Autor Thema: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""  (Gelesen 3870 mal)

Offline Thomas Beßen

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"Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« am: 24. Juni 2016, 10:45:05 »
Das schreibt der WDR unter http://www1.wdr.de/nachrichten/kliniken-kontrollen-arbeitskultur-100.html und weiter:

"Es ist die größte Mordserie in der deutschen Nachkriegsgeschichte: Klinikpfleger Niels H. hat zugegeben, mehrere Dutzend Patienten umgebracht zu haben. Warum konnte der Mann jahrelang unerkannt seine Taten begehen? Für Mediziner Karl H. Beine aus Hamm sind Systemfehler im Gesundheitswesen die Ursache.

Karl H. Beine ist Chefarzt am St. Marien-Hospital in Hamm und Inhaber eines Lehrstuhls für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Witten/Herdecke. Er beschäftigt sich seit Jahren mit Patiententötungen und deren Hintergründen. ..."


Siehe auch http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/groehe-warnt-nach-klinikmorden-vor-kontrollwahn-a-1099423.html

Pausengrüße des Chronisten
Thomas Beßen
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Offline dino

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Re: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« Antwort #1 am: 24. Juni 2016, 12:51:13 »
Man braucht keine neuen Kontrollmechanismen. Zum Einen weiß doch jedes Team, wer wann bei einem Ex dabei war, häuft es sich bei einem Kollegen, müssen die Alarmglocken läuten. Da sind dann SL und PDL gefragt. Auch das formelle Abgleichen geschieht in Sekundenbruchteilen. Dienstplan aufrufen, betreffendes Datum anklicken, gucken wer im Dienst war. Und für Alle die noch immer kein DP Programm haben: Datum raussuchen, ein Lineal (für Sicherheitsfanatiker) anlegen, gucken wer da war. Eine Art der Prävention ist auch verantwortungsvolle Aufgaben zu delegieren, damit nimmt man Luft raus das sich jemand auf Kosten Dritter profiliert. Aber letzten Endes ist eine "Profilneurose" nur ein Mosaikstein bei "Todesengel", es gibt auch welche die behaupten sie könnten Patienten nicht länger leiden sehen. Ein Rundumsorglospräventionspaket wird es nicht geben.
VG
dino

Offline IKARUS

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Re: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« Antwort #2 am: 25. Juni 2016, 07:00:57 »
Ja Dino, da gebe ich dir zum großen Teil recht. Was mir aber hier noch fehlt ist ein Fakt, den ich sehr selten beobachtet habe auf meinem Berufsweg.
Es ist die Solidarität im Team, wenn ein Mitarbeiter angibt, dass er an seine seelische Grenze gekommen ist. Das er das Geschehen nicht mehr verarbeiten kann und nach (falschen!!) Lösungen sucht.
Das hat nichts mit Oldenburg/Detmold zu tun oder gar Berlin.
Es ist eine ausgeweitete Kultur des Hinsehens erforderlich und das Anbieten von Hilfen.
Kontraproduktiv sind da Sätze wie: "Wenn das nicht mehr aushalten, müssen sie halt gehen!"
Habe ich selber oft gehört und auch zu hören bekommen.
Hier haben für mich Schule und PDL/SL die Möglichkeit darauf hinzuweisen, dass der Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl wichtig ist zu verstehen und auszuleben. Mitleid gehört für mich ins Privatleben. Mitgefühl soll/muss dem Patienten/Bewohner entgegengebracht werden.
Hier sind tolerieren oder wegsehen gefährlich!
Todesengel gibt es aber nicht nur im Pflegedienst!!
Lebende und lebensbejahende Grüße, IKARUS

Offline dino

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Re: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« Antwort #3 am: 26. Juni 2016, 21:37:59 »
Vom Fertig/ausgebrannt sein über eine (evtl. ursprünglich schon bestehende) Depression bis zum gezielten vorsätzlichen Töten besteht doch ein weiter Weg.

Es ist die Solidarität im Team, wenn ein Mitarbeiter angibt, dass er an seine seelische Grenze gekommen ist. Das er das Geschehen nicht mehr verarbeiten kann und nach (falschen!!) Lösungen sucht.
Was erwartest Du nun? Die erste Massnahme besteht darin den Mitarbeiter aus der Situation heraus zu nehmen, falls es eine belastende Situation gab. Fühlt er sich wieder fit gibt es ein Gespächsangebot. Die Situation kann allerdings so gravierend sein das es der Mitarbeiter zukünftig nicht mehr auf dieser Station/Fachgebiet/Klinik aushalten kann und kündigt. Dies ist zu respektieren. Undf ja, solche Situationen gibt es auch.
Anders liegt es wenn ein Mitarbeiter durch chronische Überlastung nicht mehr kann. Auch hier Gesprächsangebot, eruieren warum, Reha oder andere Lösungen erarbeiten. Aber jede Hilfe hat ihre Grenze.

