Autor Thema: Schmalspurausbildungen  (Gelesen 5578 mal)

Offline IKARUS

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Schmalspurausbildungen
« am: 28. Februar 2012, 18:52:20 »
Bibliomed Newsletter vom 28.02.2012
DBfK Südwest kritisiert Ausbildungsangebot  28.02.2012

Die Regionalvertretung Südwest des Deutschen Berufsverbands für Pflegeberufe (DBfK) hat deutliche Kritik an einem neuen Ausbildungsangebot des Klinikverbundes Südwest geübt. Absolventen mit mittlerer Reife sollen dort in drei Jahren zur Intensivfachkraft ausgebildet werden, um dem akuten Fachkräftemangel zu begegnen. Andrea Kiefer, Vorsitzende des DBfK Südwest, sprach von einem höchst gefährlichen und verantwortungslosen Angebot, wenn 16-Jährige eine Ausbildung in einem höchst sensiblen und anspruchsvollen Arbeitsbereich machen sollten, in dem es um Leben und Tod gehe und in dem höchste pflegerische, medizinische und technische Anforderungen bestünden, ohne dass diese Ausbildung anerkannt oder finanziert sei. Aus gutem Grund müssten Pflegefachpersonen heute nach ihrer dreijährigen Ausbildung noch Berufserfahrung sammeln und eine zweijährige Weiterbildung absolvieren, damit sie fachkompetent in diesem Bereich arbeiten könnten.

„Die Träger stehlen sich aus der Verantwortung für den selbst verursachten Pflegepersonalmangel. Statt in die Arbeitsbedingungen zu investieren, erfindet man neue Qualifikationen, die den fachlichen Anforderungen nicht gerecht werden und zudem eine Sackgasse darstellen“, heißt es in einer Mitteilung des Verbands. Geschäftsführer Uwe Seibel beklagt, dass die Vorschläge und Konzepte zur Verbesserung der Situation längst vorliegen. Leider seien die Verantwortlichen aber nicht bereit, die Ursache des Problems zu beheben. Da die Pflegenden heute die Wahl hätten, sich den Arbeitgeber auszusuchen, der ihre Qualifikation schätze und dies auch mit Taten beweise, erfänden diejenigen, die im Wettbewerb um Arbeitskräfte nicht mithalten könnten eben die billigere und schlechtere Kopie. „Als Vertreter der Pflegefachpersonen bleibt uns nur, zum Boykott dieser absurden Ausbildung aufzurufen, und diejenigen, die tatsächlich den Wunsch haben als Intensivpflegefachperson tätig zu werden, zu raten, den regulären Weg zu gehen“, sagte Kiefer. Es gebe schließlich auch Kliniken, die bereit seien in Personalentwicklung zu investieren.

Hier ist doch Berufspolitik gefragt! Auch wenn hier exemplarisch von Intensivpflegekräften bzw. Intensivfachkraft geschrieben wird, ist die langfristige Übertragung auf alle Pflegerischen Berufsgruppen übertragbar. Um am Krankenbett zu arbeiten ist dann keine pflegerische Grundausbildung mehr nötig. "Das bischen Pflegen kann doch jeder!" Warum hat man die berufliche Pflege eigentlich geschaffen, weil Menschen mehr benötigen als das sie satt, sauber und gestriegelt den Tag verleben. Intensivkräfte können innerhalb der Klinik nicht ihren Arbeitsplatz wecheseln, was eine ausgebildetet Krankenschwester aber kann. Das alles gibt es ja schon = vgl. OTA/ATA (OperationsTechnischerAssisten/ AnästhesieTechnischerAssistent). Diese Entwicklung habe ich zuerst aus den Nierderlanden gehört und die Ausbildungszüge mit der deutschen Fachweiterbildung mal verglichen. Die OTA/ATA´s sind heute etabliert, weil sich keine Standesorganisation gewehrt hat. Das die Arbeitgeber diese Schmalspurausbildungen wollen ist nachvollziehbar. Sie haben weniger Geld und müssen deshalb mit Schmalspurpersonal auskommen. Man stelle sich vor, es gäbe einen Schmalspur-Arzt. Da stünden aber die Mediziner auf allen Beinen. Da ist der Organisationsgrad dieser Berufsgruppe eindrucksvoll!! Da können wir im Pflegebereich nur von träumen!! Unsere Nichtorganisiertheit macht es den anderen Berufsgruppen im Krankenhaus/im Gesundheitswesen einfach  "mit uns zu spielen.
Ich denke, dass es höchste Zeit ist, dass wir eine Pflegekammer bekommen, die die hoheitlichen Aufgaben des Gesundheits- und Kranken-FACHPFLEGEPERSONALS vertreten und durchsetzen. Diese Kammerpräsidentin/der Kammerpräsident benötigt alles andere als pflegerische Qualitäten.  Ich denke aber nicht, dass bestehende Verträge hiervon betroffen sein werden.
Ich frage nach den Verantwortungen [Anordnungs- und Durchführungsverantwortung].
Wenn ich mir vorstellen, dass "JEDER" auf Menschen losgelassen wird der schwere seelische Störung hat graust es mir.Sicherlich mag es einige Menschen geben, die eine natürliche Empathie haben. Es sind aber nicht die meisten!
Was wollen wir tun??    Lassen wir die neue Welle über uns rollen, oder stehen wir auf uns wehren uns??
Kämpferische Grüße, IKARUS  ....

