Caritas, Diakonie, Awo und Kliniken sehen mehr Probleme als Lösungen" - so titelt der Gießener Anzeiger einen Artikel zum Thema und schreibt weiter:
"In 24 Staaten gelten die Empfehlungen der EU-Kommission bereits: Hierzulande regt sich jedoch heftiger Protest gegen ein von Brüssel verordnetes Pflege-Abitur. Den Plänen zufolge sollen Krankenschwestern, Pfleger und Hebammen künftig den höchsten Schulabschluss haben. Mit ihrem Vorstoß will die Kommission nach eigenen Angaben auf den sich abzeichnenden europaweiten Mangel an Pflegekräften mit „mobilen und gut ausgebildeten“ Fachkräften reagieren. Vor Ort stoßen derlei Pläne auf wenig Gegenliebe.
So prognostiziert etwa Holger Claes, Leiter der Diakonie in Gießen, eine Verschärfung des Pflegenotstands. Zudem würden Menschen ohne Abitur abgewertet. „Doch sie sind nicht weniger Wert.“ Die EU-Pläne würden außerdem denen nicht mehr gerecht werden, die in eine Pflegesituation kämen. Das Gleiche gelte im Übrigen für den Bereich Erziehung. Positiv hebt Claes die Absicht hervor, die Felder Pflege und Erziehung aufzuwerten.
Harro Masuhr hält den Vorschlag aus Brüssel nicht für „zielführend“. Der mittlere Abschluss für das Gros der Pflegeberufe sei vernünftig. Ohnehin sei die Qualität der Ausbildung und dessen, was man zu leisten habe, in Deutschland auf einem hohen Niveau. „Ich sehe nicht, dass das Ganze durch das Abitur besser wird“, äußerte der Personalleiter des St. Josefs-Krankenhauses.
Nach Ansicht von Roland Scheld, Leiter des Albert-Osswald-Seniorenzentrums der Arbeiterwohlfahrt (Awo) Gießen, zeige die Forderung immerhin, dass die Anforderungen in den Pflegeberufen gestiegen seien. Ansonsten sei der Vorschlag „der erste Schritt in die falsche Richtung“. Vielmehr müssten die Pflegeberufe stärker in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt werden. Noch immer sei die Bezahlung der Arbeit in den meisten Fällen nicht angemessen. Zwar habe die Awo noch keine Probleme, frei werdende Stellen - „vier bis fünf Fachkräfte scheiden bei uns pro Jahr aus“ - zu besetzen, doch könnte dies sich ändern, sollte die Anregung der EU-Kommission verwirklicht werden, befürchtet Scheld. Caritasdirektorin Eva Hofmann sagte, es mache keinen Sinn, „alle Lehrberufe zu akademisieren“ und sieht sich hier nach eigenen Angaben auf einer Linie mit dem hessischen Sozialminister Stefan Grüttner (CDU). Grüttner hatte vor einer Verschärfung des Fachkräftemangels gewarnt. Es gebe viele motivierte junge Menschen, die in einem Pflegeberuf arbeiten wollen. „Es wäre grob fahrlässig, diese Menschen auszuschließen, weil sie kein Abitur haben“, so die Caritasdirektorin. Der Reformvorschlag der EU-Kommission stellt aus Sicht des Gießener Universitätsklinikums eine Aufwertung pflegerischer Tätigkeiten dar. „Das ist erfreulich“, erklärte der Sprecher des Großkrankenhauses, Frank Steibli. Allerdings stehe dieser theoretische Anspruch aus Brüssel vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung der Praxis in Mittelhessen im Wege und werde nicht umsetzbar sein, da viel zu wenige Bewerber mit zwölf Jahren Schulbildung den Weg in die Pflege fänden. „Die immer anspruchsvoller werdende Krankenpflegeausbildung wird aus unserer Sicht auch in den nächsten Jahrzehnten junge Menschen benötigen, die mit mittlerer Reife oder einer vergleichbaren Qualifikation die Schule verlassen.“ Für das Klinikum und größte Ausbildungsstätte in der Region heiße das, noch mehr als bisher in die schon heute sehr gute Ausbildung des Pflegenachwuchses zu investieren. Steibli: „Die Gesundheitsbranche ist und bleibt auf Wachstumskurs und bietet viele Möglichkeiten und berufliche Aufstiege. Das Universitätsklinikum ist ein hoch attraktiver Arbeitsplatz.“"
Pro und Contra, es geht weiter...
Geduldige Grüße!
Thomas Beßen