Hier haben für mich Schule und PDL/SL die Möglichkeit darauf hinzuweisen, dass der Unterschied zwischen Mitleid und Mitgefühl wichtig ist zu verstehen und auszuleben. Mitleid gehört für mich ins Privatleben. Mitgefühl soll/muss dem Patienten/Bewohner entgegengebracht werden.
Ich plädiere da für die professionelle Distanz, dabei kann man natürlich emphatisch sein, klar, aber es greift nicht in meine Gefühlswelt ein. Das vermittelt man nicht durch Hinweise, sondern Vorleben.

Ich weiß net wer irgendwann den Begriff Todesengel für tötendes PP geprägt hat, ich halte ihn für irreführend und falsch. Mörder findet man in jeder Berufsgruppe, dass ist normal.
VG
dino

Offline IKARUS

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Re: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« Antwort #4 am: 27. Juni 2016, 09:26:34 »
Dino, Du schreibst richtig, dass die erste Maßnahme das Herausnehmen des MA aus dem "Brennpunkt" sein sollte. Wenn das bei Euch so gut geht, finde ich das super. Meine Erfahrungen in der Somatik ist da eine nicht so mitarbeiterfreundliche Reaktion der Vorgesetzten. Da gibt es Sprüche ohne Ende statt Fürsorge der "Leitungen". Ich glaube dir gerne, was du schreibst, aber es widerstrebt meinen Erfahrungen. Ich selber war und bin ein Fan von Rotationen auf freiwilliger Basis. Hier besteht dann die Möglichkeit, dass ein MA sich seelisch erholen kann und dennoch fleißig arbeitet. Wenn er auf "die alte Station" zurück kommen wird, hat er noch vieles Neues im Wissensgepäck, wovon alle profitieren können.
Solidarität bedeutet für mich nicht alles zu decken, was auf der Station passiert. Es muss angesprochen werden und der MA muss eine Zukunft haben.
Konkret habe ich mal einer MA mitgeteilt, dass ich eine Änderung plane, wenn sie sich nicht weiterentwickeln will. Ich hatte ihr mein Vorgehen deutlich mitgeteilt und ein Zeitfenster genannt. Nach dieser Zeit habe ich meine Ansage in die Tat umgesetzt. Zuerst gab es Ärger, den ich ausgehalten habe. Nach Monaten wurde meine Entscheidung als richtig von der MA empfunden. Nur "in die Wüste schicken" war und ist nicht mein Ding. Ich bin da für Planen und Handeln. Viele kündigen an und lassen keine Taten folgen, was Situationen eskalieren lässt.
Klar und verbindlich im Ton ist mir da lieber, als das Tanzen auf rohen Eiern.
In einigen somatischen Einrichtungen ist das Zugeben von seelischer Überforderung GIFT. Da arbeitest Du wahrscheinlich in einem Umfeld, das toleranter auf seelische Überforderung reagiert. Ich hatte ja mal geschrieben, dass mir gesagt wurde "... dann müssen sie halt gehen!" Das ist für mich nicht fürsorglich.
Wenn [m]ein Mitarbeiter nicht tragbar ist, sollte man/ich ihn unterstützen was Neues zu bekommen. Das fällt mir als Öse leichter, weil ich bereits in der Klinik und im Beruf vernetzter bin. Was ich dem Kollegen Öse sagen werde, sage ich vorher dem MA. Alle Karten sollen aufgedeckt auf dem Tisch liegen, damit alle wissen was war und wird.

Ja Dino! Das Vorleben ist so wichtig!! Aber was das Umgehen mit Gefühlen und den eigenen Reaktionen angeht lernt man nicht so ausgiebig in allen Lebenslagen.

Ich denke der Begriff "Todesengel" wurde kreiert, weil man nicht auf den Punkt kommen wollte, weil etwas verdeckt werden sollte.
Ja man sollte die Dinge beim Namen nennen, damit unserer Gegenüber Klarheit bekommen kann. Aber diese Klarheit und das Beziehen von deutlichen Standpunkten ist ja nicht jedermanns Ding.
Sonnige Grüße aus dem Ruhrgebiet, IKARUS

Offline dino

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Re: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« Antwort #5 am: 24. März 2018, 06:43:05 »
Nun hat es ein  Aph getroffen, https://www.ffh.de/nachrichten/top-meldungen/detail/toController/Topic/toAction/show/toId/150381/toTopic/toetungsdelikt-im-seniorenheim-pfleger-in-u-haft.html
Gibt es in Aph`s eigentlich Supervision? Denn eine gute Supervision dient auch zur Prävention. Welche Qualifikation der Betroffene hat bleibt leider offen, Pfleger ist keine Berufsbezeichnung. Denn bevor wieder die Todesengelkeule geschwungen wird könnte es simple Unkenntnis sein. Er wußte vielleicht (laut Bericht) das er zuviel verabreichte, aber wußte er auch um die Folgen? Ein Angelernter hat zwar weiße Klamotten an, aber lange nicht die Kenntnisse selbst eines Aph/Kph, kostet aber weniger. Mal sehn was noch herauskommt.
VG
dino
« Letzte Änderung: 24. März 2018, 06:52:48 von dino »

