlern.
Ganz bösartig würde ich mal sagen das sich die SL dieser Station Sorgen um den Füllzustand ihres Sektkühlschranks macht.
Viele Grüße     dino
PS ich mag keinen Sekt

Offline IKARUS

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #4 am: 29. April 2013, 10:41:18 »
Hallo Brady, als ich deine Zeilen las, kam mir der Gedanken, dass die Schülerin wohl richtig gehandelt hat, aber sie hat eventuell vergessen, den Patienten zu fragen, ob er denn überhaupt selbständig werden will, bezogen auf seine Gesundheit. Viele Menschen kommen ins Krankenhaus und geben am Empfang etwas ab. Ihre Selbständigkeit! Nun wollen wir heute in der Pflege den Patienten dazu bringen, die Zeit nach seiner Entlassung selbständig zu bewerkstelligen. Anleitung zur Selbständigkeit bezeichnen wir das in der professionellen Pflege, oder Hilfe zur Selbsthilfe. Deine Zeilen haben mich auch dahingehend nachdenklich gestimmt, dass wir in der Schule einen kleinen aber wichtigen Teil nicht ausreichend kommunizieren. Der Schüler kommt mit dem neuerworbenen Fachwissen auf die Station und geht mit diesem ans Krankenbett. Und dann? Jetzt trifft Theorie die Praxis! Hier stelle ich die Frage: inwieweit ist der Patient darauf vorbereitet selbständig zu sein/zu werden. Wir haben in Deutschland eine andere Kultur als die Amerikaner. Dies soll heißen, dass das Selbstpflegekonzept von D. Orem nicht ohne weiteres 1:1 umgesetzt werden kann. Viele deutsche Patienten gehen ins Krankenhaus und lassen sich behandeln. "Der Doktor wird's schon richten!" Der Amerikaner fragt sich: was kann ich auch tun, damit ich gesund werde? Er begibt sich nicht ausschließlich in die Hände der Ärzte und Schwestern. Das  kostet alles viel Geld. In Deutschland gibt (eventuell doch gab!!) es das rundum Sorglospaket. Der Patient kommt in Krankenhaus und lässt sich behandeln/bedienen. Hier muss noch kein Patient für Extraleistungen mehr bezahlen. Das wird sich aber in absehbarer Zeit ändern. Da bin ich mir sicher!!

Das man der jungen Kollegin vom Team aus nicht den Rücken stärkt ist eine traurige Alltagsweisheit. Das geht nicht deiner [unserer!!] Kollegin alleine so. Ist aber dennoch aus meiner Sicht nicht nachahmenswert. Wir "alten Hasen" sollten uns schützend vor die Schülerinnen stellen. Je besser ich "meine" Schülerin anleite, desto eher kann sie selbständig und "stolperfrei" auf der Station arbeiten. Die vielen Fallstricke sind ja unsichtbar und können deshalb im Unterricht nicht vermittelt werden, weil die Stricke auch abteilungs- und stationsspezifisch sein können.
Ich hatte mal als SL einen Patienten, der "unsere" junge Schülerin ärgern wollte. Als ich davon Kenntnis bekam, habe ich zuerst die PDL, den VL und den PR informiert. Meine Rückendeckung! Anschließend habe ich mit dem OA und dem CA gesprochen. Wie ich es erwartet habe, hat der Patient sich wiederholt sprachlich an der jungen Kollegin "vergangen". Daraufhin habe ich dem Patienten gesagt, dass ich sein Verhalten ich bei der CA-Visite zum Thema machen werden. Von meinen Vorgesprächen kannte er ja nichts! Ergebnis der CA-Visite war, dass der Patient ging und die junge Kollegin bleiben konnte. Das hatte unter den Schülern für Furore gesorgt, und unsere Station stand oben auf ihrer Hitliste. Es ist nicht so, dass die SchülerInnen bei uns ein leichtes Leben hatten, aber wir haben uns vor sie gestellt. Damit sich ein CA auf die Seite des Personals stellt ist nicht gängiger Alltag, aber mitunter möglich. Ich war für das Verhalten sehr dankbar. Denn es hätte auch anders ausgehen können. Aber dann hätte ich den Weg so nicht gewählt.

