Autor Thema: Ein zeitloser Klassiker  (Gelesen 3456 mal)

Offline dino

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Ein zeitloser Klassiker
« am: 20. Dezember 2019, 14:02:27 »
Der Trauma Atlas "Unfallrettung - Medizin und Technik" gehört auch heute noch zu den Top Trauma Bücher. . Mein Exemplar ergatterte ich 1986, anfangs verwendete ich ihn als Kreisausbilder bei der Feuerwehr. Allerdings leistete und leistet er mir auch im Notfallmanagementunterricht unserer Schule treue Dienste. Es muss jedem in unserem Job klar sein das die Arbeit nicht nur aus Pflegediagnosen erfassen besteht. Manchmal geht es um Sekunden, und manchmal sind diese Sekunden schon abgelaufen.

VG
dino
« Letzte Änderung: 20. Dezember 2019, 18:08:21 von dino »

Offline IKARUS

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Re: Ein zeitloser Klassiker
« Antwort #1 am: 21. Dezember 2019, 09:50:12 »
Lieber Dino, dass es Klassiker in der Fachbuchliteratur gibt ist unbestritten!!! Das auch hierzu Fachmedizinbücher gehören ebenso.
Ich verstehe aber nicht den Hinweis (Tritt gegen das Schienbein!) nicht, bezogen auf die Pflegediagnosen.
Ich kennen keinen Arzt, der ohne eine Diagnose handelt. Selbst in einer Notfallsituation ist es erforderlich, sich einen Überblick zu verschaffen, bevor man handelt.
Sicherlich, und so könnte ich deinen Hinweis interpretieren, kann man auch überdiagnostizieren.
Aber:!!! Ohne eine gute Analyse der aktuellen Situation, entwickelt sich Vieles in die ungewünschte Richtung. Wer will das?  Du sicherlich auch nicht!!
DIAGNOSE bedeutet erkennen! Nicht mehr und nicht weniger und ist keine Domäne der Medizin, denn es gibt auch Diagnosen in der Autowerkstatt und welche die der Förster erstellt, wenn er herausfinden will, ob der Wald krank ist und gezielte Maßnahmen benötigt um gesunden zu können.

Nun zu unserem Beruf! Du bist ja ähnlich lange im Beruf wie ich und hast da sicherlich auch so Einiges erleben "dürfen".
Da wurde mit der Arbeit begonnen und so Eininges verworfen, weil man sich zu Beginn nicht genügend Gedanken gemacht hatte.
Hier setzt die "moderne (wissenschaftliche) berufliche PFLEGE" an. Sie analysiert den Zustand und legt die erforderliche Pflege fest (der zweite Schritt im Pflegeprozeß!). Auch den habe ich in meiner Grundausbildung nicht gelernt!!! Erst später im Eigenstudium!
Ich möchte nicht mehr so arbeiten wie vor 40 Jahren und geschweige denn, meine heutigen SchülerINNNEN so anleiten.
Zu dem Lehrbuch! Auch ich benutze heute gerne "alte" Lehrbücher. Sind in denen doch Gedanken, die bis heute nicht getoppt werden konnten. Vieles wird nur anders formuliert. Gemäß dem Spruch, den ich mal auf einem Kongreß gehört habe: "ES wurde schon ALLES gesagt, aber noch nicht von Jedem!"

Es gibt übrigens einen guten Foliensatz von unserem Kollegen aus der Schweiz zu den Pflegediagnosen in der Psychiatrie. Dieser mag sicherlich hier im Forum hinterlegt sein.
Habe im Kreise deiner Kollegen und ggf. in deiner Familie eine gute Festtagszeit und einen guten Rutsch ins Neue Jahr.

Beste Grüße, Michael

Offline dino

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Re: Ein zeitloser Klassiker
« Antwort #2 am: 21. Dezember 2019, 13:28:04 »
Lieber Ikarus, ich weiß das Pflege Dein Steckenpferd ist. Also, keiner will an Pflegediagnosen. Du bist aber hier im Notfall Thread. Da haben Pflegediagnosen nichts verloren. Hier gibt es (vorläufige) Arbeitsdiagnosen. Letztendlich schrieb ich nichts anderes, denn als Kreisausbilder habe ich das Taktikschema verinnerlicht. Wenn denn der Patient gerettet ist kommt er in die Klinik. Nach Versorgung in der ZNA über OP auf Intensiv und dann auf Station. Ab Intensiv dann Pflegediagnosen. Vorher wären sie absolut sinnbefreit.
Bei einem Waldbrand interessiert mich die Windrichtung, und ob es ein Mischwald oder eine Monokultur ist. Dann die Kräfte für den Erstschlag. Sollte ich allerdings auf der Anfahrt eine größereQualmentwicklung oder Wipfelfeuer sehen wird nachalarmiert. Nennt sich erkunden. Wenn ein Förster seine Runden dreht und z. B. einen Borkenkäferbefall feststellt stellt er die Diagnose Borkenkäferbefall. Dies lässt ihm aber mehr Handlungszeitraum als wenn der Wald brennt. Weil sonst gibt es keine Bäume mehr die der Borkenkäfer befallen kann. Und so ist es auch beim medizinischen Notfall. Erst das Taktikschema mit ABCDE Schema, SAMLER etc., später dann Pflegediagnose. Denn sonst wäre der Patient tot.

