Autor Thema: "Für DICH immer noch SIE"  (Gelesen 7334 mal)

Offline Dottore

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"Für DICH immer noch SIE"
« am: 16. März 2010, 10:30:33 »
Hierarchien sind Dinge, die manchmal komplizierter sein können als man meint.
Speziell wenn jeder eine andere Idee davon hat.

Als ich in der Somatik "aufschlug" stellte man mir die Ärzte auf Station (Ausnahme Chef und Oberärzte) "indirekt" mit Vornamen vor.
Ich fragte auch nochmal nach: "Verzeihung ich kenne keine Krankenpflegerin, bzw. Krankenschwester mit dem Namen ...."
Als Antwort kam "Das ist auch keine Schwester, das ist die Ärztin".

"Na schön", dachte ich und sprach diese dann auch so an und auch mit "Du", so wie sie das auch bei mir taten.
Für mich kein Problem. Ich definiere Distanz (auch berufliche) ja sowieso anders als Andere es tun.

Naja, die Stationsärzte schien das auch nicht zu stören, es beschwerte sich auch keiner. Bei mir zumindest!
Dann kam der Tag des Abschlussgesprächs, und der erste Punkt der angesprochen wurde war was mir denn einfallen
würde, die Ärzte zu "Duzen". Angeblich hätten diese sich auch bei der Stationsleitung darüber ausgelassen.

Ich fragte, warum ich nicht schon früher davon in Kenntnis gesetzt wurde zum Beispiel von den Ärzten direkt, denn
dann hätte man ja auf das "Sie" zurückkommen können. Das wäre für mich nicht weiter schlimm gewesen.
Stattdessen musste man bis zum Abschlussgespräch damit warten. Auf diese Argumentation ging man gar nicht erst ein.

Stattdessen erläuterte man mir, dass man die Ärzte nur dann "duzen" soll/darf, wenn man schon lange mit Ihnen - wenn
man das so sagen kann - "zusammen"-arbeitet. Auch die FSJler und Praktikanten sowie die hauseigenen Schüler sollen die Ärzte "siezen",
während diese aber "geduzt" werden. Diese sind aber auch oft noch minderjährig oder gerade so volljährig und
frisch von der Schule und es daher noch von der Lehrerschaft gewohnt.

Aber was, wenn der Schüler über 30 Jahre alt ist und vielleicht älter als der Stationsarzt?
Das war wohl auch das große Dilemma, welches die Ärzte wohl hatten. Diese gingen wahrscheinlich davon aus,
dass falls sie das "Sie" direkt eingefordert hätten sie eben auch hätten "Siezen" müssen.
Und damit hätten sie mich über das Stammpflegepersonal gestellt, was ja "geduzt" wird.
Das wäre denen dann evtl. auch nicht recht gewesen.

Aber wie stellt man es dann an, dass man "gesiezt" wird und gleichzeitig vom Gegenüber "geduzt" und dann alle damit zufrieden sind.

Jaja, dass Lehrjahre keine Herrenjahre sind, das hatten wir ja bereits, vor allem diejenigen, die schon eine Ausbildung hinter sich gebracht haben.
Aber manchmal sind Lehrjahre auch irgendwie keine Lehrjahre, nämlich dann wenn manche nicht gleicher sein können als andere, aber es so gewohnt sind.
« Letzte Änderung: 16. März 2010, 13:48:10 von Dottore »
"Wer die Wahrheit ausspricht sollte sein Pferd gesattelt lassen."
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Offline Pamela K07

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Re: "Für DICH immer noch SIE"
« Antwort #1 am: 16. März 2010, 14:39:27 »
Also ich denke, wenn einem von dem Arzt das DU angeboten wird, warum nicht. Das hat ja nichts damit zu tun wie lange man schon zusammenarbeitet.Und auch wenn man schon lange zusammen arbeitet, kann man nicht sagen das man erst dann einen Arzt duzen darf. Das ist in den Häusern und auch von Arzt zu Arzt unterschiedlich. Wobei ich es sehr schade finde, das dieses Thema erst beim Abschlussgespräch angesprochen wurde. Das hätte man schon viel früher tun können und das Thema wäre vom Tisch gewesen.

