Autor Thema: Digitalisierung - hat schon mal jemand die Bewohner gefragt?  (Gelesen 3678 mal)

Offline Thomas Beßen

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"Zu technisiert, da geht das Zwischenmenschliche verloren? Von wegen. Manche Digital-Produkte rufen regelrecht Begeisterung hervor - zumindest im Pflegeheim Haus Gartenstadt in Berlin-Rudow. ..."

>>> https://www.pflegen-online.de/digitalisierung-hat-schon-mal-jemand-die-bewohner-gefragt

Guten Morgen!
Thomas Beßen

p.s.: Tja. Ohne mein Tablet gehe ich später irgendwo hin... 8-)
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline IKARUS

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Re: Digitalisierung - hat schon mal jemand die Bewohner gefragt?
« Antwort #1 am: 27. Februar 2020, 07:53:07 »
Wo kommen wir denn da hin, wenn wir die Betroffene fragen, was sie wollen/möchten!!!
Eine Einrichtung in der Gesundheitsindustrie muss betriebswirtschftlich sein!! Das Zwischenmenschliche ist schwer betriebswirtschaftlich darstellbar, weshalb es ja auch nicht im Leistungskatalog aufgeführt ist. Lieber einmal mehr "aufschneiden", statt die Hand eines Leidenden halten und nur aushalten.
Die Kunst der PFLEGE besteht darin, auch nach vielen Jahren noch empathisch zu bleiben.
Da hilft nicht der Spruch:" Du musst dir ein dickes Fell zulegen, um die Anforderungen des Berufes auszuhalten!"
Genau das Gegenteil ist die hohe Kunst einer excellenten menschliche Pflege. Aber wer will diese Kunst bezahlen??

Beste Grüße,Michael Günnewig

Offline dino

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Re: Digitalisierung - hat schon mal jemand die Bewohner gefragt?
« Antwort #2 am: 28. Februar 2020, 11:03:32 »
Die Kunst der PFLEGE besteht darin, auch nach vielen Jahren noch empathisch zu bleiben.
Da hilft nicht der Spruch:" Du musst dir ein dickes Fell zulegen, um die Anforderungen des Berufes auszuhalten!"

Hier muss ich Dir klar widersprechen. Empathie gleich: Empathie bezeichnet die Fähigkeit und Bereitschaft, Empfindungen, Emotionen, Gedanken, Motive und Persönlichkeitsmerkmale einer anderen Person zu erkennen, zu verstehen und nachzuempfinden. Ein damit korrespondierender allgemeinsprachlicher Begriff ist Einfühlungsvermögen

Hierbei sollte man mit professioneller/therapeutischer Distanz vorgehen. Empathie ist ein Werkzeug. Viele, grade aus dem Bereich der Pflege, verinnerlichen Empathie zu sehr. Hier fehlt dann die Distanz. Keiner der Betroffenen sieht dann den ihn umgebenden Rahmen. Erst breitet sich dann Frust aus, später burn out und innere Kündigung. Nicht umsonst leiden Pflegekräfte oft unter burn out und/oder Depressionen. Dies nicht selten, weil sie ihre (zu hoch) gesteckten Ziele nicht erreichen. Sie verkennen die Gesamtsituation, realisieren nicht den Rahmen, und verzweifeln daran. Folge: Eine Arbeitsverdichtung der vorhandenen Pflegekräfte. Wir haben es tagtäglich mit Krankheit, Leid, Tot zu tun. Und dazu muss man seelisch stabil sein. Dazu kommt noch der Pflegenotstand. Viele Stellen sind nicht besetzt. Wer nun noch nur seine Ziele sieht, ist zum Scheitern verurteilt. Auch die Pflege unterliegt mathematischen Gesetzen. Man kann nicht mehr leisten als man als Kapital hat.


VG
dino

Offline IKARUS

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Re: Digitalisierung - hat schon mal jemand die Bewohner gefragt?
« Antwort #3 am: 28. Februar 2020, 15:53:14 »
Wenn Du recht hast Dino, und davon gehe ich aus, bleibt die Frage: wer erhöht denn den Druck auf die Pflegekräfte am Bett/Sessel der Patienten/Bewohner?

Was ist denn für dich professionelle Distanz?
Richtig ist auch, dass Empathie für uns ein Werkzeug ist!! Nun muss man dann nur noch lernen mit dem Werkzeug umgehen zu können. Einige haben einen Schraubendreher in der Hand und wundern sich, dass das Vorhaben nicht gelingen will.

Beste Grüße, Michael 

Offline dino

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Re: Digitalisierung - hat schon mal jemand die Bewohner gefragt?
« Antwort #4 am: 28. Februar 2020, 17:41:13 »
Ok, der Druck kommt a) vom Bewohner, b) von den Angehörigen, c) dem Träger der Einrichtung, d) dem Kostenträger und last not least dem Leistungserbringer.

Eine professionelle Distanz bedeutet für mich auch nach einer negativen Reanimation noch gepflegt Frühstücken zu können. Abends ohne Probleme Einschlafen zu können. Von dem Modellbauladen aus meiner Jugend träumen. Mit meiner Frau nach Schichtende Boot zu fahren. Kurz, mein Inneres ist vom Geschehen nicht betroffen. Meine eigene Gefühlswelt ist nicht betroffen. Klappt meistens. Nach frustranen Pädiatrienotfällen wurde ich dann als junger Vater stündlich wach, stand auf, kontrollierte die Atmung meiner Kids, und schlief dann weiter. Einen kleinen Schaden trägt jeder davon, das ist (fast) normal. Robust/Stressresistenz bedeutet aber nicht emotional abzustumpfen. Ich freu mich auch heute noch über Kleinigkeiten und mein Tag ist versaut wenn ich morgens z. B. beim Brötchenholen, einen überfahrernen Waschbär sehe. Meine Art mit belastenden Ereignissen gut umzugehen liegt vielleicht daran das ich in Feuerwehr/Rettungsdienst "groß" geworden bin. Nach Einsätzen redeten wir darüber. Ohne diesen ganzen Psycho Quatsch. Denn es gibt Menschen, die sind vielleicht ein begnadeter Bäcker, aber sie können unseren Job psychisch nicht durchstehen. Das ist zu akzeptieren. Ich wäre für eine Bank absolut ungeeignet.
Ich hab übrigens beides, einen Akkuschrauber fürs Grobe und einen Kreuzschlitz im mm Bereich für den Modellbau.  :-D

Viele Grüße
dino