Autor Thema: Schmerzensgeld wegen schlechter Pflege  (Gelesen 4795 mal)

Offline Thomas Beßen

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Schmerzensgeld wegen schlechter Pflege
« am: 15. Januar 2009, 13:32:01 »
Bettlägerige Patientin erleidet Druckgeschwüre am Bein - Klinik muss 15 000 Euro zahlen

Von Ekkehard Müller-Jentsch
"Das städtische Klinikum Harlaching muss gemeinsam mit dem damals verantwortlichen Chefarzt 15 000 Euro Schmerzensgeld an eine 74-jährige Münchnerin bezahlen. Das Landgericht München I hat das Krankenhaus verurteilt, weil die Patientin nicht dem pflegerisch-medizinischen Standard entsprechend gepflegt worden sei. Die Seniorin hatte deswegen unter sehr schmerzhaften Druckgeschwüren gelitten, die mehrmals operiert werden mussten. Dass der Frau dann sogar das betroffene Bein amputiert wurde, ist nach Meinung des Gerichts aber nicht der Klinik anzulasten. Ursprünglich hatte die Frau 45 000 Euro Schmerzensgeld gefordert.

Wie berichtet, war die 74-Jährige vor fünf Jahren nach einem Schlaganfall einen Monat zur Behandlung in das Klinikum gekommen. Nach ihrer Entlassung in ein Pflegeheim wurden dort Wundliegegeschwüre festgestellt. Rechtsanwalt Alexander Frey warf dem Krankenhaus folgenschwere Pflegefehler vor, "die höllische Schmerzen und horrende Kosten verursacht" hätten. Die beinamputierte Frau sitzt seitdem im Rollstuhl.

Die Klinik-Anwälte dagegen bestritten den Vorwurf einer mangelhaften Pflege. Der Hautzustand sei bei der Entlassung als "in Ordnung" dokumentiert worden. Dass nur wenige Stunden später bei der Aufnahme ins Altenheim Druckgeschwüre, sogenannte Dekubiti, festgestellt worden seien, nannten sie einen "schicksalhaften Verlauf". Es sei bei Risikopatienten, die wie diese alte Frau unter Diabetes und Bluthochdruck leiden, durchaus möglich, dass sich ein Dekubitus Grad I und Grad II innerhalb weniger Stunden entwickeln könne.

Der von der 9. Zivilkammer bestellte Gutachter, Chefarzt Professor Wolfgang von Renteln-Kruse vom renommierten Albertinen-Haus, dem Zentrum für Geriatrie und Gerontologie der Universität Hamburg, hat jedoch festgestellt, dass zwei der Druckgeschwüre im Harlachinger Klinikum entstanden seien: "Das hätte bei fachgerechter Pflege mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit verhindert werden können", sagte er in der Verhandlung. In der Folge seien weitere Geschwüre an den Unterschenkeln entstanden - aus Sicht des Sachverständigen zurückzuführen auf eine unzulängliche weitere Versorgung später im Altenheim. Letztlich hätten diese dann zur Amputation des Beines geführt.

Für die Richter war damit klar, dass die Klink eine Dekubitusprophylaxe, wie sie dem pflegerischen Standard entsprochen und dem Risikoprofil der alten Dame gerecht geworden wäre, unterlassen hat. Das sei ein nachlässiger Verstoß gegen die geltenden pflegerischen Standards. Die Kammer bewertete diesen Verstoß gegen die Sorgfaltspflicht als "einfachen Behandlungsfehler".

Aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen befand das Gericht, dass die Amputation nicht Folge dieser pflegerischen Versäumnisse im Harlachinger Klinikum gewesen sei. Gerade der Verlust des Beines habe jedoch zur vollständigen Immobilität und Bettlägerigkeit der Frau geführt, dies sei der wesentliche Grund für die geltend gemachten Schäden gewesen: "Da es hier jedoch an einer Verantwortlichkeit der Beklagten fehlt, war die Klage insoweit abzuweisen", meinte das Gericht. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig (Az: 9 O 10239/04).

Das Altenheim, auf dessen unzulängliche Pflege die Amputation laut Gutachten zurückzuführen ist, ist bisher nicht verklagt worden - warum der Anwalt der Seniorin dies bisher unterlassen hat, blieb in der Verhandlung unklar."

Schönen Gruß!
Thomas Beßen

Quelle: http://www.sueddeutsche.de/351387/638/2713900/Schmerzensgeld-wegen-schlechter-Pflege.html
siehe auch: http://www.kostenlose-urteile.de/newsview7268.htm



Wer heute krank ist, muss kerngesund sein.

Offline norbert1507

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Re: Schmerzensgeld wegen schlechter Pflege
« Antwort #1 am: 19. Januar 2009, 11:22:26 »
Ich danke für die Einstellung dieses interessanten Falles.
Er zeigt deutlich die immer stärker werdende Verrrechtlichung der Pflege und begründet die Notwendigkeit sich mit den Grundlagen des straf- und Haftungsrechts (auch aus eigenem Schutzinteresse) zu beschäftigen.
mfg
nh