Autor Thema: Bewerbungsgespräch: Fragen nach Krankheiten...  (Gelesen 4514 mal)

Offline Thomas Beßen

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Bewerbungsgespräch: Fragen nach Krankheiten...
« am: 23. März 2010, 17:33:17 »
können Arbeitgeber zu Schadensersatz verpflichten.

"Gute Nachricht für Jobsuchende: Die Richter am Bundesarbeitsgericht haben den Nachweis einer Diskriminierung von Bewerbern im Vorstellungsgespräch wesentlich erleichtert (AZ: 8 AZR 670/08). 

Der Fall: Ein Arzt suchte Verstärkung für seine Entwicklungs- und Forschungs-Firma. Über die Bundesagentur für Arbeit schrieb er eie Stelle aus – für einen Biologen oder Tierarzt mit akademischen Titel zur Mitarbeit an wissenschaftlichen Studien und in der klinischen Forschung.

Der Kläger meldete sich auf diese Anzeige hin. Er ist Biologe, promoviert – und im Ergebnis abgelehnt worden. Dazu kam es wie folgt:

Am 1. August 2006 erscheint der Kläger zum Vorstellungsgespräch. Er absolviert zunächst einen Test – eine Recherche im Internet, eine Power-Point-Präsentation und eine Kurzvortrag in englischer Sprache. Er erzählt, er habe im vergangenen Jahr nicht gearbeitet. Er habe seine Mutter gepflegt, hinzu kam, dass sein Bruder bei einem Verkehrsunfall gestorben sei.

Am 8. August 2006 kommt der Bewerber zum zweiten Vorstellungsgespräch. Anwesend ist ein Mitarbeiter des Chefs. Dieser Mitarbeiter fragt den Bewerber, ob er in psychiatrischer Behandlung gewesen sei? Er fordert den Bewerber auf, eine Erklärung zu unterschreiben, dass dies nicht der Fall gewesen sei. Außerdem erklärt der Mitarbieter, der Bewerber könne möglicherweise auch als "freier Mitarbeiter" in Betracht kommen.

Mehr als eine Monat später, am 13. September 2006, kommt es zu einem dritten Vorstellungstermin. Auch der Chef ist anwesend. Der Bewerber fragt, warum er auf eine psychiatrische Erkrankung angesprochen worden sei? Der Chef antwortet, der steife Gang des Bewerbers lasse darauf schließen, dass er an "Morbus Bechterev" leide. „Morbus Bechte-
rev“ führe bei Patienten häufig zu Depressionen. (Es handelt sich um eine chronische, entzündlich-rheumatische Erkrankung.) In diesem Zusammenhang fordert er seinen Bewerber auf, sich die Wirbelsäule röntgen zu lassen. Damit ist der Bewerber nicht einverstanden.

Später sagt der Chef dem Bewerber ab. Er komme für die Stelle leider nicht in Betracht.

Der Bewerber klagte auf Geld, insgesamt verlangte er 13.618,71 Euro, das entspreche drei monatsgehältern einer vergleichbaren Stelle. Vorm Arbeitsgericht erklärt er: Er wurde wegen einer vom Chef vermuteten Behinderung nicht eingestellt – der habe nämlich nach Krankheiten gefragt, die häufig zu einer Behinderung führten. Das sei ein Verstoß gegen das Allgemeine Gleichstellungsgesetz. Er habe deshalb Anspruch auf drei Monatsgehälter. Der Chef verteidigte sich mit folgenden Argumenten: Der Bewerber habe ein zu hohes Gehlat gefordert und auch den Einstellungstst zum Teil nicht bestanden. Gleich im zweiten Gespräch sei deshalb nur eine freie Mitarbeit angeboten worden. Die Krankheiten habe man nur erfahren wollen, weil der Kläger beim ersten Gespräch von seiner pflegebedürftigen Mutter erzählt habe.

Das Arbeitsgericht veruteilte den beklagten Chef zu einer Zahlung von 8000,00 Euro – also zu zwei Monatsgehältern. Im Ergebnis meinte es, dass der nicht bestandene Test nicht der wirkliche Grund für die Ablehnung war. Auch nach diesen Tests seien Gespräche über eine Freie Mitarbeit geführt worden – und gerade dabei wurde auch nach der schweren Krankheit gefragt. Wenn nun selbst bei einer freien Mitarbeit die mögliche Krankheit so eine große Rolle spiele, dann erst recht bei einer Festanstellung. Man könne also im Ergebnis ndavon ausgehen, dass die mögliche Krankheit, deren Verlauf zu einer Behinderung führe, der ausschlaggebende Grund gewesen sei.

Der Chef ging in die Berufung – und gewann! Das Landesarbeitsgericht stellte sich auf die Seite des Firmeninhabers. Der Grund: Der Arzt habe lediglich nach Krankheiten gefragt, aber durch diese Fragen nicht gezielt eine Behinderung vermutet oder durch die Äußerungen im Gespräch festgestellt.

Die Richter am Bundesarbeitsgericht in Erfurt erteilten dieser Sichtweise nun eine deutliche Absage! Wenn Fragen nach näher bezeichneten Krankheiten oder Beeinträchtigungen der Gesundheit gestellt würden, dürfe man vermuten, dass damit auch die Nachfrage einer Behinderung gestellt werden solle – und diese Behinderung vermutet würde. Selbst wenn der Chef diese Behinderung vermute oder annehme, sei eine Benachteiligung nach § 7 Abs. 1 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz untersagt. ..."


Quelle & mehr: http://www.hamburger-anwalt.de/artikel/Bewerbungsgespraech:_Fragen_nach_Krankheiten_koennen_Arbeitgeber_zu_Schadensersatz_verpflichten__119-1321-2.html 20100323 17:30

Schönen Feierabend!
Thomas Beßen
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.