Autor Thema: Kein schöner Tod  (Gelesen 3798 mal)

Offline Thomas Beßen

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Kein schöner Tod
« am: 06. November 2012, 06:27:06 »
"Das Leben der meisten Menschen in Deutschland endet im Krankenhaus oder Pflegeheim. Dort gilt Sterben als Tabu und wird hinter Betriebsamkeit versteckt. Doch für einen Tod in Würde müsste das Gesundheitssystem geändert werden.

Der Bestatter muss durch den Haupteingang. Das ist die eiserne Regel. „Immer vorne zur Türe rein mit dem Sarg“, sagt Gerda Graf fröhlich. Im Altenheim Sophienhof in Niederzier, einem Dorf bei Düren am Nordrand der Eifel bekommen es alle mit, wenn ein Bewohner gestorben ist. Die Geschäftsführerin Gerda Graf, eine resolute 60-Jährige, lässt nicht zu, dass sich der Bestatter mit dem Sarg durch einen Hintereingang ins Haus schleicht, wie es in vielen Heimen üblich ist. „Nur so können sie einen Wandel bewirken“, sagt sie. Noch heute schüttelt es sie vor Lachen, wenn sie sich an den Bestatter erinnert, der mit einem klappbaren Papp-Sarg ins Heim kam, damit bloß kein Bewohner durch den Anblick eines Sargs traumatisiert werden könnte. Der Tod gehört in Gerda Grafs Altenheim dazu.

Es gibt Orte, da stirbt es sich ein bisschen leichter. In der Vorstellung der meisten Menschen sind das die eigene Wohnung, das eigene Haus, vielleicht noch ein Hospiz. Krankenhäuser und Pflegeheime gehören nicht dazu. Doch das ist Wunschdenken, weit weg von der Realität. Die meisten Menschen sterben nicht in vertrauter Umgebung, sondern genau dort, wo sie am Ende nicht hinwollten: in einem Krankenhaus oder einem Pflegeheim. Dort verbringen sie ihre letzten Stunden zwar in der Regel nicht mehr wie noch vor 30 Jahren üblich auf dem Flur oder im Abstellraum. Aber sterben sie unter würdigen Bedingungen, wie es die vor zwei Jahren verabschiedete Charta zur Betreuung schwerstkranker und sterbender Patienten fordert? Gibt es Abschiedszimmer? Können sich Krankenschwestern oder Pfleger Zeit für den Sterbenden nehmen? Werden Angehörige getröstet?

Wenn der Sterbende und seine Angehörigen Glück haben, finden sie ein Heim wie den Sophienhof oder eine Klinik mit palliativ geschulten Ärzten. Die meisten Einrichtungen aber sind nicht auf Sterbende eingerichtet. Das ist schon heute ein Problem. Mit der demografischen Entwicklung wird es in Zukunft noch drängender.

„Plötzlich und unerwartet verstarb mein geliebter Gatte“, diese Formel aus Todesanzeigen trifft immer seltener zu. Jährlich sterben 800 000 Männer und Frauen in Deutschland, die Mehrheit davon nach einer längeren Behandlungs- und Pflegephase. Das heißt aber auch, dass es schwieriger geworden ist zu sterben. Das Sterben hat seine Natürlichkeit verloren. Der Tod wird unsichtbar, delegiert an medizinische und pflegerische Einrichtungen. Kaum ein Jugendlicher erlebt heute noch den Umgang mit Schwerstkranken oder Sterbenden. Dabei ist es noch nicht so lange her, da legten sich alte Menschen ins Bett und warteten auf den Tod.

Die meisten älteren Patienten heute sind chronisch krank. Sie sterben, weil sie oder ihre Angehörigen bewusst entschieden haben, die Therapie oder die Behandlung abzubrechen. Das hat Konsequenzen. Der Palliativmediziner Gian Domenico Borasio kommt in seinem Buch „Über das Sterben“ zu dem Schluss, dass „derzeit in deutschen Krankenhäusern und Pflegeheimen vieles in bester Absicht getan wird, was die Menschen ungewollt, aber aktiv am friedlichen Sterben hindert“. Er fordert eine Kultur des „liebevollen Unterlassens“, wie er es nennt und das Wiederzulassen des natürlichen Todes. ..."


Quelle & viel, viel mehr: http://www.fr-online.de bzw. http://www.fr-online.de/politik/sterben-in-deutschland-kein-schoener-tod,1472596,20761946.html

Frühe Grüße!
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.