Autor Thema: Diskussion um Pflegekammer I  (Gelesen 5477 mal)

Offline Thomas Beßen

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Diskussion um Pflegekammer I
« am: 18. März 2010, 06:31:46 »
Hier ein erster Beitrag zur Diskussion über eine Pflegekammer oder auch Berufskammer für die Pflege genannt: http://www.deutscher-pflegerat.de/dpr.nsf/0/DB729E542B35C0D4C12574270045DA3E/$file/DPR_Newsletter_März%202010%20r.pdf ("DPR Newsletter März 2010; Im Focus...")

Guten Morgen allseits!
Thomas Beßen

p.s.: für die entsprechende aktuelle AG des K '07 HT zum Themenbereich 11 bestimmt nicht uninteressant... :wink:
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Thomas Beßen

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Pflegekammern sind überflüssig...
« Antwort #1 am: 26. April 2010, 14:43:46 »
meint die Info-Post Pflege der Gewerkschaft Ver.di in ihrer heutigen Ausgabe (s. Anlage) und führt weiter wie folgt aus:

"Immer wieder gibt es Aktivitäten in den Ländern, Pflegekammern für Pflegeberufe zu errichten. Aktuell derzeit in Niedersachen. Die Oppositionsfraktionen Bündnis 90/Die Grünen und die SPD haben jeweils Gesetzesentwürfe in den Landtag eingebracht. Der Gesundheitsausschuss plant am 12. Mai 2010 eine Anhörung. Dazu ein Interview mit Gerd Dielmann, Bereichsleiter Berufspolitik, Fachbereich 3, ver.di Bundesverwaltung.

Es entsteht der Eindruck, dass alle Jahre wieder - wie Weihnachten - die Diskussion um die Kammer für Pflegeberufe aufkommt. Das Pro und Contra ist längst ausgetauscht. Warum aber gibt es immer wieder diese politischen Initiativen?

Dielmann: Seit einigen Jahren wird die Diskussion um die Errichtung von Pflegekammern geführt. Die dabei vorgetragenen Gründe der Kammerbefürworter/-innen wiederholen sich. Es kommen kaum neue Gesichtspunkte hinzu. Die in erster Linie zuständigen Länderparlamente zeigen sich von den Forderungen bislang unbeeindruckt, obwohl diese Vorschläge gut in die bei fast allen Parteien vorherrschenden Deregulierungskonzepte passen würden. Allenfalls Oppositionsparteien, gleich welcher Couleur, nehmen sich gelegentlich - in der Hoffnung auf Wählerstimmen - der Thematik an, um sie dann in der Regierungsverantwortung ebenso schnell wieder zu vergessen.

Welche Argumente für eine Kammer der Pflegeberufe gibt es?

Dielmann: Häufig genannte Gründe für die Errichtung von Kammern sind: Die Pflegeberufe sollten sich zur Profession entwickeln und bedürften deshalb der beruflichen Selbstverwaltung durch Kammern. Den Kammern sollen dann hoheitliche Aufgaben übertragen werden, wie Regelung von Aus- und Weiterbildung, berufsrechtliche Disziplinargewalt, Überwachung der Qualität der Berufsausübung. Sie diene den Interessen der Pflegebedürftigen, schütze sie vor unsachgemäßer Pflege und sichere deren Qualität. Darüber hinaus wird Kammern eine stärkere politische Einflussnahme zugesprochen. In jüngerer Zeit wird verstärkt auch mit dem geringen Organisationsgrad der Pflegeberufe argumentiert, der durch eine Pflichtmitgliedschaft zweifellos verbessert und den Verbandsfunktionären erhebliche Finanzmittel zur Verfügung stellen würde.

Was hältst du als Angehöriger des Berufsstandes und berufspolitischer Experte in ver.di zur Professionalisierung der Pflegeberufe dagegen für erforderlich?

Dielmann: Angesichts der Tatsache, dass vor allem in ambulanten Pflegediensten und in der stationären Altenhilfe berufliche Pflege oft zu mehr als fünfzig Prozent von un- und angelernten Pflegekräften ausgeübt wird, erscheint die ganze Professionalisierungsdebatte - im Sinne der Entwicklung zur Profession mit den Merkmalen universitäre Ausbildung, spezialisiertes Wissen, Handlungsmonopol usw. - ziemlich realitätsfern. Angesagt wäre eher eine Verberuflichung von Pflege, in dem Sinne, dass jene Pflege, die gegen Entgelt ausgeübt wird, nur noch von Fachkräften mit entsprechender Berufsausbildung geleistet werden darf. Damit würde ein deutlicher Schritt zur Verbesserung von Pflegequalität und zur Sicherung der Beruflichkeit getan.

Können Kammern Interessenverwalter für Pflegebedürftige und Patient/innen sein, wie dies die Befürworter häufig vortragen?

Dielmann: In einem demokratischen Staat werden die Interessen der Bürgerinnen und Bürger durch von ihnen gewählte demokratische Organe und einer diesen Organen verpflichteten bürgernahen Verwaltung gewährleistet. Die Interessenvertretung der Pflegebedürftigen und Patient/innen können nach diesem Verständnis nicht stellvertretend durch Berufsstände in deren jeweiligen Tätigkeitsfeldern erfolgen. Die Leistungserbringer sind nicht legitimiert, die Interessen der Pflegebedürftigen zu vertreten. Warum sollten sie auch von ihren Partikularinteressen absehen und sich dem Gemeinwohl unterordnen? Schutz und Sicherheit der Bevölkerung vor unqualifizierter oder schlechter Pflege wird nicht durch berufsständische Selbstkontrolle erreicht. Vielmehr bedarf es gesetzlicher Rahmenbedingungen, die Finanzierung, Qualifikation und Qualitätssicherung garantieren. In meiner Sichtweise werde ich bestärkt, wenn ich wahrnehme, dass z.B. die Marseille-Kliniken, ein börsennotierter Pflegeheimkonzern, unter der Überschrift „freiwillige Registrierung von Pflegekräften“ seine Pflegebeschäftigten zwangsweise in einer Registrierungsstelle beim Berufsverband anmeldet im Vorgriff auf die erhoffte Pflegekammer. Diese „Kooperation“ der Leistungserbringer hat einen mehr als schlechten Beigeschmack und macht deutlich, dass es im Gegenteil erforderlich ist, die Abnehmer der Dienstleistungen vor den Anbietern besonders zu schützen und an der Gestaltung der Sozial- und Gesundheitsdienste selbst zu beteiligen z.B. durch Patientenberatungsstellen, Mitwirkung in der Selbstverwaltung der Sozialversicherungen u.ä..
..."


Das ganze Interview steht in der Anlage zum Downloaden bereit.
Viele Grüße in alle Winde!
Thomas Beßen

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