Autor Thema: Tourette-Syndrom: Hirnschrittmacher bremsen Tics  (Gelesen 3746 mal)

Offline Thomas Beßen

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Tourette-Syndrom: Hirnschrittmacher bremsen Tics
« am: 30. Oktober 2009, 07:27:27 »
"Sie schreien, fluchen, schneiden Grimassen und verletzen sich selbst: Das Tourette-Syndrom entreißt Menschen die Selbstkontrolle, völlig unvermittelt und oft Hunderte Male am Tag. Jetzt haben Forscher nachgewiesen, dass Elektroden im Kopf die Symptome lindern können.

Das Tourette-Syndrom kann den Betroffenen das Leben zur Hölle machen - vor allem, wenn Mitmenschen nicht wissen, wie sie mit den krankheitsbedingten Ausbrüchen - den sogenannten Tics - umgehen sollen. Bei schweren Formen motorischer oder vokaler Tics werden die Patienten meist mit Neuroleptika behandelt. Sie haben allerdings oft Nebenwirkungen wie Gewichtszunahme und Müdigkeit, manchmal sind sie auch wirkungslos.

Seit knapp 15 Jahren setzen Mediziner auch auf Hirnschrittmacher. Ursprünglich waren sie für Parkinson-Patienten gedacht, um das unwillkürliche Zittern zu unterdrücken. Doch Neurologen beobachten immer wieder, dass Hirnschrittmacher auch bei Zwangsstörungen und dem Tourette-Syndrom helfen können. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Neurology" haben jetzt Forscher um Andrea Cavanna von der University of Birmingham eine Langzeitstudie dazu veröffentlicht. Sie implantierten 18 Tourette-Patienten Hirnschrittmacher und begleiteten 15 davon anschließend über einen Zeitraum von zwei Jahren. Das Ergebnis: Die 15 Versuchsteilnehmer hatten auch zwei Jahre nach dem Einsetzen der Elektrode nur halb so viele Tics wie zuvor und litten deutlich weniger an Depressionen und Angststörungen.

Elektrische Impulse blockieren überaktive Nervenzellen

"Das ist ein sehr gutes Ergebnis", sagt Volker Sturm im Gespräch mit SPIEGEL ONLINE. Der Neurochirurg arbeitet seit rund zehn Jahren mit Gehirnschrittmachern zur Heilung von Zwangsstörungen und Parkinson. Tiefenhirnstimulation heißt die Methode, bei der eine wenige Millimeter große Elektrode im Gehirn ein kleines Areal mit Stromstößen reizt. Dabei blockieren die elektrischen Impulse die überaktiven neuronalen Schaltkreise. Sturm, Chef der Klinik für Stereotaxie und Funktionelle Neurochirurgie in Köln, hat in den letzten fünf bis sechs Jahren knapp 15 Tourette-Patienten Hirnschrittmacher implantiert und damit "exzellente Erfolge" erzielt, wie er selbst sagt.

"Es kommt aber stark darauf an, wie schwer das Tourette-Syndrom ausgeprägt ist", sagt Sturm. Und es hänge auch davon ab, in welches Gehirnareal die Elektrode eingepflanzt werde: Den Nucleus accumbens, einen wichtigen Kern des zerebralen Belohnungssystems, stimulieren die Forscher, wenn die Zwangshandlungen der Patienten im Vordergrund stehen. In den Thalamus, einem Bereich des Zwischenhirns, implantieren sie die Elektrode, wenn der Patient vor allem unter motorischen Störungen leidet.

"In den meisten Fällen haben wir mit Hilfe der Tiefenstimulation die Tics sehr gut in den Griff bekommen. Sie sind fast vollständig verschwunden", sagt Sturm. "Vor allem aber können wir die Lebensqualität der Patienten deutlich verbessern, weil sie nicht mehr unter den psychischen Folgen der Krankheit leiden müssen."

"Noch stecken wir in einer experimentellen Phase"

Auch die Wissenschaftler aus Birmingham analysierten die Häufigkeit psychischer Beschwerden wie Depressionen, Angstzustände, Zwangsstörungen und Aufmerksamkeitsdefizit-Hyperaktivitätssyndrom (ADHS), unter denen Tourette-Patienten oft leiden. Nach der Implantation der Hirnschrittmacher, die bei den 15 Versuchsteilnehmern im Thalamus vorgenommen wurde, verringerte sich die Zahl der Tics durch die Behandlung um 52 Prozent; die psychischen Probleme nahmen um 26 bis 32 Prozent ab. "Das ist sehr ermutigend", sagt Cavanna. Auch der Kölner Neurochirurg Sturm ist optimistisch, dass die Tiefenhirnstimulation noch vielen Menschen helfen wird. ..."


Guten Morgen!
Thomas Beßen

Von Cinthia Briseño in http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,657904,00.html 20091030 06:27

Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.