Autor Thema: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN  (Gelesen 6356 mal)

Offline IKARUS

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VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« am: 24. Juni 2014, 18:33:21 »
Brandverletzungen oder das thermische Trauma gehören zu den eindrucksvollsten Verletzungen, die sich ein Betroffener zuziehen kann. Es ist nicht immer das Ausmaß der Verletzung, die über ein Überleben entscheidet. Der Unfallhergang und die Einleitung der Erstmaßnahmen sind von entscheidender Bedeutung für das Überleben des Betroffenen. Hat der Betroffene die erste Traumazeit überstanden kommen die nächsten Probleme auf ihn zu. An erster Stelle sind hier die Wundinfektionen zu erwähnen. Sie stellen bei Schwerstbrandverletzten ein Hauptproblem dar und sind oft der Grund für einen letalen Ausgang der Behandlungszeit.
Was mich persönlich angeht, ist eine Grund für die Arbeit in einem Zentrum für Schwerbrandverletzte, das hohe Maß an Selbständigkeit bei der täglichen Arbeit. Die übertragene Verantwortung die eine Fachpflegekraft übernimmt, ist eine große Herausforderung. Die eigentliche Herausforderung sind jedoch die seelischen Anforderungen. Mit dem Wissen an den Patienten heranzutreten, dass er gleich große Schmerzen haben wird, ist nicht leicht zu bewältigen.
Man mag nicht glauben, dass es eine adäquate und suffiziente Schmerztherapie gäbe. Eine Dauernarkose ist auch nicht realisierbar.
Hier kommen dann Schüler ins Spiel!! Von unseren rotierenden Schülern habe ich viel gelernt, obwohl ich mehr als 10 Jahre BV auf dem Puckel habe. Mitunter wird man betriebsblind (dies meine ich nicht abwertend!!) und kann sich einfache Änderungen kaum vorstellen.
Von Schülerinnen habe ich gelernt, wie ich die Salbe/Creme wirklich schmerzfrei auf die Brandwunde auftragen kann.
Einfach und effektiv!!!
Mögen unsere Schülerinnen vom Aufsatz profitiern und ggf. in einem BV-Zentrum "anheuern!!
Macht Euch aber vorher schlau, was da auf Euch zukommen kann.
Ich habe fürmich sehr früh erkannt, dass ich Querschnittgelähmte Patienten nicht versorgen kann, aber den Herausforderung der BV-Patienten gewachsen war.

Ggf. folgen noch einige Bilder!?

Viel Vergnügen beim Studium, IKARUS
« Letzte Änderung: 30. Juni 2014, 12:20:11 von IKARUS »

Offline dino

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #1 am: 25. Juni 2014, 08:00:00 »
Moin Ikarus, klasse Referat. Am besten hat mir ganz uneigennützerweise die Stelle mit der zentralen Klimaanlage gefallen  8-). Als Lehrfilm benutze ich gerne "NA Indikation Schwerbrandverletzte". Er ist in Punkto Erstversorgung überholt, aber mir geht es dabei eher um die Anschlussbehandlung sowie Schülern Verbrennungen unter "Netzbedingungen" näher zu bringen. Unter Netzbedingung verstehe ich das Schüler bestimmte Bilder von Verletzungen und deren Auswirkungen nicht erst in der Realität kennen lernen. Dazu gehören natürlich auch Lehrfilme. Eine Einsatzstelle (egal ob Ersthelfer oder Einsatzkraft) ist was anderes als eine Klinik.
Viele Grüße
dino

Offline IKARUS

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #2 am: 25. Juni 2014, 08:27:26 »
Dein Hinweis auf den Unterschied zwischen Theorie und Praxis teile ich Dino, aber nach meiner Erfahrung bin ich heute mit dem Zeigen von Bildern zurückhaltend geworden. In der Praxis sind die Eindrücke, die ein "neuer" Mitarbeiter bekommt "leichter zu verdauen", als wenn der Betrachter nur die Bilder sieht. Sie erscheinen vielen Erstbetrachtern als dramatischer! Das ist mein Grund, weshalb ich mich mit einer Bebilderung erstmal zurückgehalten habe.

