Warum beschreibt eine Leiterin einer Pflegeeinrichtung die Arbeit als "Seiltanz"? Ist es nicht ein mangelndes Verständnis der Rolle. Die Rolle-n die wir täglich einnehmen - müssen - nehmen wir ein oder verlassen diese ohne es uns bewusst zu machen. Das ist aber für mich das Entscheidende! Wir werden das Leiden unserer Patienten und Bewohner nicht immer ändern können. Was wir können ist aber das bewusste einnehmen und verlassen der Rolle als helfende und begleitende Person. Hier liegt für mich der Knackpunkt in unserer Beruflichkeit. Ich habe es nicht in meiner Ausbildung gelernt ein Rollenverständnis zu entwickeln und auszubauen. Hier haben heute vielen Lehrende eine Aufgabe angenommen, den Pflegenachwuchs auch darin zu schulen sich abzugrenzen. Diese emotionale Distanz muss aus meiner Sicht nicht zu einer räumlichen Distanz führen. Ich bin heute davon überzeugt, dass wir Pflegenden das hinbekommen können, wenn wir uns auch dieser beruflichen Herausforderung stellen.
Dino hat völlig recht, wenn er anführt, dass wir einen guten Ausgleich zum Beruf benötigen, um den täglichen Herausforderungen gewachsen zu sein und zu bleiben.
Wir wurden in der Vergangenheit doch oft in unsern Beruf so sozialisiert, dass wir unsere Bedürfnissen hinten anstellen sollen. Ich denke, das war ein falscher Weg, der sich aber aus dem damaligen Berufs-/Rollenverständnis erklären lässt.
Wenn ich den Artikel weiter lese und verstehe, geht nur darum das Verhalten des Patienten zu besprechen und zu reflektieren. Wo bleibt die Reflektion der pflegerischen Arbeit und der Gefühle der Pflegenden?
In meinem heutigen Unterricht weise ich auf diese persönlichen Herausforderungen unseres Berufes hin. Es ist doch von entscheidender Bedeutung, warum in uns die entsprechenden Gefühle vorkommen. Verhindern können wir ja diese Gefühle nicht. Und sie unter "den Teppich" zu kehren ist ja auch nicht sinnvoll.
Ein Großteil unserer heutigen Pflegejugend kommt mit einem anderen Selbstbewusstsein in den Beruf als die Jugend von 30 Jahren. Dennoch benötigt der Pflegenachwuchs eine seelische Begleitung auf dem Weg in eine professionelle Beruflichkeit. Fachkräfte für Anatomie, Physiologie, Krankheitslehre und Pflege gibt es in den Schulen zur genüge.
Mögen wir alle vom Seiltanz zu einem festen Stand auf unserem Boden gelangen. Denn wer einen festen Stand hat, kann standhaft seine Position ein- und aushalten. Auf einem Seil ist das schwer möglich.
Beste Grüße, IKARUS