Autor Thema: ärztliche Anordnungen - Grenzen?  (Gelesen 6150 mal)

Offline Brady

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ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« am: 02. August 2012, 09:21:31 »
Hallo zusammen,

mich hat eine Kollegin angesprochen und erzählt, dass die Ärztin alles anordnet was ihr so einfällt. Gibt es da Grenzen? Gebe mal ein paar Beispiele dazu.

Sie ordnet schriftlich bei einem Patienten an, dass ihm der Pezziball wegen Rückenbeschwerden ausgehändigt wird. Dieser Ball liegt am offen in den Räumen.
Dann dem Patienten eine Liste von niedergelassenen Psychiatern aushändigen. Alles solche Anordnungen, die normalerweise im Gespräch geklärt werden. Oder jeden Morgen nachfragen, wie der Patient geschlafen hat.

Sicher kann man sowas im Gespräch mit der Ärztin bestimmt klären, wobei sie jedoch sagt, dass dies dann abrechenbar ist, wenn  das ausgeführt wird *grins*.

Ich denke mal, es ist ihre eigenene Unsicherheit und ich würde gerne wissen, ob es da "Leitlinien" oder sowas ähnliches gibt, was  schriftlich in das ärztliche Anordnungsblatt kommt oder nicht?
Dann wäre es auch gut zu wissen, ob man diese merkwürdigen Anordnungen schriftlich ausarbeiten muss?

Sonnige Grüße aus Duisburg

Brady
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Offline dino

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #1 am: 02. August 2012, 11:43:20 »
Hi Brady, wenn mir morgens ein Patient besonders auffällt oder ich von seinen Ein-oder Durchschlafproblemen weiß frage ich schon nach. Allerdings dokumentiere ich das unter Pflege und rechne es auch unter Pflege ab. Kurze Erklärung: Wir arbeiten nicht mehr mit Papier, nur noch am PC.
Wenn Eure Ärztin will das der Pat. eine Liste niedergelassener Kollegen braucht, kann sie es ihm selbst ausdrucken oder an ihre Sekretärin delegieren, aber nicht an Dich. Wenn ich im Rahmen der Pflegevisite der Meinung bin er bräuchte eine solche Liste drucke ich sie aus und gebe sie ihm, Abrechnung über uns.
Die Grenzen müssen wir setzen.

Viele Grüße aus dem Taunus
dino

Offline IKARUS

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #2 am: 02. August 2012, 15:48:04 »
Beim Lesen der obigen Zeilen frage ich mich [als der der aus der Somatik kommend], wie viel Zeit mögen die Ärzte haben, dass sie jede Kleinigkeit dokumentieren. Wie Dino erwähnt, kann man auch Vieles sprachlich regeln - zumindest in einem TEAM, welches sich kennt, respektiert und kollegial miteinander umgeht. Wenn ALLES schriftlich fixiert wird, werde ich immer vorsichtig, weil für mich dann das Vertrauen schwindet. Die Notwendigkeit der Dokumentation staht ja für mich nicht infrage, aber auch das mit Augenmaß. Das ein junger Mediziner mehr anordnet als eine erfahrene Ärztin entspricht auch meinen Beobachtungen. Da könnte ich auch lustige Sachen berichten, die aber nicht schriftlich gemacht werden sollten, weil sie auf die Station gehören und nur die Beteiligten angeht.
Hierzu fällt mir aber gerade noch ein Zitat ein, das sich auch hier anführen läßt. Da sagte mal ein Kongreßteilnehmer zu mir bei der Wortmeldung eines weiteren Kongreßteilnehmers:
"Es wurde schon Alles gesagt, aber noch nicht von Jedem!"

Das Phänomen mit dem übereifrigen Einsatz ist auch beim Pflegepersonal zu beobachten und ebenso in weiteren Berufsgruppen. Da macht wohl keine eine Ausnahme.
Pfiffige Schüler (egal aus welcher Berufsgruppe!!) können in ihrer Ausbildung am Krankenbett/am OP-Tisch lernen, das Notwendige vom Überflüssigen zu unterscheiden und sich Freiräume schaffen, indem sie sich auf das Wesentliche konzentrieren. Aber es muss erlernt werden von pfiffigen "LehrmeisterINNEN" die es ja immer noch gibt.
Sommerliche Grüße aus dem Schatten des Förderturmes, IKARUS