Beste Grüße aus Essen, IKARUS

Offline dino

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #3 am: 25. Juni 2014, 08:53:08 »
Seh ich anders. Bei der Erstversorgung hast Du wenig Zeit für die Schrecksekunde, sonst wird es ein Fall für die gnadenlosen Drei im grauen Krankenauto mit dem nevercomebackcontainer. Ich erkläre erst die Pathophisiologie, zeige dann die Bilder und ggf. DVD. Selbst vorbereitete Helfer sind oft erschrocken, was tun wir dann unseren Schülern an. Dazu kommen Ernstfallübungen mit aufgebauten Stress, Blut, Gaffern und Phyrotechnik. Und trotzdem ist ein Ernstfall anders, aber je besser vorbereitet, desto besser abgearbeitet.
Viele Grüße
dino

Offline IKARUS

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #4 am: 25. Juni 2014, 12:49:11 »
Das ist doch schön, wenn Du bestimmte Angelegenheiten anders siehst als ich Dino!!
Ich habe aber gerade wieder im Unterricht meine gemachten Erfahrungen bestätigt bekommen. Ein Schüler hat den Unterricht verlassen müssen, weil ihn die Bilder zu "krass" waren, so sagte er.
Wir wissen ja beide, dass unterschiedliche Menschen unterschiedliche Angelegenheiten unterschiedlich empfangen und bewerten. Gut so!! Was mich gewundert hat, war die Frage von diesem Schüler nach einem Stationsbesuch. Ich gab ihm die Adressen von zwei Kliniken hier im Pott. 

Beste Grüße, Michael



Offline dino

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #5 am: 25. Juni 2014, 21:22:52 »
Hi Ikarus, eigentlich gibst Du unbewußt mir recht. Besser ein Schüler verlässt den Unterricht als einen Notfallort. Im Anschluss an den Unterricht kann man sich  noch einmal mit den Betreffenden zusammensetzen. Ich versuche den Schülern immer die Extreme zu vermitteln. Also, zum Einen wird nichts so heiß gegessen wie es gekocht wird (soll heißen man hat nicht dauernd traumatische Ereignisse) und zum Andern wenn Einer sagt das er schon Alles gesehen hat ist er entweder ein Sänger oder blöd. In der Regel ist die tägliche Routine irgendwo dazwischen. Mal schlägt das Pendel in die eine, dann wieder in die andere Richtung. Aber im Endeffekt muss man in unserem Job robust sein, wer dies nicht ist bekommt ein Problem. Und ich rede jetzt nicht von einem temporären PTPS, was jeder von uns schon hatte.
Viele Grüße
dino

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #6 am: 25. Juni 2014, 21:41:28 »
Ne ne Kunpel! Ich gebe dir gerne Recht!! Das mit dem Nachgespräch mit dem Schüler gehört für mich selbstverständlich dazu. Das nicht nur als pädagogischer Auftrag. Dein Hinweis auf "... ich weiß alles und ich habe Alles schon gesehen, löst bei mir ähnliche Reaktionen aus wie bei dir.

Muss man wirklich robust sein? Was soll das sein??

