Autor Thema: In der Psychiatrie nichts zu tun?  (Gelesen 6566 mal)

Offline Brady

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In der Psychiatrie nichts zu tun?
« am: 17. März 2012, 21:26:33 »
Die Auszubildende die gerade bei mir ihren Einsatz hat berichtete mir, dass immer wieder von ihren Mitschülern gesagt wird: "In der Psychiatrie ist ja nichts zu tun".

Ich habe seit kurzem erst Auszubildende in unserer psychiatrisch-psychotherapeutischen Tagesklinik und habe mir dazu Gedanken gemacht.
Wir hatten auch sonst immer nur Pflegekräfte die in der Fachweiterbildung psychiatrische Pflege ihr Praktikum bei uns machten.
Meine Auszubildende war vorher auf einer Intensiv-Station und das ist schon ein deutlicher Unterschied zu unserem Fachbereich.

Auf den somatischen Stationen wird der Tag durch die anfallenden Arbeiten strukturiert; unser Arbeitstag ist in Ansätzen nur vorgeben; durch milieutherapeutische Gruppen oder Teambesprechungen. Wir geben uns unsere Struktur vor, dass heisst unser eigenes Engagement bestimmt unsere  Arbeit. 
Sich selber zu strukturieren und sich in den Gesamtbehandlungsplan der Patienten einzubringen erfordert unsere "Kreativität" und Motivation.

Sowie z.B. der Psychologe mit dem Patienten "Selbstwirksamkeit" bespricht, so achten  wir in der Milieutherapie darauf  und geben dem Patienten Rückmeldung oder besprechen ein Wochenende vor, damit er dies im Alltag umsetzen kann.

Meiner Meinung nach ist es, wenn jemand in der Psychiatrischen Pflege nichts zu tun hat, der hat es nicht verstanden.
Sicher können Auszubildende nicht sofort diese Art der Pflege übernehmen; aber ich denke, dass Schwierige daran ist es, augenscheinlich nichts zu tun zu haben und dies auszuhalten. Da geht es unseren Patienten oft genauso, sie werden auf sich zurückgeworfen und können nichts "wegmachen".

Für mich ist es wichtig, dass Auszubildende dann soviel wie möglich bei den Patienten im Mileu sind.


LG Brady

Ich bin keine Schwester, ich bin eine Fachpflegekraft!

Offline IKARUS

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Re: In der Psychiatrie nichts zu tun?
« Antwort #1 am: 18. März 2012, 19:07:25 »
Hallo Brady, mit großem Interesse habe ich deine Einlassung gelesen und mir ist dazu folgendes eingefallen. Als erstes vermisse ich den Respekt, den "die Somatiker" denen die in der Psychiatrie arbeiten und leben (müssen!) entgegenbringen. In der Somatik wird fast so gearbeitet wie im Stahlwerk oder auf der Baustelle.  Zum Abschgluss des Tages kann jeder sehen - so sie/er will - was Praktisches geleistet wurde.  In der Psychiatrie (hier schreibt der Einäugige unter den Blinden!!) ist das kaum möglich, ähnlich wie in der Schule [so geht es den Lehrern!!]. Da ist erst viele Monate oder gar Jahre später zusehen, dass die Arbeit "Früchte trägt". Die meisten Menschen [jedenfalls in meiner räumlichen Umgebung im Ruhrgbiet] sind auf das fixiert, was sie mit ihren Augen sehen. Also sehen sie soweit wie ihre Nase lang ist - also ziemlich kurz!!  Da kanze nix machen bei so na Arroganz!!
Die Arbeit als Lehrer, in der Psychiatrie, als Mutter und Hausfrau sind Tätigkeiten, die sich oft dem Kurzblickenden sehr wenig erschließen. Sie/er könnte daran arbeiten! Aber das kostet Mühe und Geduld, die sie nicht aufbringen können/wollen. Meckern ist da leichter und das Pflegen der Vorurteile ist ebenfalls leichter und angenehmer.
Ich habe einen kleine Einblick in die Psychiatrie bekommen und war faziniert von der detektivischen Arbeit. Man muss es auch sehen wollen oder sich erklären lassen wollen. Das kann aber auch in der Somatik sein, das ein neuer Mitarbeiter/Schüler die anfallende Arbeit nicht sieht und sich hinter der Kaffeetasse und dem Glimmstengel "versteckt" und tolle Reden schwingt, was man alles machen könnte wenn man nur dürfte. Aber wer hält sie ab? Das tun sie doch selber!
Reden un dArbeiten gehen nur selten Hand in Hand!!
Ich wünsche Dir und allen in der Psychiatrie Tätigen, dass Ihr wisst was Ihr tut. Wovon ich überzeugt bin!! Was die Anderen denken (diese Schnösels!!) sollte doch egal sein. Wichtig ist nur, dass die Leistungsträger im Gesundheitswesen wissen, was Ihr leistet. Denn sonst gibt es zu wenig Knete!!! Öffentlichkeitsarbeit ist das Zauberwort!!!!
Ich konnte in meiner Parteiarbeit den Blickwinkel für die Psychiatrische Pflege/Versogung etwas schäfen, als unser OV seelisch erkrankte. Das hat bis heute noch seine Nachwirkungen!!
Dem "Gemeinen Somatiker" was beizubringen ist so sinnlos wie meinem Vater. Den konnte ich auch nicht von meinem Berufswunsch überzeugen. Heute ist das für mich ein kleines, früher war das für mich ein größeres Problem.
Es macht nur Sinn einem Menschen etwas beizubringen, wenn sie sich dem Thema öffnen. Wenn sie es nicht tun, sind alle Anstrengungen witzlos. Also wie Wasser in ein Sieb zu schütten - es ist zwecklos!!
Ich habe es mir abgewöhnt, Menschen etwas beizubringen die abfällig über etwas sprechen von dem sie nachweislich keine Ahnung haben.

Hierzu fällt mir der Spruch ein: "Die Mutter der Dummen ist immer schwanger!" Quelle unbekannt

Ich wünsche Dir abschließend den ständigend Hunger auf das Nichtsichtbare, so wie es ja dem großen englischen Detektiven Sherlock Holms erging. Auch vergleichen möchte ich Eure Arbeit mit der in einem Labor oder bei der Polizie oder den angesprochenen LehrerINNEN. Nur wenn die Schüler ihre Ausbildung erfolgreich absolviert haben, waren es die Leistungen der Schüler nicht die der Lehrer, aber das ist dann wiederum ein anderes Thema, das ich hier nicht vertiefen möchte.
Ich mag meine Arbeit in der Somatik, in der Lehre auf dem Tanzparkett und und und.
Was mir wichtig ist, ist der Respekt voreinander. Alles Andere stellt sich anschließend ein. Darum muss ich nicht bitten. Wenn es sich nicht einstellt verhalte ich mich entsprechend und konzentriere mich auf das für mich Wesentliche.   

Tänzerische und repektvolle Grüße, IKARUS