Folgendes sollten wir mit dem Patienten vor unserem Tun besprechen: möchte er das er selbständig wird? kennt er diesen Begriff überhaupt.
Als Pflegeprofis wissen wir um die Wichtigkeit. Wir müssen jedoch bedenken, dass unsere Pflegetheorien, so wichtig wie sie sein mögen, bei Patienten kaum einen Stellenwert haben.
Ich denke, dass du auch den Standpunkt vertreten könnest: vor jeder Tat gehört ein klärendes Wort.
Einen kommunikativen Gruß,IKARUS

Offline Brady

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #5 am: 29. April 2013, 17:53:32 »
Hallo IKARUS,

da muss ich Dir doch widersprechen. Egal mit was für Erwartungen der Patient in die Klinik kommt haben wir fachlich und somit auch ressourcenorientiert zu arbeiten. Sicher sind diese Erwartungen oft bei Patienten anders. Aber hier heisst es sich fachlich zu positionieren. Wir werden, ich übertrreibe jetzt ein wenig,  einen Patienten waschen der vollkommen selbständig dies tun kann nur weil er es so erwartet?

Wir haben eine beratene und gesundheitsfördernde Aufgabe und muss dann schon meine Stellung und Haltung nach aussen so auich vertreten. Wenn wir uns selber mit dem was und wie wir es gelernt haben nicht ernst nehmen, dann tut es auch kein anderer.
Von der Stationsleitung hätte ich erwartet, dass Sie sich mit dem Patienten darüber auseinandersetzt. So bleibt es nur im Raum, dass die Schülerin zu bequem war.

Wir bleiben klein und unmündig und machen uns selber zu Servivepersonal. Wenn darüber auf den Stationen nicht gesprochen wird und es einfach getan wird, wundert es mich nicht, dass niemand mehr ein eindeutiges  Berufsbild hat.  Die Auseinandersetzung scheut man einfach und so bleibt ein Bild der allzeit willigen oder der faulen "Schwester" im Gedächnis vom Patienten. 

Fachlichkeit in Bezug auf unsere Berufsgruppe erwartet dann niemnand wirklich mehr.
Wir beschwerden uns immer, dass niemand uns die grosse Berufsgruppe der Pflege wahrnimmt. Dann sollten wir anfangen bei solchen kleinen Dingen Gesicht zu zeigen.

Kollegiale Grüße Brady
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Offline IKARUS

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #6 am: 29. April 2013, 18:17:04 »
Brady, ich stimme dir doch zu, aber der Patient muss auch verstehen, warum wir so handeln. Das kann in dem von dir geschrieben Fall nicht der Fall gewesen sein. Da mag die Schülerin den Patienten gebeten haben, doch die Salbe selber zu applizieren, verbunden mit dem Gedanken, dass er es lernt und somit selbständig tun kann. Das ist doch nicht meine Kritik! Meine Kritik richtete sich eher an "die Profis". Die haben der Schülerin etwas beigebracht, ohne ihr zu sagen, dass sie den Patienten auch "mitnehmen muss". 
Du hast auch Recht mit der Positionierung. Aber wir haben zu Wenige in unseren Reihen, die den Weg mitgehen (werden). Eine traurige Realität!!

VG, IKARUS 

Offline Brady

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #7 am: 29. April 2013, 21:11:07 »
Hallo IKARUS,

dabei stimme ich Dir zu. Natürlich muss ich den Patienten dabei mitnehmen. Auch kann es sein, dass dies im vorliegenen Fall nicht so gut gelaufen ist auf der Seite des Schülers, der es vermittelt hat. Ich war ja nicht dabei. Wobei dann, die Stationsleitung hätte vermitteln müssen.

Nicht jeder Patient kann mitgenommen werden, aber meiner Meinung nach ist dies immer der erste Schritt.
Bei mir im Umfeld liegt gerade der Wettbewerb der Krankenhäuser sehr hoch und Aussagen wie: "Der Kunde ist König" ist ein Ausspruch davon. Ich sehe da mit gemischten Gefühlen hin und will schon eine Orientierung. Aber das führt wohl jetzt zu weit.
Danke für deine Antwort.

