Dieser Skandal zeigt uns doch mal wieder, dass Pflege nicht nur ein handwerklicher Beruf ist.
Das tägliche Ansehen von Leiden ist mitunter eine Herkulesaufgabe, auf die Pflegende nicht immer gut vorbereitet werden.
Auch ist die Diskussionskultur in unserem Beruf nicht besonders ausgeprägt, was bedeutet, dass man kaum "Luft ablassen kann". Ich denke nicht, dass es auch in diesem Fall darum geht, dass das Personal vor Ort vor hatte, den Patienten umzubringen, sondern dass das Leiden beendet werden sollte.
Das dürfen wir nicht!!
Richtig so!!
Wir können nicht über Leben und Tod entscheiden!
Das sollte niermals ein einzelner Mensch alleine tun (dürfen).
Wenn Behandlungen abgebrochen oder zuende geführt werden müssen/sollen,dann sollte immer eine Kommission entscheiden. Diese Kommission ist aus unterschiedlichen Berufs- und Gesellschaftsgruppen zusammen gesetzt.
Aber zurück zum Thema:
Wenn Menschen annehmen, dass das Leiden beendet werden sollte, dann sollten sich die Betroffenen fragen, um welches Leiden geht es eigentlich?
Ich habe selber über zwanzig Jahren in der Fachkrankenpflege gearbeitet und bin oft in die Grenzsituation gekommen, wo die Frage aufkam: wozu?, was macht das alles für einen Sinn?
Diese Fragen stellen Betroffene, weil sie Beteiligt sind.
Mit einem emotinonalen Abstand kann man auch über das Emotionale hinaus denken.
Wie sehr profitieren wir heute von Errungenschaften der Pflege und der Medizin!
Diese Errungenschaften haben aber ihren Preis!
Für mich als pflegerisch Handelnder bedeutet dies, dass ich mich frage: warum leide ich mit, wenn ein mir unbekannter Mensch "leidet"? Leidet er wirklich, oder ist es "nur" meine Annahme, dass er leidet.
Bleibt die spannenden Frage, warum leide ich mit?
Warum beteilige ich mich an dem Leiden?
Wenn ich mitleide, kann ich dann noch klar denken, wenn ich an dem Leidenden arbeite?
Bleibt die Frage nach dem Unterschied zwischen Mitgefühl und Mitleid.
Für mich bedeutet Mitleid, dass ich mitleide und somit betroffen bin.
Für mich bedeutet Mitgefühl, dass ich mich von dem Leiden des Betroffenen distanzieren kann, ohne ihn pflegerisch und menschlich allein zu lassen.
Sollte sich herausstellen, dass Vorgesetzte von dem Vorgehen beireits seit einiger Zeit wussten, gehe ich davon aus, dass auch weitere Kollegen von dem Vorgehen wussten.
Wenn da zu spät eingeschritten wird, ist das für mich falsche Solidarität!
Ich höre immer wieder davon, dass man durch Supervision den Leidensdruck abmildern können, wenn man darüber redet. In all den Jahren (in der Somaatik!!) habe ich keine Supervisionsgruppe oder ähnliches kennengelernt, die über einen langen Zeitraum beständig war.
Erklären konnte ich es mir nicht!
Erklären konnte es mir aber auch keiner!!
Ich habe immer wieder gehört, dass das Funktionieren dieser Gruppen in anderen Sozialberufen klappen soll. Genauere Angaben bekam ich aber auch nicht, um etwas für meinen damaligen Pflegebereich (Die Pflege Schwerbrandverletzter) umzusetzen.
Heute bemühe ich mich darum, dass ich dem Pflegenachwuchs mit auf ihrem Wege geben, dass sie die Trennung hinbekommen zwischen Mitleid [worum es nicht geht/gehen soll] und Mitgefühl [was erforderlich ist].
Bei der Arbeit am kranken und hilfebedürftigen Menschen sind wir auch als Mensch gefragt.
Das ist in der Schreinerei anders. Der Schreiner widmet sich dem Holz und muss sich mit den Kollegen auseinandersetzen. Das mit den Kollegen müssen wir ja in der Pflege auch!!
Emotioale Grüße, IKARUS