Autor Thema: Palliativversorgung in Hessen - Schmerzfrei zu Hause sterben  (Gelesen 5642 mal)

Offline Thomas Beßen

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"Mal ist er unruhig, mal schläfrig. Manchmal leidet er unter Halluzinationen. Viel Zeit bleibt ihm nicht mehr. Der Krebs hat ihn gezeichnet. Nur mit Unterstützung seiner Frau schafft er die paar Schritte zur Toilette.

Der 65-Jährige will unbedingt zu Hause sterben, und natürlich möglichst schmerzfrei. Das Palliativ-Care-Team der Horst-Schmidt-Kliniken in Wiesbaden sorgt dafür, dass er in den eigenen vier Wänden ebenso gut versorgt ist wie in einem Krankenhaus. Als er keine Tabletten mehr schlucken konnte, legten die Ärzte ihm eine Schmerzpumpe. Der Psychologe sprach mit der Familie. Im Krisenfall ist eine qualifizierte Pflegekraft Tag und Nacht telefonisch erreichbar. Und es gibt regelmäßige Visiten.

Wiesbaden ist eine von 16 hessischen Städten, in denen sich in den vergangenen Monaten fachübergreifende Spezialteams dafür formiert haben. Auch in Fulda, Hanau, Kassel, Darmstadt oder Offenbach sind Experten stationiert, die Todkranke in einem Umkreis von maximal 30 Minuten Fahrzeit ambulant versorgen.

Sieben Teams mit Vertrag

Bislang war das für sie ein Zuschussgeschäft. Einige Teams standen deshalb kurz vor dem Aus. Jetzt, so hoffen sie, können sie zumindest kostendeckend arbeiten. Sieben haben bereits den neuen Mustervertrag zur spezialisierten ambulanten Palliativversorgung in Hessen unterschrieben. Zehn weitere stehen kurz davor. Der Haken: Nur die Ersatzkassen haben sich mit der Landesarbeitsgemeinschaft Palliativversorgung Hessen bislang geeinigt. Die so genannten Primärkassen wie AOK, IKK oder BKK wollen eine andere Vergütung. "Wir stehen kurz vor Vertragsabschluss", lautet die Auskunft der AOK-Hessen. Der Sprecher der Verhandlungsdelegation der Landesarbeitsgemeinschaft, Thomas Schillen, widerspricht: Das Angebot von 1600 Euro pro Fall sei inakzeptabel. "Das ist die Hälfte von dem, was die Ersatzkassen zahlen." Bewegten sich die Primärkassen nicht, so müsse jeder einzelne Fall verhandelt werden.

Mit dem Mustervertrag übernimmt Hessen nach Darstellung des Verbands der Ersatzkassen (VdEK) bundesweit eine Vorreiterrolle. "Die sieben Teams decken drei Millionen Menschen und damit die Hälfte der hessischen Bevölkerung ab", sagt der Chef der Landesvertretung, Hubert Schindler. Das Personal muss vorgeschriebene Qualifikationen und Erfahrungen nachweisen. "Eine Palliativversorgung light wird es in Hessen nicht geben", versichert Schillen, Psychiater und stellvertretender Direktor des Klinikums Hanau.

Das ist wichtig, nicht nur weil die Team-Mitarbeiter bei ihren Besuchen als Einzelkämpfer agieren. Patienten wie Angehörige müssen ihnen Vertrauen darin schenken, dass ihnen bei Panikattacken oder Luftnot schnell und professionell geholfen wird.

"Wir wollen den Bedürfnissen der Patienten gerecht werden", sagt Bernd Oliver Maier, Ärztlicher Leiter der Wiesbadener Schmidt-Kliniken. Deshalb gehörten auch spirituelle Begleiter und Sozialarbeiter zum Team. Der Vertrag ermögliche erstmals, diese unterschiedlichen Leistungen als Paket abzurechnen, was den bürokratischen Aufwand mindere. Die angenommene durchschnittliche Betreuungszeit liegt bei knapp einem Monat.

Thomas Sitte vom Palliativnetz Osthessen sieht in dem Kontrakt ein Modell für die ganze Republik. Anders als der VdEK geht er davon aus, dass eine rasche flächendeckende Umsetzung schon in Hessen am Mangel an entsprechend qualifizierten Ärzten und Pflegern scheitern wird. Seine Prognose: "Wir werden zwei bis fünf Jahre brauchen, um die Strukturen für ganz Hessen aufzubauen." Selbst dann sei nicht jeder erfasst. Denn neben den Mitgliedern der Primärkassen hätten "auch Privatversicherte kein Recht auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung"."

Guten Morgen!
Thomas Beßen


Quelle: Jutta Rippegather in http://www.fr-online.de/frankfurt_und_hessen/nachrichten/hessen/?em_cnt=1762570&

p.s.:
Gesetzliche Grundlage
"Versicherte mit einer nicht heilbaren, fortschreitenden und weit fortgeschrittenen Erkrankung bei einer zugleich begrenzten Lebenserwartung, die eine besonders aufwendige Versorgung benötigen, haben laut Sozialgesetzbuch Anspruch auf spezialisierte ambulante Palliativversorgung. Sie umfasstärztliche und pflegerische Leistungen einschließlich deren Koordination, insbesondere zur Schmerztherapie und Symptomkontrolle. Ziel ist, die Betreuung Sterbender in der häuslichen Umgebung zu ermöglichen."
Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline Anita Bingart

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Re: Palliativversorgung in Hessen - Schmerzfrei zu Hause sterben
« Antwort #1 am: 22. Mai 2009, 09:37:23 »
Guten Morgen,
ich hatte das Glück, bei einer mir persönlich bekannten Familie die Palliativversorgung mit erleben zu dürfen. Diese schwere Zeit konnte nur mit so vielen Helfern und Hilfen durchgestanden werden. Die Angehörigen waren mit diesem Team so gut aufgefangen, konnten Tag und Nacht bedenkenlos anrufen. Wir haben auch nach der Beerdigung noch viele Gespräche geführt und die Rückmeldung der Familie über die Begleitung war ausschließlich positiv.
Hoffentlich scheitert es nicht am Geld, dass (eventuell auch jeder Einzelne von uns) die Entscheidung treffen kann, wie und wo er sterben will.
Herzliche Grüße
Anita Bingart