Offline dino

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #3 am: 02. August 2012, 16:45:57 »
Hallo Ikarus, auch in der Psychiatrie wird ein neues Entgeldsystem (DRG) eingeführt. Das bedeutet natürlich einen erhöhten Dokumentationsaufwand. Hiervon sind auch Bezugspflegegespräche betroffen. Die Dokumentation gilt dann als Leistungsnachweis. Nur das, was dokumentiert wird, kann dann zusätzlich abgerechnet werden. Ansonsten fällt es in den Grundbetrag. Und gibt es weniger Geld, nun, dann gibt es auch weniger Stellen. Und damit eine weitere Arbeitsverdichtung.
Viele Grüße in den Pott    dino

Offline IKARUS

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #4 am: 02. August 2012, 21:40:11 »
Hallo Dino, als bei uns die DRG´s eingeführt wurden, hatten die Paranurses keine Zeit für "Spielereien". Das Dokumentieren wurde zu erst sehr unterschiedlich gestaltet, was aber später dahingehend geändert wurde, dass hochkompetente und geschulte Fachpflegekräfte geschult wurden die DRG´s zu dokumentieren. Das hat auch dazu geführt, dass die Notwendigkeit der Dokumentation bei den Pflegekräften besser verstanden wurde. Du hast ja auch geschrieben, dass PFLEGE dokumentiert, was PFLEGE leistet!! Die letztendliche Codierung wird in einer zentralen ARbeitsgruppe geleistet in der Ärzte und Fachpflegekräfte eingebunden sind.
Gerne nehme ich die Dokumentation im Unterricht so auf, dass 100 Haribobären [mein Budget!] habe und eine Pflegebeispiel sehr langsam vorlese. Dann teile ich die Klasse in zwei, drei oder vier Gruppen. Glaube mir die Gummibärchen werde ich los. Nur ist die Verteilung sehr unterschiedlich. Das bedeutet, dass eine Gruppe 5 Bärchen bekommt und die andere 42. Warum wohl?? Da kommt ein aha-Effekt!! Beim zweiten Bespiel ist die Verteilung der Bären eine völlig andere. Warum wohl?? Weil der hunger steigt oder die Erkenntnis, dass nur Dokumentiertes Gummibären [sprich KNETE!! - ohne Knete keine Fete!!] bringt.
Das Gleiche erlebe ich heute, wenn es um die PFLEGEDIAGNOSEN geht. Ich denke, dass IHR da in der Psychiatrie weiter seit. ICh denke es jedenfalls. Das stütze ich darauf, dass sehr viele Beispiele ich aus der Psychiatrie kenne. Den wohl wichtigsten Autor den ich hier anführen möchte ist Chris Abderhalden aus der Schweiz [Hans Huber Verlag, BERN]. Ich nutze auch gerne zu den PD´s die österreichische Literaur von Stefan et al [Springer Verlag WIEN].

Habt einen guten Freitag und ein super schönes Wochenende, IKARUS

Offline Brady

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #5 am: 03. August 2012, 18:41:01 »
Hallo ihr Beiden,

genau das wollte ich lesen. Ich habe damit kein Problem, ignoriere solche Anordnungen und spreche es immer wieder bei der Ärztin an.
Danke!

Liebe Grüße Brady
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Offline dino

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #6 am: 03. August 2012, 20:03:05 »
Bei uns gibt es Führungskräftebesprechungen, d. h. kleiner Kreis bestehend aus Stationsleitung, Pflegedienstleitung, ärztlicher und psychologischer Leitung. Da kann man dann auch mal unangenehme Dinge besprechen. ansonsten rate ich immer frühzeitig die PDL zu informieren und ins Boot zu holen.
Viele Grüße   dino

Offline Brady

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #7 am: 03. August 2012, 20:08:30 »
Hallo Dino,

diese Besprechungen haben wir auch. Ich gehe 1x im Monat zur Bereichsleitungsbesprechung mit allen anderen Stationsleitungen der Psychiatrie und 1 x im Monat Stationsleitungsbeprechung gemeinsam mit den Kollegen aus der Somatik.

LG Brady
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Offline dino

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Re: ärztliche Anordnungen - Grenzen?
« Antwort #8 am: 03. August 2012, 20:18:58 »
Ich meinte unabhängig davon. Wir haben wöchenlich Pflegeteam, 1x im Monat Großteam aller an der Behandlung Beteiligten und übergreifend 1x im Monat Stationsleitungsbesprechung. Kleiner Führungskreis ist entweder bei Bedarf oder vierteljährlich. Dieses Gremium hat den Charme klein zu sein   und es sieht nicht aus wie ein Tribunal  :-)
Viele Grüße    dino
« Letzte Änderung: 03. August 2012, 20:40:36 von dino »