Ich vertrete heute den Standpunkt, warum beschäftigt mich das? Was wird da ausgelöst oder erinnert.
Ich möchte gerne ein hohes Maß an Einfühlungsvermögen behalten und denke das kann durch Robustheit abgemildert werden. Oder irre ich da?
Da bist Du glaube ein besserer Fachmann.
Beste Grüße, Michael 

Offline dino

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #7 am: 26. Juni 2014, 13:39:31 »
Hi Ikarus, unter Robust verstehe ich das man Einiges wegstecken können muss ohne Schaden zu nehmen. Wie man das Hinkriegt? Partner, Kinder, Hobby, Arbeitskollegen, sich was Gutes tun. Nach meiner letzten negativen Rea nach Polytrauma haben wir einen shopping Nachmittag gemacht. Klar seh ich abends noch die Bilder, aber das halte ich für normal. Der Arbeitsablauf war optimal, hin, versuchen zu Retten, Rea eingeleitet, Übergabe an NA, kurz weitergemacht, Zeitpunkt des Todes. Ein negatives Erlebnis ist genau so einprägsam wie ein Positives, Ergo denkt man daran. Das hat nichts mit Schuldgefühlen zu tun. Nach ein paar Tagen verschwinden die Bilder wieder. Man darf dies nicht so hochhängen sondern muss es als normale Reaktion der Seele/Psyche ansehen. Kleine Analogie: Wenn ich jemand mit 120 kg Lebendgewicht wuchte tut mir danach auf jeden Fall das Kreuz weh, dies ist auch in wenigen Tagen vorbei, meistens. Hat jemand einen ausgedehnten Bandscheibenschaden ist er berufsunfähig, ist ein PTBS zu umfangreich gilt das Selbe.
Bei uns gibt es Kreuzottern. Neulich entdeckten wir eine auf der Strasse vor unserer Pforte. Ich hatte Angst das das Tierchen plattgefahren wird. Deshalb hab ich es genommen und in die Wiese gelegt. Solche Empfindungen hat man nicht mehr wenn man abgestumpft ist. Robustheit besteht für mich darin eine Situation bewusst durchzustehen, es wird manchmal auch mit coolness, Abgebrüht etc. bezeichnet. Letztere Bezeichnungen sind m. E. suboptimal geeignet. Abgestumpftheit ist für mich Symptom eines echten burn out.
Viele Grüße
dino

Offline IKARUS

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #8 am: 26. Juni 2014, 13:55:15 »
Hier ist es wieder, was mich ärgert Dino. Die Begrenztheit des Netzes. Einiges kann ich von dem Geschrieben nachvollziehen, aber nicht Alles! Hier wünsche ich mir den persönlichen Dialog mit Dir. Weil ich ja aus der Somatik komme, habe ich da meine Interpretationsprobleme. Die Vergleiche, die Du anführst, sind nachvollziehbar und auch nicht.
Was gibst Du mir für einen Antwort auf die Frage nach einer PTBS, die sich erst nach vielen Jahren eingestellt hat und zu erheblichen Albträumen geführt hat, die ich in meiner Zeit am BV-Bett nie hatte.

Beste Grüße, Michael

Offline dino

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Re: VERBRENNUNGSVERLETZUNGEN
« Antwort #9 am: 26. Juni 2014, 14:36:25 »
Hi Ikarus, ich würde sagen primär eine Verdrängung aber keine Verarbeitung war die Ursache. Verbrennungen sind Zeit- und Personalinitiativ, man hat auch wenig Zeit sich auszutauschen. Man erlebt etwas, muss dies aber hinten anstellen bzw verdrängen weil man keine Zeit zur Verarbeitung hat. Nächste Frage, wie geht das Team mit belastenden Situationen um? Gibt man sich das Team betont cool oder zeigt es Emotionen? Auch hier wieder eine Analogie, ich hatte mal bei einem Atemschutzeinsatz die Bebänderung vom Pressluftatmer falsch, dadurch eine Sehnenläsion an der Schulter. Lange Zeit war nichts, heute habe ich die Malässe. So kann es auch bei einem seelischen Trauma sein. Ganz sicher wird man es nicht herausfinden können. Nur muss man einfach anerkennen, dass die Seele genau so verletzlich ist wie der restliche Körper.
Viele Grüße
dino
« Letzte Änderung: 26. Juni 2014, 15:12:29 von dino »