Autor Thema: Biographiearbeit bei Menschen mit Depressionen  (Gelesen 6971 mal)

Offline IKARUS

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Biographiearbeit bei Menschen mit Depressionen
« am: 23. November 2012, 15:28:48 »
Heute richte ich die Frage an die Pflegeexperten aus dem Fachgebiet der Psychiatrie.
Wir kennen doch die Notwendigkeit der Biographiearbeit bei Menschen mit DEMENZ.
Meine konkrete Frage bezogen auf die Biographiearbeit lautet nun:
Ist eine Biographiearbeit mit depressiverkrankten Menschen notwendig und hilfreich?
Meine Gedanken stütze ich auf die Tatsache, dass ich mit den Biographiedaten dem Patienten helfen kann, eine Ursache für seine Depression zu erkennen.
Ist aus Sicht der Fachexperten der Gedanke gut und sinnvoll, oder sollte ich diesen Gedanken fallen lassen.
Kollegiale Grüße, IKARUS

Offline Brady

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Re: Biographiearbeit bei Menschen mit Depressionen
« Antwort #1 am: 24. November 2012, 12:52:42 »
Hallo Ikarus,

wir arbeiten mit einem Lebensbericht. Dieser wird vom Patienten, auch von depressiven Menschen erstellt. Diesen Bericht brauchen wir, wie die Somatiker z.B. ein Röntgenbild. Es ist für uns genauso wichtig, wie auch für den Patienten selber.
Daraus ergeben sich Anhaltspunkte für Symptome, Verhaltensweisen. Uns aber auch dem Patienten werden Dinge/Zusammenhänge klarer.

Ob es aber dann aber um Aufarbeitung von Dingen geht die in der Biografie geschehen sind oder ob es um das "Hier und Jetzt" geht ist im Einzelfall zu betrachten. Dies liegt in der engen Beziehungsarbeit mit dem Patienten und uns.

Bei dem einen Menschen ist es wichtig die Ursache zu betrachten, bei dem anderen wie kann ich mit diesen Symptomen/Einschränkungen/Grenzen leben. Es ist auch  immer im Einzelfall zu betrachten, ob jemand zu dieser Zeit mit den Dingen in seiner  Lebensgeschichte konfrontiert werden kann/darf.

Der Lebensbericht wird am Anfang der Behandlung/Therapie vom Patienten erstellt und es bedarf einer guten Beziehung, denn dies kann in dem Moment suizidale Krisen auslösen. Patienten können in dem Moment, wo es "schwarz auf weiss" steht was mit Ihnen geschehen ist getriggert werden. Es ist was anderes wenn es gesagt wird, als wenn es auf einem Blatt Papier steht.

Wenn jemand Fragen dazu hat, dann schreibt bitte.


Kollegiale Grüße,

Brady

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Offline IKARUS

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Re: Biographiearbeit bei Menschen mit Depressionen
« Antwort #2 am: 24. November 2012, 14:35:46 »
Hallo Brady, ich danke dir für deine Zeilen. Es bringt etwas Licht in meine Gedanken. Sicherlich ist es so, dass Menschen mit seelischen Erkrankungen anders geführt werden müssen, als Menschen "die nur an körperlichen Leiden erkrankt sind". Auch auch in der Somatik gibt es ja Menschen die von Zeit zu Zeit "dünnhäutig" erscheinen. Das einfühlsame Verhalten von Therapeuten und vom Pflegepersonal scheint mir hier in allen Fachdisziplinen angeraten zu sein.

Dir und allen KOLLEG-INN-EN wünsche ich ein erholsames Wochenende, IKARUS

Offline dino

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Re: Biographiearbeit bei Menschen mit Depressionen
« Antwort #3 am: 24. November 2012, 19:41:41 »
Hi Brady, wwie Du geschrieben hast kann der Lebensbericht zweischneidig sein. Wird er nur von statioär aufgenommenen Patienten erstellt oder auch Ambulanzpatienten. Wie dicht ist die Betreuung?
Viele Grüsse   dino

Offline Brady

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Re: Biographiearbeit bei Menschen mit Depressionen
« Antwort #4 am: 24. November 2012, 20:10:57 »
Hallo Dino,

bei ambulanten Patienen wird es im Laufe der Behandlung im Gespräch erfragt. Kann natürlich von Ambulanz zu Ambulanz unterschiedlich sein. Ich halte es jedoch für kritisch einen Patienten mit der Erstellung eines Lebensberichtes alleine zu lassen, insbesondere wenn noch keine tragfähige Beziehung entstanden ist.

Auf der Station ist der Bezugstherapeut und oder die Pflegeperson idealerweise die Bezugspflegekraft da. Aber wie so oft  im Alltagsgeschäft ist die Pflegekraft die im Dienst ist  derjenige der Krisen erstmal auffängt und Halt gibt.

LG Brady
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Offline dino

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Re: Biographiearbeit bei Menschen mit Depressionen
« Antwort #5 am: 24. November 2012, 20:45:35 »
Hi Brady, dass sehe ich genau so kritisch wie Du. Wir bieten, bei entsprechender Indikation, eine psychoterapeutische Komplexbehandlung nach erfolgter Entgiftung an. Für dieses Patientenklientel könnte ich es mir vorstellen. Ambulant würde mir die Traute fehlen.
Viele Grüsse    dino