Autor Thema: Wenig Pfleger, hohes Risiko  (Gelesen 2987 mal)

Offline Thomas Beßen

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Wenig Pfleger, hohes Risiko
« am: 29. Dezember 2009, 12:46:15 »
Wenig Pfleger, hohes Risiko - SPD-Gesundheitsexperte Thomas Spies im FR-Interview über Mindeststandards bei Klinikpersonal und Reaktionen der Klinikbetreiber

Herr Spies, die hessische SPD fordert, wie die Gewerkschaft Verdi, Mindeststandards beim Pflegepersonal an Kliniken. Warum?

Besonders die Privatisierung von Kliniken finanziert sich im Wesentlichen durch Personalabbau. Es gibt inzwischen Daten, die belegen, dass übermäßiger Personalabbau die Behandlungsqualität verschlechtert und ein Risiko für Patienten darstellt.

Können Sie Beispiele für solche Risiken nennen?

Untersuchungen zeigen: Wenn auf chirurgischen Stationen die Personalstärke von vier Patienten auf acht Patienten pro Pflegekraft sinkt, steigt die Sterblichkeit nach einer Operation um 30 Prozent. Ein Personalabbau führt nicht zu mehr Komplikationen, aber die verlaufen schlimmer, weil sie später erkannt werden.

Hat sich das in Hessen bestätigt, wo vor vier Jahren sogar die Universitätsklinik Gießen-Marburg privatisiert wurde?


Um einen Ursachenzusammenhang festzustellen, bräuchte man sehr viele Zahlen. Denn es gibt viele Gründe, warum eine Behandlung nicht so läuft wie erwünscht. Gerade weil man nicht im Einzelfall den Zusammenhang herstellen kann, braucht man eine allgemeine Regel, die sicherstellt, dass immer so viel Personal da ist, dass nichts Vermeidbares passiert.

Diese Regeln sind die von Ihnen geforderten Personalmindeststandards. Wie steht die Landesregierung dazu?

Der Landtag hat schon im September 2008 einstimmig die Regierung beauftragt, eine Arbeitsgruppe zu bilden. Diese soll die Zahlen erarbeiten, die ein Risiko durch Personalmangel ausschließen. Standards sind in Krankenhäusern nichts Ungewöhnliches. Personalstandards gibt es auch in Kindergärten sowie Altenheimen - und diese sind weniger gefährlich.

Verdi wirft der Landesregierung vor, das Thema auf die lange Bank zu schieben.

Wir sind dankbar, dass es die Arbeitsgruppe gibt. Sie hat mehrmals getagt und eigentlich sollte längst ein Gutachten zur Entwicklung solcher Zahlen in Auftrag gegeben sein. Es ist sehr bedauerlich, dass wir da nicht schneller vorankommen. Irgendwann werden die Gerichte uns auch hier Standards vorschreiben. Politik sollte da nicht immer hinterherlaufen.

Die Kritiker sagen, Krankenhäuser eigneten sich nicht für ein starres Korsett, weil die Schwere der Erkrankungen von Abteilung zu Abteilung verschieden sei.

Es gibt längst viele wichtige technische Standards, wie Hygieneregeln, Sauerstoffmessung bei Operationen, oder die Regel, dass am Operationstisch ein Facharzt stehen und für die Narkose ein Facharzt verfügbar sein muss. Genauso kann man die Personalstärke für Stationen festlegen, und zwar über die Schweregrade der Patienten, die wegen der Fallpauschalen sowieso erfasst werden. Das ist dann kein Korsett. Es kommt auch nicht darauf an, dass das Krankenhaus Stellen besetzt, sondern dass genug Pflegekräfte wirklich am Patienten sind. Ein Patient hat einen Anspruch darauf. Die Frage ist nur, ob man es regelt oder wartet, bis etwas passiert ist.

Wie reagieren die Klinikbetreiber?


Grundsätzlich zögerlich, weil ihre Handlungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, wenn sie mit dem Personal nicht mehr jonglieren können. Aber das ist ein betriebswirtschaftliches Problem. Vorrangig ist im Krankenhaus das Medizinische.

Die Rhön-AG sagt dazu, entscheidend sei die bestmögliche Versorgung. Rechenmodelle stellten dies nicht sicher. Dabei sind es doch gerade Privatbetreiber wie Rhön, die Personal massiv abbauen?

Personalstandards allein garantieren keine Qualität, aber genug Personal ist eine zwingende Voraussetzung. Bei wirtschaftlichem Druck muss sichergestellt werden, dass die Qualität bestehen bleibt. Beim Kaffeemaschinenkauf tut das der Kunde. Beim Krankenhaus garantiert das Land, dass die Versorgung gut ist. Deshalb gibt es eine Krankenhausaufsicht.

Wer kontrolliert eigentlich die Krankenhäuser?

Ein bisschen das Land, das haben wir bei der Salmonellengeschichte in Fulda mitgekriegt. Ein bisschen die örtlichen Gesundheitsämter. Die Kontrolle ist eine zentrale Frage, die ins Krankenhausgesetz geschrieben werden muss. Das wird im nächsten Jahr novelliert. Deshalb ist es so ärgerlich, dass die Arbeitsgruppe nicht schneller vorankommt. Denn auch die Personalstandards gehören in das Gesetz hinein.

Interview: Jutta Rippegather in http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/hessen/2171588_Interview-mit-Thomas-Spiess-Wenig-Pfleger-hohes-Risiko.html 20091229 11:24

Grüßend
Thomas Beßen


Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.