Autor Thema: Gesetz über Patientenverfügungen vom 1.9.2009  (Gelesen 4050 mal)

Offline Thomas Beßen

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Gesetz über Patientenverfügungen vom 1.9.2009
« am: 01. September 2009, 06:41:53 »
Fragen zwischen Leben und Tod

"Nach langer Diskussion tritt heute, am Dienstag, den 1. September 2009 das Gesetz zur Regelung von Patientenverfügungen in Kraft. "Der gesetzliche Rahmen steht. Jetzt muss jeder für sich selbst entscheiden, ob er eine Patientenverfügung will oder nicht", sagte Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) am Montag. Sie betonte, dass die Verfügung freiwillig sei.
Wer sich dafür entscheide, solle sich "Zeit nehmen nachzudenken, in welcher Situation er wie behandelt werden will. Je konkreter die Formulierung, desto besser die Orientierung für alle Beteiligten". Hier einige grundsätzliche Informationen:

Was ist eine Patientenverfügung? In diesen Dokumenten können Volljährige im Voraus festlegen, ob und wie sie später ärztlich behandelt werden wollen, wenn sie ihren Willen nicht mehr selbst äußern können. Dabei ist unter anderem an Fälle von Wachkoma, Demenz oder schwerem Alzheimer zu denken.

Gilt eine Patientenverfügung automatisch? Zunächst sind nur schriftliche Verfügungen zu beachten, was im Gesetzgebungsverfahren nicht unumstritten war. Das Dokument richtet sich nach dem Gesetz auch nicht unmittelbar an den Arzt, sondern an den Betreuer des Patienten. Der ist immer von Gesetzes wegen zu bestellen, wenn der Patient nicht geschäftsfähig ist. Der Betreuer prüft dann, "ob diese Festlegungen auf die aktuelle Lebens- und Behandlungssituation zutreffen". Ist das der Fall, dann "hat der Betreuer dem Willen des Betreuten Ausdruck und Geltung zu verschaffen". Das heißt: Der Betreuer - oft ein Angehöriger, manchmal auch ein von Gerichten bestellter Anwalt - muss zunächst schauen, ob die Verfügung beispielsweise wirklich die Behandlung nach einem Schlaganfall betrifft, den sein Schützling erlitten hat. Wenn ja, muss er im zweiten Schritt dann vom Arzt eine bestimmte Art von Behandlung verlangen, die festgelegt ist.

Welche Rolle hat der Arzt? Stimmen Betreuer und Arzt in der Auslegung der Verfügung überein, kann im Extremfall eine Behandlung abgebrochen werden, selbst wenn dies den Tod des Patienten zur Folge hat. Der Mediziner ist aber auch eine Art Kontrollinstanz. Sieht er den Fall anders als der Betreuer, muss das Gericht entscheiden, falls Todesgefahr bei einem Behandlungsabbruch besteht. Übrigens: Die Auffassung von Angehörigen hat nach dem Gesetz keine rechtliche Bedeutung.

Sollten die Verfügungen von Zeit zu Zeit erneuert werden? Nach dem Gesetz haben die Verfügungen kein Verfallsdatum. Allerdings empfiehlt es sich, die Verfügung immer wieder zu erneuern. Denn je länger sie zurückliegt, desto eher wird es Zweifel geben, ob die Festlegungen eben auf die aktuelle Behandlungssituation wirklich zutreffen.

Was ist bei der Formulierung zu beachten? In einer Formulierungshilfe des Bundesjustizministeriums heißt es: "Jedem Menschen, der eine Patientenverfügung erstellen möchte, sollte bewusst sein, dass vor der Niederlegung eigener Behandlungswünsche ein Prozess der persönlichen Auseinandersetzung mit Fragen steht, die sich im Zusammenhang mit Krankheit, Leiden und Tod stellen." Eine Beratung wird von allen Experten als empfehlenswert bezeichnet. So sollte eine Verfügung bei bestehender Krankheit nach Rücksprache mit den Ärzten konkretisiert werden; darin sollte auch näher auf krankheitsbezogene Wünsche, Erwartungen und Behandlungsmöglichkeiten eingegangen werden. Die Verfügung sollte danach möglichst konkret gefasst werden. Eine Formulierung wie "ich will nicht qualvoll dahinvegetieren" hilft kaum weiter.

Müssen alle Patienten eine Verfügung abgeben? Nein. Einen Zwang sieht das Gesetz ausdrücklich nicht vor. "Niemand kann zur Errichtung einer Patientenverfügung verpflichtet werden. Die Errichtung oder Vorlage einer Patientenverfügung darf nicht zur Bedingung eines Vertragsschlusses gemacht werden." Letztere Passage betrifft auch Verträge über die Betreuung alter Menschen in Pflegeheimen.

Ist es ratsam, einen Bevollmächtigten einzusetzen? Ja. Er kann helfen, den Patientenwillen durchzusetzen. Außerdem dürfte eine Person, die schon bevollmächtigt worden ist, oft zum Betreuer ernannt werden.

Bleiben alte Patientenverfügungen nach neuem Recht weiter gültig? Bislang haben geschätzt bis zu neun Millionen Bürger solche Anordnungen abgegeben. Die alten Verfügungen bleiben wirksam. Es ist jedoch ratsam, die Formulierungen zu überprüfen, ob sie der jetzt erstmals präzisen Gesetzeslage entsprechen."


Siehe auch http://www.bmj.de/patientenverfuegung bzw. z.B. die For­mu­lie­rungs­hil­fe Pa­ti­en­ten­ver­fü­gung und eine entsprechende Broschüre vom Bundesjustizministerium in der Anlage.

Einen guten Morgen wünscht
Thomas Beßen

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Quelle: http://www.fr-online.de/in_und_ausland/politik/aktuell/?em_cnt=1913480&
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline gerdhard

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Re: Gesetz über Patientenverfügungen vom 1.9.2009
« Antwort #1 am: 10. November 2010, 20:19:01 »
Rechtliche Regelung bis zuletzt fraglich
Nach engagierter Debatte kam das Ergebnis überraschend. Bis kurz vor Schluss ging es darum, ob es überhaupt eines Gesetzes bedarf. "Es kann auch eine parlamentarische Verantwortung sein, wenn man zu dem Schluss kommt, dass keine rechtliche Regelung so gut ist, wie eine rechtliche Regelung", sagte der CDU-Abgeordnete Hubert Hüppe. Das war auch die Haltung der Bundesärztekammer. Mit seinem Antrag scheiterte er jedoch. "Sterben ist eben nicht normierbar", mahnte Unions-Fraktionsvize Wolfgang Zöller (CSU). "Gesetze dürfen keinen Automatismus in Gang setzen." Doch auch seine Position, die die Beratung von Angehörigen und Ärzten über den Patientenwillen in den Vordergrund stellt, erhielt nur 77 von 571 abgegebenen Stimmen.