Lg Pamela K07
Arzt zum Patient: "Was macht eigentlich Ihr altes Leiden?" - "Keine Ahnung, Herr Doktor, wir sind seit einem halben Jahr geschieden."

Offline dino

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Re: "Für DICH immer noch SIE"
« Antwort #2 am: 16. März 2010, 16:29:28 »
Sekt oder Selters, ein bißchen schwanger geht eben nicht. Also wenn Duzen, dann in beide Richtungen. Wer wem das Du anbietet ist mir Jacke wie Hose. Im Rd wird sich grundsätzlich geduzt und es bricht keinem nen Zacken aus der Krone, einschl. Oberärzte die lockerer sind als man denkt. Hängt halt mit den Strukturen zusammen, und im Allgemeinkrankenhaus ist man teilweise noch verpappt. Die Teams fühlen sich durch das Duzen der Docs aufgewertet, und da kommt doch ein Schüler aus dem green forrest hospital und duzt auch, ei Du Schlimmer. Damit hast Du Dich wahrscheinlich in ihren Augen mit ihnen auf eine Stufe gestellt.
Schade ist nicht das richtige Wort. Es ist ein Armutszeugnis: a) vom Arzt, da er dies nicht persönlich angesprochen hat, b) von der Stationsleitung weil sie dies 1) überhaupt zum Thema machte und 2) nicht zum Doc sagte: Wenn Dir was nicht gefällt, sag es selber.
Wenn man fies ist könnte man sagen. Wer sich als Leitung die Zeit nehmen kann sich darüber Gedanken zu machen kann es mit der Arbeitsbelastung ja nicht so dolle sein.

Offline Jes

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Re: "Für DICH immer noch SIE"
« Antwort #3 am: 25. März 2010, 10:43:59 »
Ich gebe "Euch" vollkommen recht. Es ist zwar schwierig wenn man von einem Menschen einen anderen per Vornamen vorgestellt bekommt, aber nur weil man eine Person beim Vornamen nennt muss es ja nicht gleich "Du" sein. Wenn mir ein Mensch persönlich das "Du" anbietet, dann nehme ich es dankend an. Ich persönlich werde gerne "gedutzt" und trotzdem erwarte ich Respekt mir gegenüber als Mensch und auch als Auszubildende. Am wichtigsten ist es mir, dass die Verhältnisse klar sind, nicht zu wissen ob man "Du" oder "Sie" sagen soll ist echt unangenehm, vorallem wenn Sympathie im Spiel ist, es aber eine deutliche berufliche "Hierarchie" gibt, auch wenn Ärzte und Putzfrauen gleichwertige Menschen sind!!! Wenn mir ein Mensch, ob Kollege oder Chefarzt das "Du" anbietet und vorallem wenn andere dies mitbekommen, benutze ich es gerne, um die Barriere der Scham?/Angst? zu überwinden und trotzdem begegne ich dieser Person mit Respekt und wahre Distanz. :-) Ich denke also das "Du" ist grundsätzlich nicht schlecht, es muss aber klar sein ob es erwünscht ist und darum sollte man sich selbst rechtzeitig kümmern. Genauso wie man es rechtzeitig gesagt bekommen sollte wenn es nicht erwünscht ist!!! Wir alle sind ja auch nur Menschen und nicht unfehlbar und manchmal macht man etwas, weil man es für richtig hält, gefühlsmäßig und die andere Seite empfindet die Situation ganz anders.
"Mehr als die Vergangenheit interressiert mich die Zukunft, denn in ihr gedenke ich zu leben."
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"Viele Menschen wissen, dass sie unglücklich sind. Aber noch mehr Menschen wissen nicht, dass sie glücklich sind."
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