Offline IKARUS

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Re: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« Antwort #6 am: 24. März 2018, 11:13:06 »
Hi Dino! Die Frage nach einer Supervision in Altenheimen und somatischen Kliniken (so wie ich sie kenne!) gibt es kaum bis gar nicht. Das hat viele Gründe! Das so ein Angebot für das seelisch geforderte und ggf. seelisch überforderte Personal hilfreich ist, steht für mich außer Frage. Das sehen aber viele PDLer und Klinikleiter anders so. Sie zu belehren wäre eine Herkulesaufgabe, die ich nicht erfüllen kann.
Das Pfleger keine Berufsbezeichnung ist, sehe ich ähnlich, ist aber im Sprachgebrauch der Berufsgruppe und vor allem der Bevölkerung.
Das eine APH/KPH oder wie wir sie ja aktuell bezeichnen -asisstentINNEN [sprich Einjährige!] nicht über ein umfassendes Fachwissen verfügen ist ja auch unbestritten.
Dein Hinweis auf den weißen Kittel, der ja eine Aussage machen soll, trifft auch auf die Namensschilder, die auch Weißkittelträger tragen, zu. Da versprechen auch nicht alle Titel das, was auf ihnen zu lesen ist. Da müssen wir also gar nicht nur in unsere Berufsgruppe blicken!
Es bleibt die Frage für mich übrig: wer stellt denn die Hilfskräfte ein? Das ist doch die Klinik- oder Pflegedienstleitung. Die könnten doch vorher selektieren, damit Mitarbeiter ein bestimmtes Anforderungsprofil mitbringen.  Aber wie Du manchmal richtig schreibst, regiert die Geldbörse die Einstellungspolitik.
Auch hier vermisse ich eine Standortbestimmung der Berufsverbände.

Oder wie Thomas schreiben würde: "... schon wieder aus einer Ärztezeitung statt einer Pflegezeitschrift ..."  Diese Kritik ist mehr als berechtigt!!
Das liegt aber auch daran, dass viele GKP`s nicht in der Lage sind zu beschreiben, was sie sehen und tun.

Sonnige Grüße aus Essen, IKARUS

Offline dino

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Re: "Klinikmorde "hätten verhindert werden können""
« Antwort #7 am: 24. März 2018, 12:00:58 »
Also Du scheinst ja fast PDL traumatisiert zu sein, dass ist bei Dir schon Tradition das Du auf die PDL hinweist. Nur, eine Supervision zahlt die Kasse, der Träger muss es nur begründen. Und hier sind wir ganz schnell bei den SL, denn die sind den Teams am nächsten, oder?  Das ist auch keine Herkulesaufgabe für eine SL.
Nun, ich denke das Du mit Weißkittelträger Kollegen7innen aus dem ärztlichen Bereich meinst. Auf deren Namensschilder ist, analog zu unseren, die korrekte Dienstbezeichnung vermerkt. Die Namensschilder werden vom Träger ausgegeben, und der wird ja wohl nicht draufschreiben das wir die Bibo Babu Bärchen sind.
Also, für Unbedarfte steht ein weißer Kittel für Kompetenz. Denn warum sonst sollte er sowat anziehn. In Kliniken kann man oft die Qualifikation zusätzlich zum Namensschild auch an der Farbe der Klamotten erkennen.
Bliebe noch das Einstellen. Hier gibt der Träger die Qualifikation bzw. Personalhaushalt vor. Die PDL kann nur mit dem Haushalten was ihr zur Verfügung steht. In privaten Einrichtungen wird man sich schon überlegen ob Quantität vor Qualität geht und sich oft für ersteres Entscheiden. In Kliniken entscheidet man sich eher für die Qualität, dann muss man aber bei Ausfälle öfter ran. Weil die Quantität fehlt. Eigentlich logisch.
Aber hast Du vielleicht die falsche Brille auf? Ich hab den Artikel aus den FFH Nachrichten, dass ist kein Ärzteblatt. Sowat hab ich genau so wenig abonniert wie ne Plegegazette.
Gkp`s sind nicht immer im Dienst, sie sollen in ihrer Freizeit diese auch genießen und net irgendwo in Gazetten schreiben. Berufspolitik geht von der Freizeit ab. Ich halte es für schlichtweg pathologisch seine Freizeit damit zu verbringen. Außer als Nebenbeschäftigung, für gutes Geld und entsprechenden Abstand.
Man sollte mal eine klinische Studie durchführen welche Merkmale Pflegekräfte besitzen, die ein Burn out erleiden. Wenn ich Bock zum Studieren hätte wäre dat mein Ding. Aber ich hab noch so viel Bausätze auf Lager, und es ist mir einfach WICHTIGER in meiner Freizeit meinen Hobbys nachzugehen.
VG
dino