Autor Thema: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code  (Gelesen 4999 mal)

Offline Thomas Beßen

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"Um sie möglichst schnell wiederzufinden und dann nach Hause zu bringen, stattet die japanische Stadt Iruma Demenzkranke neuerdings mit einem QR-Code aus. Der befindet sich auf einem rund einen Zentimeter großen Sticker, der den Patienten auf den Finger- oder Fußnagel geklebt wird, wie die Nachrichtenagentur AFP berichtet. Scannen Behörden den Code, erhalten sie eine individuelle Identitätsnummer des Patienten. Damit können sie ihn identifizieren und seinem Zuhause zuordnen. Die Aufkleber halten bis zu zwei Wochen lang auf dem Nagel - auch wenn sie nass werden. ..."

Von Viola Ulrich unter https://www.welt.de/kmpkt/article160152503/In-Japan-bekommen-Demenzkranke-jetzt-einen-QR-Code.html

Nichtcodierte Grüße!
Thomas Beßen

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Offline Thomas Beßen

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #1 am: 15. Dezember 2016, 06:40:40 »
Ups, ich hab' mal den QR-Code am Bildschirm mit dem Handy gescannt: 入間市 電話0429641111

Siehe auch http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/demenz-iruma-japan-stattet-betroffene-mit-qr-codes-aus-a-1125058.html

Guten Morgen nach Fernost! :-)
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline IKARUS

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #2 am: 15. Dezember 2016, 10:56:11 »
" ...um verirrten Demenzkranken schnell wieder nach Hause zu helfen ..."

Das ist technisch sicherlich ein guter Ansatz, aber es gibt auch rechtliche Aspekte. Ich frage mich, wie die Autorin darüber berichten würde, wenn in Deutschland Demenzkranke mit diesem technischen Hilfsmittel ausgestattet werden.
Das Anbringen von "Fußfesseln" = elektronische Hilfsmittel ist rechtlich nicht erlaubt. Wenn das sich eine Pflegeeinrichtung erlauben würde!
Da würde ein Schwall der Entrüstung losgehen und die Presse/die Reporterin würde die Leitung öffentlich anklagen.
Demenzkranke Menschen sind nicht entmündigt und für das Anlegen einer Fußfessel benötigen wir eine schriftliche Erlaubnis eines Vormundes oder eines Richters.
Es ist doch sehr häufig so, dass Demenzkranke keinen bestellten Vormund haben, der diese Entscheidung treffen könnte, weil die Betroffenen es nicht mehr können. Was ist dann?
Ist das in Japan abgeklärt?
In Japan altert die Gesellschaft genauso rasant wie hier bei uns - siehe Artikel.
Bleibt die Frage nach dem Zusammenhalt der Familie. Sind/können die Kinder für die Eltern da sein?
Eine reale Frage die sich auch die Kinder hier bei uns stellen müssen.
Ein Weg der zur Unterstützung der Kinder/Gesellschaft begangen wurde, war die Schaffung der Pflegeversicherung[1995, Norbert Blüm - damaliger Sozialminister], die es auch in Japan gibt.
Warten wir mal ab, wie sich das [der Aufkleber!] in Japan entwickelt und ob es sich bei uns etablieren kann.
Es erleichter sicherlich das Wiederauffinden verirrter Menschen. das steht für mich außer Frage.
Wir dürfen aber nicht ALLES machen, was wir technisch hinbekommen würden. Nicht nur im Bereich von Demenzkranken.
Beste Grüße, IKARUS

Offline dino

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #3 am: 15. Dezember 2016, 15:17:34 »
Ich seh das Ganze mal aus praktischer Sicht. Mal ein Beispiel: Ein an Demenz erkrankter Heimbewohner verlässt das am Wald gelegene Heim und verläuft sich. Irgendwann wird bemerkt das ein Bewohner fehlt. Die Polizei wird benachrichtigt. Diese verständigt die Feuerwehr und die zuständige Einsatzeinheit einer Hiorg. sowie eine Rettungshundestaffel. Der Bewohner ist im Wald gestürzt. Er ist orientierungslos und nicht mehr gehfähig. Es ist so 18:00 und dunkel. Mittlerweile laufen im Radio durchsagen ob jemand den Senior wo gesehen hat. Ein Polizeihubschrauber ist aufgrund eines schweren Unfalls auf der Autobahn nicht verfügbar. Nach ca 2 Std. Suche wird der Bewohner von einem Rettungshund gefunden.
Mit einem Ortungssender hätte man den Senior schnell orten können. Stellt sich die Frage: Welchen Stellenwert besitzt ein Menschenleben? Ist es würdevoll zu Erfrieren?
VG
dino

Offline IKARUS

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #4 am: 15. Dezember 2016, 21:01:50 »
Darf ich es nun so verstehen, dass Du das Hilfsmittel einsetzen würdest Dino? 
Aus menschlicher Sicht gebe ich dir bei diesem geschilderten Fall meine Zustimmung, aber wir dürfen nicht nicht ALLES was wir können.
Da gibt es Gesetze, an die wir uns halten müssen. Alle!!

Erlaube mir ein Beispiel aus der gutachterlichen Tätigkeit. Ich könnte auch Pflegeminuten errechnen. Wenn ich sie nicht begründen kann, wird der Richter sagen: "lehne ich ab!" Wir müssen bei unseren Entscheidungen uns im Rahmen der Gesetze bewegen. Alles Andere kann Harakiri sein!
Im Streitfall zählen Gesetze und kaum Mitmenschlichkeit. Beim Ringen um Pflegeminuten habe ich da so meine Erfahrungen sammeln müssen.
Als Intensivpfleger habe ich oft Entscheidungen fällen müssen, so wie Du sicherlich auch. Auch für dich nehmen ich an, dass Du zu deinen Entscheidungen stehen wirst. Das machen aber nicht viele aus unserer Berufsgruppe. Da suchen vielen nach einem Verantwortlichen. die wollen "nur Mitreden", verantworten sollen oft die Anderen.
Nicht mein Weg!
So wird unsere Berufsgruppe keine Profession!