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Offline Thomas Beßen

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Re: Schmalspurausbildungen
« Antwort #1 am: 28. Februar 2012, 19:09:05 »
Hallo Ikarus,
meinst dies hier: http://www.klinikverbund-suedwest.de/ausbildung-intensivpflege.0.html?
Schönen Feierabend!
Thomas
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Offline IKARUS

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Re: Schmalspurausbildungen
« Antwort #2 am: 28. Februar 2012, 20:24:39 »
Hallo Thomas, nein. Der Artikel von Bibliomed geht in die Richtung, dass es Mitarbeiter auf den Intensivstationen geben soll die keine Grundausbildung, sondern eine was auch immer Ausbildung bekommen sollen. Ich habe da noch keine Unterrichtsinhalte gesehen. Deinen Hinweis lese ich so, dass es sich hier um eine Pflegeausbildung handelt, die in Baden Württemberg angeboten wird. Das Bild ist aber für mich (berufspolitisch!!) aussagekräftig.
Tante und Onkel Dr. mit Stethoskop um den Hals!!
Auch Dir eine guten und erholsamen Feierabend, IKARUS

Offline Thomas Beßen

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Re: Schmalspurausbildungen
« Antwort #3 am: 29. Februar 2012, 07:55:31 »
Guten Morgen Ikarus,

wenn man diese Pressemitteilung http://www.dbfk.de/regionalverbaende/sw/TOP-Themen/PM-Intensivfachkraft-Klinikverbund-Suedwest.pdf * vom DBfK liest, kommt man schon drauf, dass der DBfK den www.klinikverbund-suedwest.de/ meint.
Aber einerlei, du hast recht mit deiner Kritik an dem heutigen meist undurchdachten Wildwuchs auf dem Gebiet der Pflegeaus-, fort- und weiterbildung. Auf der anderen Seite steht so manchem Krankenhaus, was das gut ausgebildete Pflegepersonal angeht, das Wasser bis zum Hals...
"Entscheidend ist, welchen Wert die Gesellschaft (endlich) der Pflege beimisst - und entsprechend handelt." (Zitat M.G., deine Worte :-))

Frühe Grüße!
Thomas

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"Intensivfachkraft in 3 Jahren – Lückenbüsser und Sackgasse

Absolventen mit mittlerer Reife sollen im Klinikverbund Südwest in Baden-Württemberg in nur drei Jahren zur Intensivfachkraft ausgebildet werden. Mit dieser neuen Ausbildung soll der akute Fachkräftemangel der Kliniken des Verbundes gelöst werden. „Was hier geschieht ist in höchstem Maße gefährlich gegenüber den Patienten und verantwortungslos gegenüber denjenigen, die sich auf eine solche Ausbildung einlassen“, kritisiert Andrea Kiefer, Vorsitzende des DBfK Südwest. Der Deutsche Berufsverband für Pflegeberufe e.V. (DBfK Südwest e.V.) lehnt diese Qualifizierung grundsätzlich ab.

In einem höchst sensiblen und anspruchsvollen Arbeitsbereich der Kliniken, in dem es um Leben und Tod geht, in dem höchste Anforderungen im pflegerischen und auch im medizinischen und technischen Bereich bestehen und wo Menschen in einer existenziellen Krise versorgt werden, sollen künftig 16-jährige eine Ausbildung machen, die weder anerkannt ist noch finanziert wird. Aus gutem Grund müssen heute Pflegefachpersonen nach ihrer dreijährigen Ausbildung noch Berufserfahrung sammeln und eine zweijährige Weiterbildung absolvieren, damit sie fachkompetent in diesem Bereich arbeiten können. ..."
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Offline Thomas Beßen

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Re: Schmalspurausbildungen
« Antwort #4 am: 09. März 2012, 07:20:44 »
Dazu eine Pressemitteilung der deutschen Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste (DGF):

"Die Deutsche Gesellschaft für Fachkrankenpflege und Funktionsdienste zeigt sich tief besorgt um die zukünftige pflegerische Versorgung der Intensivpatienten. Das veröffentlichte Ausbildungsangebot des Klinikverbundes Südwest, bei dem Absolventen in einem grundständigen Lehrgang zur sogenannten Intensivfachkraft ausgebildet werden sollen, zeigt die Konzeptionslosigkeit mancher Klinikträger zum Fachkräftemangel auf den Intensivstationen. Anstatt sich Gedanken um die Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Anerkennung der Pflegenden in ihrem Unternehmen zu machen, signalisieren sie hiermit den Fachpflegenden ein verheerendes Zeichen im Hinblick auf Wertschätzung ihrer bisher erfolgten Arbeitsleistung. „Dies ist ein Schlag ins Gesicht jeder fünfjährig weitergebildeten Fachpflegenden“, so Lothar Ullrich, Vorsitzender der DGF. „Wenn weiterhin jeder Geschäftsführer einer Klinik meint, er könne sich seine eigenen Weiterbildungen ohne eine Anbindung an nationale und internationale Bildungsstandards basteln, müssen wir uns um die Zukunft der Pflege in Deutschland keine Sorgen mehr machen – denn sie wird leider keine mehr haben!“

In diesem hochkomplexen Arbeitsfeld, in dem hoch qualifizierte Pflegende einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, dass Patienten nach schweren Unfällen und lebensbedrohlichen Krankheitsbildern überleben können, ist die Herabsetzung des Bildungsniveaus „lebensgefährlich“. Schwerstkranke Patienten haben mit Recht den Anspruch kompetent, sicher und professionell auf der Intensivstation versorgt zu werden.

Als Fachgesellschaft rufen wir junge Menschen auf, diese „Art von Schmalspurausbildung“ zu boykottieren, da sie unweigerlich in eine Sackgasse führt. Ohne staatliche Anerkennung und demzufolge rechtlicher Sicherheit drohen haftungs- und versicherungsrechtliche Probleme für die Absolventen."


Quelle: http://www.dgf-online.de/dgf-warnt-vor-schnappchenangeboten-in-der-intensivpflege/

Morgengrüße!
Thomas Beßen
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