Autor Thema: Als Berufsanfänger direkt auf der Intensivstation arbeiten...  (Gelesen 25883 mal)

Offline IKARUS

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Re: Als Berufsanfänger direkt auf der Intensivstation arbeiten...
« Antwort #15 am: 14. April 2012, 18:03:12 »
Aber sehr gerne Beate vertiefe ich den Hinweis auf unsere Einarbeitung.

Zuerst solltest Du wissen, dass ich über 10 Jahre Patienten mit ausgedehnten Verbrennungen pflegerisch mitbetreut habe.
Bei dieser Versorgung/Pflege ist es mitunter so, dass die Wundpflege eine Zeit von über 4 Stunden in Anspruch nehmen kann.
Es ist aber auch so, dass wir nicht nur Patienten mit sehr ausgedehnten Verbrennungen gehabt haben.
Da waren auch Patienten die sich durch elektrischen Strom verletzt haben und "nur" ein Ausmaß von weniger als 5% der Körperoberfläche aufwiesen. Die Probleme dieser Patienten lagen dann überwiegend in den Händer der Internisten, weil das Reizleitungssystem am Herz schwer geschädigt war.
Der ausgedehnt [über 30% VKO(verbrannte Körperoberfläche)] thermisch Verletzte musste nach der Grundversorgung dann auch an den Brandverletztenstellen pflegerisch versorgt werden. Diese Verbandwechsel müssen unter OP-ähnlichen Bedingungen durchgeführt werden. Denn eines der Kardinalprobleme dieser Patienten sind die sich entwickeln könnenden schweren Wundinfektionen. Um diese zu verhindern sind die Patienten auch in entsprechenden spezialisierten Abteilungen unter gebracht.

Stell dir bitte folgendes vor:
Ein Patient mit 50% VKO.
Bei so einer Verletzung muss man eine Wundversorgung von über 4 Stunden ansetzen. Damit die hauptverantwortliche Pflegekraft steril arbeiten kann, ist es erforderlich, dass die Pflegeutensilien steril angereicht werden, wie das im OP usus ist. Somit hat ein "Neuling" die Möglichkeit, nach dem er eingewiesen wurde, wie man Utensilien steril anreicht, sich anzusehen wie man strategisch vorgeht, wie man Brandwunden beurteilen kann, wie sich Brandwunden im Laufe der Zeit (auch farblich!) entwickeln.
Bis ein so verletzte Patient operationsfähig ist, vergehen etwas 14 Tage! Also genügend Zeit sich das Procedere anzusehen.
Wenn sich der "Neuling" gut und fit fühlt, kann eine Wechsel angedacht werden. Es muss ja nicht dieser Patient sein.
Der Neuling erzählt, was er machen will und wie er vorgehen möchte. Nach dieser Erzählung entscheidet der PA ob der Wechsel durchgeführt werden kann. Wenn dem so ist, ist dann der PA der Springer und reicht dem "Neuling" alles Erforderliche an. Weil das Vorgehen besrochen wurde, dürften kaum komische Sachen passieren, so dass alles vom PA vorausgeahnt werden kann.
Wenn es nun zu unvorhersehbaren Änderungen kommt, kann der PA eingreifen. Da ist Einfühlungsvermögen gefragt, denn der Patient soll das Wissensstandsdefizit nicht unbedingt mitbekommen.
Ich habe dann oft gesagt, dass jetzt der Zeitpunkt gekommen ist, wo man einen Platzwechsel durchführen muss.
Das konnte immer mit der Kondition erklärt werden.
Du musst bedennken, dass in den Zentren /im Zimmer des Patienten eine Raumtemperatur von bis zu 32° Celsius herschen kann, denn die Patienten dürfen ja nicht auskühlen.   Diese Schutzfunktion der Haut ist ja verloren gegangen.
Wenn solche Situationen eingetreten sind, der PA also den VW zuende geführt hat, wurde in einem Nachgespräch (bei Kaffeee und Kuchen!) der VW und das Verhalten des "Neuling" reflektiert.
Bei dieser Reflektion ist es nie zu Unstimmigkeiten gekommen und die Neuen/Schüler fühlten sich nie überfordert.
Im Schülerranking sind wir auf deren Liste weit oben gewesen!
Wenn es ein Schüler wollte, durfte er sich erstmal an kleineren Verletzungen ausprobieiren. Auch hier unter Anleitung des PA!
Es gibt kaum eine Situation, wo eine Pflegekraft etwas allein erledigen kann.
Bei Patienten die kurz vor der Entlassung stehen, kann eine Pflegekraft alleine arbeiten, was zur Folge hat, dass sie dann temporärer Sprringen sein kann/muss.

Ich könnte noch so viel schreiben. Aber es soll erst mal genug sein. Beantworten kann ich mehr, oder Du hospitierst mal in der BG-Klinik in Ludwigshafen.
Kollegiale Grüße, IKARUS
« Letzte Änderung: 16. April 2012, 10:04:26 von IKARUS »

Offline Beate

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Re: Als Berufsanfänger direkt auf der Intensivstation arbeiten...
« Antwort #16 am: 16. April 2012, 16:33:38 »
Herzlichen Dank für die sehr ausführliche Veranschaulichung!
LG Beate