Wie bereits geschrieben: menschlich bin ich an deiner Seite.  Ich würde auch keinen Hilfebedürftigen erfrieren lassen, wenn ich es zu verhindern weis.
Wir leben aber in keinem rechtsfreien Raum.
Beste Grüße, IKARUS

Offline dino

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #5 am: 15. Dezember 2016, 22:14:49 »
Du kannst mich so verstehen das ich elektronische Hilfsmittel befürworten würde wenn sie zur Verfügung ständen.
Ich kenne die rechtliche Situation in D sehr gut, und es gibt auch wirlich noch "normale" Richter. Aber das komplette Rechtssystem gehört überarbeitet.
VG
dino

Offline IKARUS

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #6 am: 16. Dezember 2016, 06:20:08 »
Dass das Rechtssystem und so Manches überarbeitet gehört, sehe ich wie Du!
Nun  ist es aber so, dass wir uns diese Rechtsordnung geben haben und damit umgehen müssen, oder wir tragen die Verantwortung für unser Handeln.
Wir denken doch hier gleich!! Ich würde sie ja auch einsetzen, aber das ist der Konjunktiv. Würde und hätte sollten mich aber im Berufsalltag nicht leiten.
Ich muss für mein Handeln aber auch für mein Nichthandeln gerade stehen!!   
Es ist meine Erfahrung, dass mein fürsorgliches Handeln nicht immer auf Gegenliebe gestoßen ist. Da haben Betroffenen meine Fürsorge gegen mich gerichtet, wenn das Ergebnis nach ihren Vorstellungen ausgegangen war.
Was ich tun kann, will ich weiter tun, aber ich denke da auch an mich, weil es wenige Andere tun.
Bei ernsthaften Diskussionen haben sich viele Schulterklopfer bei Zeiten zurückgezogen. Das schult!!
Habe ein schönes und wenn möglich erholsames Wochenende,
Michael

Offline dino

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #7 am: 16. Dezember 2016, 14:45:55 »
Du hast Dir die Antwort schon selbst gegeben. Das Teil steht net zur Verfügung und falls doch dürfte man es (noch) net anwenden. Da sich die Personalsituation wahrscheinlich nicht groß entspannen wird könnte sich das mit den "Fußfesseln" auch irgendwann ändern. Technisch sind aber auch andere Optionen möglich. Ein simpler großer Spiegel an der Eingangstür suggeriert das jemand entgegen kommt und der Pat./Bewohner dreht um. Man kann auch das Personal mit Transponder ausrüsten. Macht jemand ohne Transponder die Tür auf ertönt ein Gong. Oder ganz altmodisch, wenn die rechtlichen Voraussetzungen stimmen, die Tür ist abgeschlossen.
VG
dino

Offline IKARUS

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Re: In der japanischen Stadt Iruma bekommen Demenzkranke jetzt einen QR-Code
« Antwort #8 am: 16. Dezember 2016, 16:42:41 »
Ja Dino!! Das ist es  "DER RECHTLICHE RAHMEN" in dem wir uns bewegen (müssen). Das können wir (Pflegekräfte) nicht ändern. Das ist eine gesellschaftliche Aufgabe.
Wir könnten als Fachpersonal nur beratend tätig werden. Entschieden, wir sie/wir leben wollen, wird im Landes- oder Bundesparlament.

Menschlich verstehe ich ja alle Betroffenen, aber im Einzelfall kann ich nicht immer helfen. Da müsste ich mein Tun eventuell verantworten. Da nimmt mir keiner die Last von meinem Schultern.

Ich hatte letztlich im Unterricht eine Schülerin die es toll fand, dass es in der Schweiz die Möglichkeit gibt, der biologischen Regelung ins Handwerk zu pfuschen. Sie findet es blöde, dass das bei uns nicht erlaubt ist.
Ich antwortete ihr, dass man mit manchen Verläufen kein Geld verdienen sollte. Da gehört auch neben dem Ableben der Organhandel, der dazu zählt.
Das ist bei uns verboten!!

Wenn das geändert werden soll, dann muss man viele Menschen gewinnen, die auf die entsprechenden Politikern (unserer gewählten Vertreter in den Parlamenten) einen Druck ausüben, damit Änderungen an den Gesetzen vorgenommen werden können.

Die Exekutive (im 18. Jahrhundert entlehnt aus dem französischen pouvoir exécutif „vollziehende Gewalt“ zu lateinisch exsequi „ausführen“) ist in der Staatstheorie neben Legislative (Gesetzgebung) und Judikative (Rechtsprechung) eine der drei Gewalten.

Sie umfasst die Regierung (Gubernative) und die öffentliche Verwaltung (Administrative), denen in erster Linie die Ausführung der Gesetze anvertraut ist. Auch die Exekutive kann normsetzende Befugnisse wahrnehmen, zum Beispiel mit dem Recht auf Erlass von Rechtsverordnungen. Dabei haben Verordnungen nicht den Status von Gesetzen, sondern werden vielmehr von bestehenden Gesetzen abgeleitet.


Wir leben nunmal hier! Wenn wir Anderes wollen, dann müssen wir uns bewegen.
Beste Grüße, Michael