VG
dino

Offline IKARUS

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Re: Ein zeitloser Klassiker
« Antwort #3 am: 21. Dezember 2019, 13:49:16 »
Lieber Dino! Habe Dank für deine Info.
Es gibt bei den Pflegediagnosen, wie bei den anderen Diagnosen ein Bündel an unterschiedlichen Diagnosearten = Wellness- oder Gesundheitsdiagnosen, Syndromdiagnosen, Risiko- und Hochrisikodiagnosen. Bei den letzteren bleibt, wie in der Medizin kaum Zeit langwierige Proceduren vorzuschalten. Da sind wir uns sicherlich einig!
Dein Hinweis auf den Borkenkäferbefall würde sicherlich auch beim Förster nicht zu den Risiko- oder gar Hochrisikodiagnosen gehören. Da hat auch der Förster/die Forstbehörde mehr Zeit, als wenn es um tatsächliches Leben geht. Selbst beim Hochwasser in Köln gibt es unterschiedliche Zenarien, wer wann was in welcher Reihenfolge erledigen muss.
Übrigens zum Tod!!! Als ich 2001 eine Aufsatz verfasst habe, hat mir ein "Kollege" empfohlen, ich möchte doch besser mit "meinen Diagnosen" zum World Trade Center fahren. Es war der 10. September 2001. Du verstehst?
Ich denke, dass auch er, den Sinn der Pflegediagnostik (noch) nicht verstanden hat. Bei der Pflegediagnositk geht es um die Feststellung des Pflegebedarfs eines Menschen und wie wir ihn gegenüber den "Geldgebern" argumentativ vertreten können, was auch andere Berufsgruppen nutzen, wenn sie ihre Leistungen abrechnen wollen.
Das Notfälle andere Prioritäten uns abverlangen steht doch außer jeder vernünftigen Diskussion. Ich argumentiere auch nicht im Notfall mit meinem Fachbuchwissen. Da lege ich Hand an und diskutiere später bei einer Tasse Kaffee. Alles zu seiner Zeit Dino!!
Im Prinzip ticken wir doch ähnlich, blicken nur immer wieder um andere Ecken!

Beste Grüße aus dem sonnigen Essen, Michael

Offline dino

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Re: Ein zeitloser Klassiker
« Antwort #4 am: 21. Dezember 2019, 16:09:22 »
hat Dich der Kollege mißverstanden? Pflegediagnosen sind nur ein Teil unsrer Arbeit. Und ich, in meiner grenzenlosen Naivität, dachte immer, mit den Pflegediagnosen würden wir den Patienten eine optimal individualisierte Behandlung nach evidenzbasierten Expertenstandars zukommen lassen. Und dabei geht es nur um schnöden Mammon. Oh, ich Dummer, hab ich den Schülern doch Müll erzählt.

VG
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Offline IKARUS

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Re: Ein zeitloser Klassiker
« Antwort #5 am: 22. Dezember 2019, 10:20:24 »
Mit den Pflegediagnosen stellen wir den Pflegebedarf eines Menschen/Patienten fest. Erst danach erfolgt die Planung der individuellen Pflege.
Ne! Der Kollege hat da / mich nicht falsch verstanden!!
Ja auch mit dem letzten Hinweis hast Du recht Dino!! ES "nur" um den schnöden Mamon!! Egal ob in der Medizin, der Pflege oder in der Kirche/im sozialen Dienst. Wenn das Geld nicht reinkommt wird der Laden geschlossen. Egal ob Caritas oder Diakonie oder ....
Da Du ja auch gegen Altruismus bist, müsstest Du das ja gut nachvollziehen können. Ohne Knete keine Fete!
Nun weiß ich ja nicht , was du deine Schülern erzählst/beibringst. Bezweifle aber, dass das Müll sein könnte.

VG, Michael

Offline dino

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Re: Ein zeitloser Klassiker
« Antwort #6 am: 22. Dezember 2019, 11:58:24 »
Wenn Du denkst es gäbe mehr Knete durch Pflegediagnosen bist Du auf dem Holzweg. Das meiste ist in der Basisleistung enthalten. Mir ist natürlich bekannt, dass kein Mensch gesund ist, höchstens nicht ausdiagnostiziert. Es bringt aber nichts wilde Pflegediagnosen aufzustellen. Denn eine Pflegediagnose MUSS regelhaft validiert werden. Wenn man sich nun hinreißen läßt wild Diagnosen zu stellen bleibt keine Zeit mehr für die restliche Arbeit. Pflegediagnosen taugen nur etwas für Praktiker, die erkannt haben, dass ALLES einem Wechselspiel zwischen Wichtig, ists nice to have und unwichtig ist. Also eine Triage. Oder anders ausgedrückt: Besetzung durch zu leistende Arbeit dividiert, abzüglich der Zeit für unvorhergesehene Ereignisse. Und sei es ein Sch...haufen auf dem Flur, der muss weg. Egal wer ihn wegmacht. Und wenn die Leitung grade PD ersinnt wird sie sich aufraffen und den Haufen entfernen. Und wenn einer nicht mehr pinkeln kann kriegt er erst (nach Diagnostik) einen neuen Katheter, bevor man eine PD schreibt. Und wenn dann Feierabend ist erwarte ich das die Mitarbeiter nach der Übergabe nach Hause gehen, und sich nicht noch hinsetzen um PD`s zu verfassen. Fällt jedoch jemand um und ist reanimationspflichtig bleibt  man natürlich und reanimiert. Man muss eben Prioritäten setzen.

VG
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