VG, Brady




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Offline IKARUS

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #8 am: 29. April 2013, 21:21:13 »
Ja, die Stationsleitung hat eine wichtige und zentrale Rolle in dieser Angelegenheit. Aber wir wissen, dass mache Stationsleitung auf biologischem Wege zur ihrer Position kommt und nicht wegen ihrer fachlichen Qualifikation.
Nicht jeder Patient kann und will mitgenommen werden. Auch das ist eine unverrückbare Tatsache, was die Stationsleitung auch hier bedenken muss und sich deshalb vor die Schüler stellen muss.
Aber das sich vor Mitarbeiter stellen ist nicht jeder SL gegeben. Schön wäre es alle mal!!

Das mit der Orientierung ist unsere Sache. Da dürfen wir nicht auf andere hoffen. Ich sehe meine Möglichkeiten und meine Grenzen. Die vermittle ich gerne weiter! Was dann die Praktiker vor Ort machen, kann ich nicht beeinflussen. Was ich dem Schüler mitgeben kann, das tue ich.

Ich habe aber aus diesem Dialog gelernt, dass ich noch mehr auf mögliche "Fallstricke" hinweisen sollte/muss, um die SchülerINNNEN vorzubereiten auf die WIRKLICHKEIT.

VG,IKARUS 

Offline dino

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #9 am: 30. April 2013, 13:44:28 »
 Ehrlich gesagt verstehe ich die Aufregung nicht. Es geht hier um eine Augensalbe, sonst nichts. Und wenn jemand nicht beide Hände verbrannt, gebrochen oder einen starken Tremor hat kann er sich die Salbe selbst applizieren. Ich für mich empfinde es für mich angenehmer mir eine Augensalbe selbst zu verbraten. Und außer aus den oben genannten Gründen kenne ich es auch nur so das ein Patient sich seine Augentropfen selbst verabreicht. Und Diabetiker bekommen gezeigt wie man sich einen BZ macht, Asthmatiker haben ihre Sprays immer bei sich nach Einweisung etc.
In dem beschriebenen Fall wäre es nun Sache der Schulleitung sich darum zu kümmern.
Äh, was einst Du mit biologisch?  :-D :evil:
Viele Grüße    dino

Offline IKARUS

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Re: Wenn Schüler nicht von der Station geschützt werden.....
« Antwort #10 am: 30. April 2013, 13:57:14 »
Es ist hier keine Aufregung aus meiner Sicht Dino! Ich habe den Text von Brady so verstanden, dass ihre Kritik sich daran aufhängt, dass der Schülerin keine flankierende Hilfe zu Teil wurde. Die Schülerin wollte dem Patienten die Möglichkeit einräumen im Krankenhaus etwas einzuüben, was er später zuhause eh selbständig ausführen muss. Das ist gut und richtig so. Eventuell war der eingeschlagene Weg zu holprig, weshalb sie den Patienten nicht "mitnehmen" konnte, auf ihrem Wege. Nun denn! Ich würde alles mit der Schülerin bei einer Tasse Kaffee oder ähnlichem klären und den beteiligten Patienten außen vorlassen. Ich würde ihr eventuelle diese Angelegenheit einmal praktisch vormachen und anschließend besprechen. Besonders, wie bereits von mir angedeutet, den Hinweis auf die unsichtbaren Fallstricke.

Was meine ich mit biologisch? Das erkläre ich so Dino.
Als junger Schüler habe ich das von meinem Stationspfleger gehört, als er sagte, dass der Oberarzt Dr. ... doch nur OA sei, weil er so und so lange im Hause sei, aber nicht über die erforderliche Qualifikation verfüge. Das habe ich nie vergessen. Als ich Jahre später mitbekam, wer aus unseren Reihen Stationsleitung wurde, kam mir dieser Gedanken wieder in Erinnerung. Du kennst sicherlich das PETER-Prinzip. Besagte "gemachte" SL quittiert ihren Dienst, weil sie von der PDL nicht gehalten werden konnte. Wenn du nicht das bringst was verlangt wird, brauchst du gute Träger oder bestes Fach-Wissen. Dieser wertvolle Mensch machte später einen Handwerksbetrieb auf und fand das einige Jahre später als richtig Entscheidung.
Gruß, IKARUS